alte Männer
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Wie man Junge aus der Politik vergrault

15. November 2023
Die Jugend von heute interessiert sich nicht mehr für Politik. Dabei wäre es so wichtig und wünschenswert, dass wir mehr junge Leute für die Politik begeistern können! Derartige Aussagen werden landauf, landab fast mantraartig wiederholt. Wenn sich allerdings tatsächlich junge Menschen parteipolitisch engagieren und dabei auch noch erfolgreich Fuß fassen, scheint das mancherorts plötzlich gar nicht mehr so opportun, und die Forderung nicht mehr als eine leere Floskel zu sein. 

Plakatives Zeichen dafür waren die jüngsten Ereignisse, in der Marktgemeinde Pernersdorf. Der Gemeinderat des Orts im Weinviertel mit gut 1.000 Einwohnern hat nach dem Rückzug des Altbürgermeisters den 23-jährigen Florian Hofmann zum Nachfolger gewählt. Hofmanns Partei hat mit 12 von 19 Mandaten die absolute Mehrheit.

Die Opposition hätte gerne den Vizebürgermeister gestellt, doch in dieses Amt wurde Hofmanns Partei- und Gemeinderatskollegin Daniela Brunner gewählt. Daraufhin erklärten die oppositionellen Mandatare geschlossen ihren Rücktritt und erzwangen dadurch Neuwahlen. Ein derart junger Bürgermeister bräuchte nämlich jemand Erfahrenen und Kundigen beigestellt. Die Begründung verwundert etwas, schließlich ist Brunner Mitte vierzig und seit über einem Jahrzehnt im Gemeinderat. Da sie aber der gleichen Partei wie Hofmann angehöre, könne sie nicht als Korrektiv wirken.

Fall in Pernersdorf als verheerendes Signal

Florian Hofmann aus Pernersdorf mit seiner Vizebürgermeisterin Daniela Brunner.
Zu jung! Bürgermeister Florian Hofmann aus Pernersdorf mit seiner Vizebürgermeisterin Daniela Brunner. 

Ob Hofmanns Alter nun der tatsächliche oder nur ein vorgeschobener Grund war, ist letztendlich egal. Das Signal ist jedenfalls verheerend für alle jungen Menschen, die sich politisch engagieren möchten.

Ab 18 Jahren darf man in Österreich Bürgermeister werden, und Hofmann wurde eindeutig gewählt. Dennoch ließ man ihn an die gläserne Decke stoßen, die ein unsichtbares, inoffizielles und offenbar höheres Mindestalter markiert.

Die Begründung ist auch insofern fragwürdig, da sie auf eine Eigenschaft – nämlich das Alter – abzielt, die kein Mensch beeinflussen kann. Genauso gut könnte man einwenden, jemand sei zu groß, zu klein, zu schwarz oder zu weiß.

Die Gleichsetzung von Jugend mit Erfahrungslosigkeit trifft auf Hofmann jedenfalls nicht zu. Als Bezirksobmann der Landjugend und deren Landesbeirat in Niederösterreich für das Weinviertel, sowie seit drei Jahren im Gemeinderat hat der 23-jährige Landwirt doch schon einiges an politischem Realgeschehen miterlebt und mitgestaltet.

„Mir ist bewusst, dass andere Leute in ihrem Leben schon mehr mitgemacht haben, doch so richtig vorbereiten kann man sich auf das Amt ohnehin nicht. Es gibt keine Kaderschmiede, aus der die fertigen Bürgermeister herausgestanzt werden, die erst wenn sie die Ausbildung fertig haben, das Amt antreten,“ sagt Hofmann. 

Politikverdrossenheit weil Anliegen der Jungen nicht gehört werden

Der Pernersdorfer Ortschef ist der Überzeugung, dass die Jugend durchaus ein Interesse an Politik hat, ihre Anliegen aber nicht genug gehört fühlt und erst dadurch eine gewisse Politikverdrossenheit eintritt.

Tatsächlich ist die Anzahl an jungen Bürgermeistern in Österreich überschaubar. In den knapp 2.100 Gemeinden sind bundesweit nur 188 Frauen und Männer in diesem Spitzenamt jünger als 40 Jahre. Dabei betonten beim Jungbürgermeistertreffen Anfang Oktober in Traun deren Sprecher Fabio Halb (26) und Bernadette Geieregger (30), dass gerade junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister immer wieder anders an die Dinge herangehen und sich eher trauen, neue Wege einzuschlagen.  

Warum Nachwuchspolitiker das Handtuch werfen

Viele Jungpolitiker kommen aber gar nicht so weit. Die Gründe, weshalb viele frühzeitig das Handtuch werfen sind vielfältig. Eine feindselige oder polarisierte politische Umgebung und politische Diskussionen, die von persönlichen Angriffen und Hass geprägt beeinträchtigen die Motivation so mancher Jungpolitiker. Ob es vornehmlich fehlende Unterstützung, Mangel an Perspektiven, parteipolitischer Druck, oder andere Gründe sind, lässt sich nicht konkret sagen, genauere Untersuchungen zu den Ursachen, warum Junge die Politik verlassen, fehlen.

Wenn junge Politiker das Gefühl haben, dass sie keine echte Macht oder Einflussmöglichkeiten haben, desillusioniert das. In der Situation befindet sich auch Hofmann gegenwärtig. Bis zur Neuwahl ist er zwar weiterhin im Amt, ohne Gemeinderatsbeschlüsse kann er aber nur verwalten, statt gestalten.

„Es tut mir jedes mal im Herzen weh, wenn ein Bürger bei der Tür rausgeht, und ich ihm nicht helfen, sondern ihn nur vertrösten konnte, weil sein Anliegen einen Gemeinderatsbeschluss erfordert hätte,“ bedauert Hofmann. Ans Aufgeben denkt er aber keineswegs, und rät auch anderen jungen Menschen, die den Schritt in die Politik wagen: „Nicht unterkriegen lassen! Das ist das Allerwichtigste.“