Bürgermeisterinnen im Parlament
© Gemeindebund / Franz Gleiss

Frauenpolitik

Women can change the world

Erstmals fand heuer eine „Bundes­tagung für Bürgermeisterinnen“ des Österreichischen Gemeindebundes statt. Mit der Tagung in der Wiener Hofburg am 31. März und 1. April sollte die Partizipation von Frauen in kommunalen Einrichtungen bis hin an die Spitze nachhaltig gefördert und die Öffentlichkeit für die Notwendigkeit einer besseren Geschlechtergleichstellung in der lokalen Führung sensibilisiert werden.
Die Teilnehmerinnen der ersten Bürgermeisterinnen-Fachtagung
Die Teilnehmerinnen der ersten Bürgermeisterinnen-Fachtagung.

Eröffnet wurde die Bundesfachtagung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka: „Wo Frauen Verantwortung übernehmen, ändert sich das Klima. Es wird respektvoller diskutiert und es herrscht ein anderer Umgang mit unterschiedlichen Meinungen. Frauen bringen vieles an Dynamik ein, wovon alle profitieren.“ Er bedankte sich bei den Bürgermeisterinnen, dass sie sich in einer männerdominierten Gesellschaft tagtäglich durchsetzen und so dazu beitragen, dass Frauen in der Politik immer mehr zur Selbstverständlichkeit werden.

Doris Schmidauer, Frauenaktivistin, Präsidenten-Gattin und Schirmherrin der Veranstaltung, betonte die wichtige Vorbildfunktion der Kommunalpolitikerinnen. Schmidauer legte außerdem einen Fokus auf die Vernetzung und den Zusammenhalt: „Frauen, die einander unterstützen, sind Frauen, die sich durchsetzen und gemeinsam gläserne Decken splittern.“

Geballte Erfahrung, Kompetenz, Teamgeist und Freude am Engagement – für all diese Eigenschaften lobte die Frauenaktivistin die Teilnehmerinnen. „Chancengleichheit in der kommunalen Führung ist unerlässlich, doch unser Ziel haben wir noch lange nicht erreicht – da ist noch Luft nach oben, da ist noch einiges zu tun“, mahnte Schmidauer.

Kommunalpolitik ist die Königsdisziplin

Claudia Plakolm, Staatssekretärin für Jugendagenden und früher selbst in der Kommunalpolitik, bestärkte die Bürgermeisterinnen.  „Niemand ist so nahe dran an der Bürgerin, am Bürger, wie die Gemeinden. In der Gemeinde ist man nahe am Problem, aber auch nahe an der Lösung. Die Kommunalpolitik ist die Königsdisziplin der Politik. Sie ist das Herz der Politik und der Demokratie.“

Plakolm verwies auch auf das wichtige demokratische Prinzip, dass auf jeder politischen Ebene jene Leute vertreten sein sollen, für die Entscheidungen getroffen werden: egal ob dies Geschlechter, Generationen oder unterschiedliche Berufsgruppen und Lebenssituationen betrifft.

Die Initiatorin des jährlichen Bürgermeisterinnentreffens des Gemeindebundes, Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher, und Gemeinde­bund-Vizepräsidentin Andrea Kaufmann betonten die schönen Seiten des Amtes. Ottenbacher unterstrich zudem: „Wir sind nicht gegen Männer – wir sind für Frauen.“

Instrumente strategisch nutzen

Sonja Dörfler-Bolt vom Institut für Familienförderung präsentierte in ihrem Impulsvortrag eine internationale Studie zum Gender Gap in der politischen Repräsentation und Partizipation. Aus dem Ländervergleich Polen – Spanien – Schweden – Großbritannien – Österreich ging deutlich hervor: Quotenregelungen oder parteiinterne Reißverschlusssysteme zeigen Wirkung beim Frauenanteil.

Das schlechte Abschneiden Österreichs im Ländervergleich wurde aber auch auf die kleine Größe der Gebietskörperschaften zurückgeführt: je kleiner die Gemeinde, desto geringer der Anteil an Frauen. Die Studie ergab auch, dass sich junge Frauen politische Ämter eher zutrauen, ihr Interesse an der Politik aber erst geweckt werden muss. Diese Erkenntnis diente als guter Anstoß für konkrete Frauenförderungsmaßnahmen.

Jetzt braucht es Umsetzung

In der Podiumsdiskussion „Was braucht es an Empowerment?“ diskutierten Schirmherrin Doris Schmidauer, Staatssekretärin Claudia Plakolm, Familienforscherin Sonja Dörfler-Bolt sowie die Politik­expertinnen Helga Lukoschat und Kathrin Stainer-Hämmerle über konkrete Handlungsanleitungen für die Stärkung von Bürgermeisterinnen.

Doris Schmidauer
Doris Schmidauer, Frauenaktivistin, Präsidenten-Gattin und Schirmherrin der Veranstaltung

Doris Schmidauer befand: „Wir brauchen nicht nur Empowerment, Austausch und Vernetzung von Frauen. Es muss sich auch strukturell etwas ändern. Die Vorschläge für mehr Kinderbetreuungsplätze, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und andere Rahmen liegen auf dem Tisch. Jetzt braucht es die Umsetzung dieser Maßnahmen.“ Schweden und Polen seien in Sachen Gleichstellung positive Beispiele, wo die Reise hingehen müsse. Auch in Österreich müsse endlich ankommen, dass Care-Arbeit nicht alleine von Frauen zu leisten sei.

Claudia Plakolm beobachtet aus eigener Erfahrung, dass es wichtig ist, die Rahmenbedingungen zu ändern, damit sich mehr Frauen engagieren. „Vielmehr geht es aber um das Zutrauen der Frauen.“ Dafür gelte es Talente von Frauen zu fördern, aber vor allem Frauen mehr Zuspruch zu geben und ihnen mehr zuzutrauen.

Für Familienforscherin Sonja Dörfler-Bolt braucht es in erster Linie ein Aufbrechen traditioneller Geschlechterrollen. Hinsichtlich einer besseren Partizipation von Frauen in der Kommunalpolitik befürwortet sie ein Öffnen der Parteien sowie flachere Hierarchien. „Damit kann man Frauen nicht nur gezielter ansprechen, sondern auch mehr Frauen gewinnen, weil gewisse Hürden verschwinden.“ Frauen trauten sich weniger zu, seien perfektionistischer und setzten höhere Ansprüche an sich als ihre männlichen Kollegen. Deswegen brauche es auch hier Aufklärungsarbeit und Bestärkung, so Dörfler-Bolt.

„Mehr Frauen in der Politik verbessern auch allgemein die Demokratie“

Helga Lukoschat von der EAF Berlin stellte Empowerment-Maßnahmen aus Deutschland vor: Dort gibt es neben dem Helene Weber Kolleg für Frauen in der Politik auch eigene Mentoring- und Aktionsprogramme für Kommunalpolitikerinnen, die teilweise vom Bund mit eigenen Budgets gefördert werden. „Demokratiepolitisch ist es einfach wichtig, Ämter für Frauen attraktiver zu machen – und das in möglichst vielen Bereichen. Denn mehr Frauen in der Politik verbessern auch allgemein die Demokratie“, sagte Lukoschat.

Kathrin Stainer-Hämmerle plädierte dafür, Frauenförderung unbedingt gleich nach einer Wahl zu beginnen und nicht nur sechs Monate vor einer Wahl. „Es braucht einfach mehr und stetige Begleitung davor und danach“, so die Politikwissenschaftlerin. Darüber hinaus machte sie sich dafür stark, den Politikbegriff bei Mädchen und jüngeren Frauen neu zu definieren. „Ich glaube, wir müssen weg von der Partei und mehr in Richtung vorbildlicher Bewegungen wie jener von Fridays for Future oder Black Lives Matter schauen. Diese werden von Frauen dominiert und wären auch Vorbild für politische Bewegung“, so Stainer-Hämmerle.

Die zentralen Forderungen der Bürgermeisterinnen:

  1. Eine bessere soziale Absicherung (Karenz- und Pensionsregelungen)

  2. ein Ende der privaten Haftung von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern

  3. eine Vereinheitlichung der Bürgermeisterbezüge über die Bundesländer hinweg

Die anschließende Diskussion mit Kommunalpolitikerinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz brachte eine breite Beteiligung aller Anwesenden, die ihre oft so unterschiedlichen und aber auch wieder ähnlichen Erfahrungen teilten.

Die Motivation junger Frauen – die oft eine andere Ebene der Ansprache benötigen als Männer – für die Politik war ebenso Thema wie der herausfordernde Arbeitsalltag und das fehlende Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Aufgaben der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Aufklärungsarbeit bezüglich Geschlechterrollen, Vernetzung von Frauen, aber auch die besonderen Qualitäten weiblicher Führungskräfte waren nur einige der weiteren Punkte in der reichhaltigen, lebendigen Diskussion im Sitzungssaal des österreichischen Parlaments.

Rege Diskussionen in Workshops

Der zweite Tag der Bundestagung startete mit einer Begrüßung von Staatssekretärin Claudia Plakolm, die auch auf ihre persönlichen Erfahrungen als junge Frau in der Politik einging und sowohl Herausforderungen als auch die positiven Aspekte hervorhob. Von diesen Erfahrungswerten genährt gingen die Bürgermeisterinnen weiter in zwei intensive Workshops.

Im Workshop mit den Politologinnen Kathrin Stainer-Hämmerle und Kathrin Zupan wurden die Ergebnisse der Bürgermeisterinnen-­Umfrage vertieft. Dabei wurden die am Vortag bereits angesprochenen Herausforderungen wieder aufgegriffen und in konkrete Wunschformulierungen gegossen. Innerhalb von Kleingruppen wurden Änderungsvorschläge in der politischen Kultur erarbeitet, aufgeteilt auf die ­persönliche, die parteiinterne und die Gemeindebund-Ebene.

Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle und Sonja Dörfler-Bolt vom Institut für Familienförderung
Workshop mit Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle und Sonja Dörfler-Bolt vom Institut für Familienförderung.

Die Vorschläge reichten von konkreten rechtlichen Maßnahmen wie einer bundeseinheitlichen Bezügeregelung, dem Einsatz von digitalen Meetings und Sitzungen oder Abhilfe bei Haftungsfragen über parteiinterne Reißverschlusssysteme und Girls’ Days bis zum Anspruch an sich selbst, Aufgaben zu delegieren, in Diskussionen Wertschätzung an den Tag zu legen und als Vorbild für andere Frauen aufzutreten. Trotz teils unterschiedlicher Ansichten zu Umsetzungswegen wurde in der anschließenden Diskussion bezüglich einiger langjähriger legistischer Forderungen an den Bund ein breiter Konsens erreicht, der anschließend im Plenum präsentiert wurde.

Unter dem Motto „In Balance bleiben“ referierte Expertin Petra Gajar vom Fonds Gesundes Österreich über Geschlechterunterschiede im Krisenmanagement und die weibliche Widerstandsfähigkeit in stürmischen Zeiten.

In ihrem Vortrag stellte Gajar das Modell der Krisenverlaufzeit vor – und wie die Gemeinden ihren Bürgerinnen und Bürgern in Krisenzeiten zur Seite standen und stehen: In der ersten Phase, der Akutphase, dominieren demzufolge die Emotionen Sorge, Schock und Ablehnung. Hat man diese überstanden, kommt die Reaktionsphase: Dazu gehört etwa rationale Einsicht. Erkenntnis und aktives Handeln passieren schließlich in der Bewältigungsphase. Sie gibt der Katastrophe einen Sinn. Gajar rief die Bürgermeisterinnen dazu auf, auf ihre eigene Selbstwirksamkeit auch in schwierigen Zeiten zu vertrauen.

Zum Abschluss der ersten Bundesfachtagung für Bürgermeisterinnen luden Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Gattin Doris Schmidauer in die Hofburg ein, um ihre Wertschätzung für die Kommunalpolitikerinnen auszudrücken. Schirmherrin Doris Schmidauer bemerkte abschließend, wie viel Inspiration und positive Energie aus dieser Tagung hervorgegangen sei, und unterstrich: „Bleiben Sie so, wie Sie sind, denn Sie sind wunderbare Mutmacherinnen!“

Bürgermeisterinnentreffen
Abendessen im Wiener Rathaus mit der Organisatorin der Bürgermeisterinnentagung, Sonja Ottenbacher, Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl, Bürgermeister Michael Ludwig, der Bürgermeisterin von Dornbirn, Andrea Kaufmann, Gemeindebund-Generalsekretär Walter Leiss und Puls4-Moderatorin Corinna Milborn.