Walter Leiss
Walter Leiss: „Um die Gasfreiheit bis 2040 zu erreichen, müsste in den nächsten achtzehn Jahren durchschnittlich alle 20 Minuten eine Gastherme verschwinden – auch nachts, auch am Wochenende.“
© Philipp Monihart

Energie

Raus aus Öl und Gas! Und dann?

Schon seit Jahren wird sowohl von EU-Ebene als auch auf der nationalen Ebene das Ziel verfolgt, bei der Strom-gewinnung, in Heizungssystemen oder im Verkehr keinerlei fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl oder Erdgas zu verbrennen. Die für uns notwendige Energie soll durch eine klimafreundliche Produktion ersetzt werden. Dass in der Vergangenheit der Ausbau erneuerbarer Energiesysteme nur zögerlich vorangeschritten ist, hat vielerlei Ursa-chen: die fehlende Netzinfrastruktur für dezentrale Systeme genauso wie langwierige Verfahren, Bedenken aus dem Landschafts- und Naturschutz bis hin zur generellen Aussage, dass man Windräder oder großflächige Photovoltaikanlagen einfach nicht wolle. Mit einer derzeit in Begutachtung befindlichen Novelle des Umweltverträglichkeitsgesetzes versucht man dem zu begegnen. Denn andere Energiequellen werden benötigt werden, wenn man auf Öl und Gas verzichten will.

Viel zu wenig war uns bewusst, wie vielfältig der Einsatz von Gas für die industrielle Produktion, die Stromerzeugung und die Gewinnung von Fernwärme ist. Nur in den Haushalten, die mit Gas oder Öl beheizt werden, war deren Bedeutung stets bekannt.

Letztlich werden derzeit noch mehr als eine halbe Million Haushalte mit Öl und etwa eine Million Haushalte mit Gas beheizt. Noch vor der jetzigen Gaskrise - mit der die wenigsten gerechnet haben - wurden Pläne bekannt, dass Kohle-, Öl- und Gasheizungen künftig schrittweise verboten werden sollten. In den Bundesländern wurde schon in einigen Gesetzen vorgesehen, dass in Neubauten keine Heizungssysteme basierend auf fossilen Brennstoffen eingebaut werden dürfen. Für den Altbestand und die angesprochenen 1,6 Millionen Haushalte wird nun im Erneuerbare-Wärme-Gesetz ein sukzessiver Umstieg der Heizungssysteme festgeschrieben (siehe dazu auch einen Beitrag auf Seite 22 ff. dieser Ausgabe).

Als Datum für das endgültige Aus für derartige Heizsysteme wurde das Jahr 2035 bzw. für Gas 2040 festgesetzt. Noch vor der derzeitige Gaskrise waren diese Fristen für manche NGOs zu lange und es wurde ein schnellerer Umstieg gefordert.

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und dem damit einhergehenden Wirtschaftskrieg ist das Thema auch in den österreichischen Haushalten angekommen. Die Anfragen bei den Beratungsstellen, wie die Heizungssysteme zukunftsfit und unabhängig von Gas und Öl gemacht werden könnten, haben sich vervielfacht.

Das Thema „Raus aus Gas“ hat plötzlich eine andere Dimension erhalten, da zu befürchten ist, dass in absehbarer Zeit kein Gas mehr vorhanden ist. Die Regierung bemüht sich zwar, durch Lieferabkommen mit anderen Anbietern und den Einsatz von LNG-Gas (Flüssigerdgas) die Abhängigkeit vom russischen Gas zu reduzieren, doch das passiert nicht von heute auf morgen.

Gaskrise zeigt Notwendigkeiten auf

Hingegen lassen sich die Liefermengen beliebig von heute auf morgen reduzieren und auch ein genereller Gasstopp von Lieferungen aus Russland ließe sich relativ kurzfristig umsetzen. Betroffen wären die Industrie, viele Gewerbebetriebe, aber natürlich auch die Haushalte. Es gilt daher, jetzt die Gasspeicher aufzufüllen, um im Winter genügend Reserven zu haben. Deswegen ist jetzt ein Stromsparen angesagt, da noch immer große Mengen von Strom durch Gaskraftwerke erzeugt werden.

Die Gaskrise hat uns also auf eine sehr unsanfte Weise darauf hingewiesen, wie notwendig der Schritt Richtung „Raus aus Öl und Gas“ ist. Es bleibt nur die Frage offen, wie das in so kurzer Zeit gelingen kann. In der bestehenden Situation mit den explodierenden Gaspreisen wird uns das wenig nützen. Aber auch langfristig sind die im Erneuerbare-Wärme-Gesetz fixierten Ziele als sehr ambitioniert zu betrachten.

Umstieg wird vor allem im städtischen Raum schwierig

Leichter wird der Umstieg von einer Ölheizung zu Alternativen in den ländlichen Räumen sein. Hier können Wärmepumpen, Pelletheizungen oder Stückholzheizungen zum Einsatz kommen. In vielen Gemeinden bestehen schon jetzt Nahwärme-Versorgungseinrichtungen, die eine Wärmeerzeugung ohne Öl und Gas ermöglichen. Viel schwieriger wird dieses Vorhaben in den städtischen Räumen werden. Dort sind überwiegend auch Gasheizungen, sowohl dezentral als auch zentral in den Wohnungen installiert. Allein in Wien sind es rund 442.000 Haushalte.

Um die Gasfreiheit bis 2040 zu erreichen, müsste in den nächsten achtzehn Jahren durchschnittlich alle 20 Minuten eine Gastherme verschwinden – auch nachts, auch am Wochenende –, so Philipp Prammer im „Standard“ vom 7. August 2022.

Aber auch die alternativen Heizsysteme sind in den städtischen Räumen sehr begrenzt – so wird es wohl nicht möglich sein, Pelletheizungen oder Heizungen mit Stückholz oder Wärmepumpen zu installieren.

Auch Fernwärme wird aus Gas gewonnen

Als Alternative hört man hier immer den Anschluss an das Fernwärmenetz. Dazu muss man wissen, dass Fernwärme derzeit noch mit 80 Prozent Gas erzeugt wird. Ein dezentrales Problem wird damit zum zentralen Problem.

Auch wenn es schon Vorschläge und Überlegungen dafür gibt - wie zum Beispiel Geothermie-Projekte oder Groß­wärme­pumpen aus Kläranlagen –, ist damit nur die Frage gelöst, wie die Fernwärme erzeugt wird.

Für die Nutzung der Fernwärme ist der Ausbau eines Fernwärmenetzes erforderlich. Wie der Ausbau dieses Netzes in dicht besiedelten Gebieten erfolgen soll, sei dahingestellt. Jeder kennt die monatelangen Reparaturarbeiten an den Gas-, Wasser- und Kanalnetzen mit den daraus resultierenden Behinderungen. Und dann müssen noch alle Häuser angeschlossen und die in den Häusern erforderlichen Umbauarbeiten durchgeführt werden. Der Fachkräftemangel wird leider sein Übriges dazu beitragen, dass all diese Vorhaben nicht so rasch umgesetzt werden können.

Nur leise sei angemerkt, dass durch die Umstellung auf eine Fernwärmeversorgung die vorhandene, über Jahrzehnte aufgebaute Infrastruktur des Gasnetzes aufgegeben und von den Netzbetreibern abgeschrieben werden muss. 

Alternative Biogas

Warum nicht überlegt wird, die ­vorhandene Infrastruktur des Gasnetzes auch künftig zu nutzen und statt fossilem Gas einfach Biogas zu verwenden, sei dahingestellt. Die Milliarden an Kosten bei einer Umstellung auf ein Fernwärmenetz könnten doch auch in Forschung und Entwicklung von Biogasanlagen gesteckt werden, um so den Ausstieg aus fossilem Gas zu ermöglichen.

Der Umstieg von fossilen Brennstoffen hin zu klimaneutralen Brennstoffen ist notwendig und wichtig. Darüber, wie dies gelingen kann, sollte man sich allerdings noch Gedanken machen.