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Scheidung auf Italienisch

27. März 2015
Konnten die Südtiroler Gemeinden bisher Ehen nur schließen, so können sie in Zukunft Ehen auch scheiden. Möglich macht dies ein neues Staatsgesetz, das eine Reihe von vereinfachten Verfahren für einvernehmliche Scheidungen vorsieht, darunter die Scheidung vor dem Standesbeamten der Gemeinde.











Voraussetzung für jede Scheidung bleibt aber weiterhin die gesetzliche Trennungszeit von drei Jahren. Eine weitere Bedingung für die Scheidung vor dem Standesbeamten ist, dass das Paar keine minderjährigen, behinderten oder zu versorgenden Kinder haben darf.



Sind sich die Eheleute einig, so ist die Scheidung vor dem Standesbeamten ab sofort ganz ohne Anwälte möglich. Die Kosten dafür betragen maximal 16 Euro und das Verfahren ist in wenigen Tagen abgeschlossen. „Paare ohne Kinder können sich dadurch viel Geld und Zeit sparen“ zeigt sich der Bürgermeister von Bozen, Luigi Spagnolli, zufrieden.



Die Eheleute müssen lediglich bei der Gemeinde erscheinen und einen Antrag auf Scheidung stellen. Der Standesbeamte überprüft die Voraussetzungen und setzt den Eheleuten einen Termin von nicht weniger als 30 Tagen. Bestätigen sie an diesem Termin ihren Willen, wird die Scheidung vollzogen und in die Standesamtsregister eingetragen. Erscheinen die Eheleute zum vereinbarten Termin nicht, wird das Verfahren eingestellt.



Sind hingegen finanzielle Aspekte oder Fragen zum Vermögen zu klären, so müssen die Eheleute die Hilfe eines Anwalts in Anspruch nehmen. Beim sogenannten begleiteten Verfahren setzt der Anwalt zusammen mit den Eheleuten einen Vertrag auf. Dieser wird von den Eheleuten unterschrieben, vom Anwalt beglaubigt und schließlich an den Standesbeamten weitergeleitet, der die Scheidung in die Standesamtsregister einträgt.



Das von einem Anwalt begleitete Verfahren ist auch dann möglich, wenn Kinder vorhanden sind. In diesem Fall legen die Eheleute mit Hilfe des Anwalts nicht nur die Bedingungen finanzieller Natur, sondern auch die Kinder betreffend fest. Zum Schutz der Kinder muss diese Vereinbarung an die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht übermittelt werden. Dort wird geprüft, ob mit der Vereinbarung die Interessen der Kinder gewahrt werden. Erteilt der Staatsanwalt seine Zustimmung, geht die Vereinbarung an den Standesbeamten, der dafür sorgt, dass die Scheidung in die Standesamtsregister eingetragen wird.



Verweigert der Staatsanwalt hingegen seine Zustimmung, so gehen die Akten an den Gerichtspräsidenten. Dieser setzt innerhalb von 30 Tagen eine Anhörung der Parteien an und trifft dann seine Entscheidung.



Während die vereinfachten Verfahren bei vielen Interessierten auf Zustimmung stoßen, halten Scheidungsanwälte nicht viel davon und sprechen von einer unnötigen Komplizierung.



Gelassen sieht der Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes, Andreas Schatzer die neue Aufgabe: „Die Gemeinden werden sicherlich keine Konkurrenz für Anwälte und Gerichte. Allein schon die Hürden, dass keine Kinder vorhanden sein dürfen und sämtliche finanziellen Aspekte geklärt sein müssen, werden dazu führen, dass nicht allzu viele Scheidungen bei den Gemeinden landen werden. Für bestimmte Fälle kann die Scheidung vor dem Standesbeamten aber sicherlich eine schnelle und günstige Alternative sein. Zumindest ist das Interesse nach genaueren Informationen laut ersten Rückmeldungen sehr groß.“



Tatsache ist, dass in Südtirol eine von vier Ehen scheitert. Dabei liegt die Trennungsrate mit 25 Prozent getrennter Ehen leicht über der Scheidungsrate mit 22 Prozent geschiedener Ehen. Im Jahr 2013 zählte das Statistikamt des Landes 557 Trennungen und 492 Scheidungen. Die Zahlen sind damit leicht rückläufig. Dies muss aber in Zusammenhang mit den sinkenden Eheschließungen gesehen werden. Neun von zehn Scheidungen geht eine einvernehmliche Trennung voraus. Im Schnitt liegen 16 Jahre zwischen Hochzeit und Trennung, wobei kirchliche Ehen bedeutend länger halten als standesamtliche. Um das verflixte siebente Jahr ist die Wahrscheinlichkeit einer Trennung tatsächlich relativ hoch.



Zurzeit werden die Beamten der Gemeinden von Experten des Südtiroler Gemeindenverbandes in ihre neuen Aufgaben eingeschult. Sie sollen in der Lage sein, die Eheleute umfassend und korrekt über die verschiedenen Wege zur Scheidung zu informieren. Im Falle von Zweifeln oder Unstimmigkeiten werden die Beamten die Eheleute auf das von einem Anwalt begleitete Verfahren verweisen. Die Zukunft wird dann zeigen, ob das Verfahren der einvernehmlichen Scheidung vor dem Standesbeamten in Anspruch genommen wird.