Was die Gemeinden wollen

29. Juni 2017
Zu Beginn des Gemeindetages in Salzburg tagte der Bundesvorstand des Österreichischen Gemeindetages. Dabei wurde folgende Resolution mit Forderungen an die Bundesregierung verabschiedet.

Im Paktum zum FAG vom 7.11.2016, dem der Österreichische Gemeindebund zugestimmt hat, wurde neuerlich das Ziel einer Bundesstaatsreform und Kompetenzrationalisierung unter der Berücksichtigung der Arbeiten des Österreich-Konvents vereinbart. Aus Gemeindesicht wird dies begrüßt, da sich die Finanzierung der Aufgaben der Gebietskörperschaften auch an den Strukturen des Staates zu orientieren hat.



Der Österreichische Gemeindebund verlangt bei einer anstehenden Staatsreform jedenfalls ein klares Bekenntnis zu den Prinzipen eines partnerschaftlichen Bundesstaates, zur kommunalen Selbstverwaltung und zum Prinzip der Subsidiarität. Dies muss einhergehen mit einer Aufgabenreform und einer Kompetenzentflechtung. Dass die nun geschaffene Arbeitsgruppe zur Bundesstaatsreform bisher ohne die kommunalen Spitzenverbände getagt hat, ist der verfehlte Ansatz.



Der Österreichische Gemeindebund fordert daher, dass eine Staatsreform und auch deren Vorarbeiten nicht ohne die kommunalen Interessensvertretungen umgesetzt werden darf.

 Vollziehbarkeit und Leistbarkeit von Gesetzen muss sich verbessern



Die Gemeinden haben in ihrem umfangreichen Spektrum an Aufgaben auch auf die Rechtskonformität zu achten. Bei der immer größer werdenden Fülle von Vorschriften und Vorgaben hat der Österreichische Gemeindebund immer wieder die praktische Vollziehbarkeit dieser Vorgaben eingemahnt. Die Qualität einer Rechtsvorschrift muss jedenfalls auch daran gemessen werden, ob sie wirklich handhabbar, in ihrem Aufwand angemessen, und auf der jeweiligen Verwaltungsebene auch effizient zu bewerkstelligen ist.



Die kommunalen Interessenvertretungen sind im Rahmen der Begutachtung und des Konsultationsmechanismus in rechtssetzende Prozesse eingebunden, dennoch gibt es noch immer Gesetzesentwürfe ohne Kostenfolgenabschätzungen, vor allem wenn es die Gemeinden trifft. Bekenntnisse zu einer schlanken Gesetzgebung und Verwaltung, einem Abbau der Bürokratie und mehr Kosten-Nutzen-Bewusstsein durch die gesetzgebenden Körperschaften werden oft nicht umgesetzt. Die Idee der Einführung eines zweiten Wahltages bei Bundeswahlen bringt als Ergänzung zur Briefwahl überhaupt nicht mehr Bürger zu den Wahlurnen, sondern vermehrt nur den Aufwand der Gemeinden.



Im Rahmen der Pilotprojekte zur anstehenden Reform des Haushaltsrechts der Länder und Gemeinden gibt es eine große Zahl an unbedingt erforderlichen Anpassungen der 2015 unter großem Zeitdruck erlassenen neuen Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung. Insgesamt wurden vom Gemeindebund mehr als 60 Änderungsvorschläge an den Bund übergeben, darunter auch die Verschiebung der Umsetzung auf ein gemeinsames Inkrafttreten frühestens zum 1.1.2020, die für die notwendige technische Umsetzung und Schulung tausender Gemeindebediensteter und –mandatare erforderlich ist.



Der Österreichische Gemeindebund fordert daher die im Paktum zum FAG vereinbarte einvernehmliche Umsetzung der nötigen Änderungen der VRV-Novelle 2017 sowie die strikte Einhaltung der Verpflichtungen zur Darstellung der Folgekosten von legistischen Maßnahmen auf Gemeindeebene. Schließlich warnen die Gemeinden davor, noch kurz vor der Nationalratswahl diverse „Zuckerl“ zu verteilen, die dem Gesamtstaat, also auch den Kommunen, nur noch zusätzlich viel Geld kosten.



Die Diskussion über den Wegfall des Pflegeregresses darf die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Maßnahmen nicht ausblenden. Ein solcher Schritt darf unter keinen Umständen zu einer neuen Belastung der Gemeinden im Bereich der sozialen Wohlfahrt führen.

Dauerhafte Sicherung der Gemeindefinanzierung: keine Gängelung der Gemeinden und Sicherung der Abgabenbautonomie



Diverse Finanzierungsinstrumente für kommunale Investitionen, etwa für die Siedlungswasserwirtschaft, den Breitbandausbau oder das jüngst beschlossene Kommunalinvestitionsgesetz sind unumgänglich, damit die Gemeinden auch ihre Rolle als öffentlicher Investor wahrnehmen können, was nicht nur der Innovation und der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes dient, sondern auch der regionalen Wirtschaft und letztlich der Arbeitsplatzsituation auch im ländlichen Raum zugute kommt.



Die Erfahrung der Gemeinden zeigt jedoch, dass diese Förderungen oft gar nicht jenen Mehrwert haben, den sie versprechen. Vielmehr wird die Vergabe der Förderungen so kompliziert gestaltet, dass die Aufgriffsraten durch die Gemeinden gering sind. In vielen Fällen ist die Beantragung mit einem kostspieligen Aufwand verbunden, der in keinem Verhältnis zum Fördervolumen steht. Es kommt auch vor, dass für die Förderung eines einzigen kommunalen Projektes mehrere Rechtsrahmen zu beachten sind oder mehrere Ministerien als Fördergeber auftreten. Die Schnittstellen, wo die eine Förderung beginnt und die andere aufhört, sind dabei sehr oft nicht klar.



Letztlich werden Förderungen von Bund und Ländern auch als kurzfristige Anschubfinanzierungen verwendet, welche die Gemeinden nach deren Auslaufen mit einem Projekt ohne Finanzierung für den Weiterbetrieb alleine lassen.



Der Österreichische Gemeindebund verlangt einfach handhabbare Förder-Systeme und fordert von Bund und Ländern als Gesetzgeber, dass von den halbherzigen Anschubfinanzierungen abgegangen wird, und die Gemeinden eine langfristige finanzielle Sicherstellung ihrer Aufgabenerfüllung erhalten. Der Ausbau und die Finanzierung der Kinderbetreuungseinrichtungen ist weiterhin vom Bund sicher zu stellen.



Die Gemeindefinanzierung muss die nachhaltige Sicherung der Ertragskraft der gemeindeeigenen Steuern gewährleisten. Eine Reform der ausschließlich den Gemeinden zukommenden Grundsteuer, wie sie der Gemeindebund seit Jahren fordert, ist ein Gebot der Verwaltungsökonomie. Ein reformtaugliches Modell der kommunalen Spitzenverbände liegt bereits seit Jahren auf dem Tisch. Der Bund wird nachdrücklich aufgefordert, Modelle für mehr Steuergerechtigkeit in den Regionen zu ermöglichen, auch dann, wenn er nicht unmittelbar daran beteiligt ist.

Digitalisierung



Die Digitalisierung macht vor den Lebensbereichen der Menschen nicht halt, der Bogen spannt sich vom privaten Bereich über die Wirtschaft, die Bildung, generell die Daseinsvorsorge bis hin zur Verwaltung. Österreich steht mit seiner Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung im internationalen Wettbewerb, es muss weiterhin besonderes Augenmerk auf die Digitalisierung der Verwaltung setzen. Die Gemeinden stehen im Hinblick auf Infrastruktur und Schulung der Mitarbeiter vor enormen Herausforderungen, in den Gemeinden finden maßgebliche Innovationsschritte statt.



Bürokratische Hürden und Doppelgleisigkeiten belasten in Summe die Staatsfinanzen und letztlich den Steuerzahler unverhältnismäßig hoch. Durch die stetige Umsetzung von E-Government sollen nicht nur Verwaltungsabläufe vereinfacht, sondern Synergien zwischen den Gebietskörperschaften erzielt werden.



Großes Potenzial für die Findung von Synergien besteht daher im e-Government dann, wenn der Zugang zu gemeinderelevanten Daten anderer Verwaltungsebenen richtig koordiniert und angewandt wird. Darunter fallen etwa die diversen von Gemeinden zu führenden Register, aber auch geographische Informationssysteme u.v.a..



Ein Projekt zur Verwaltungsökonomie und zur Nutzung von Synergien wäre das vom Gemeindebund schon längst geforderte Zentrale Haushaltsregister (ZHR). Alle Gebietskörperschaften und deren ausgelagerte Einheiten sollen danach künftig ihre Daten direkt in eine zentrale Datenbank einmelden. Damit würden nicht nur aufwändige Einzel- und Mehrfacherhebungen (Maastricht-Meldungen, Prüfungen durch Aufsichtsbehörden, Rechnungshof etc.) vermieden, sondern es könnte erstmals auch ein österreichweiter Datenbestand aller beschlossenen Haushaltsdaten und des Haushaltsvollzugs erreicht werden.



Die Vermeidung einer Digitalen Kluft ist nicht nur ein Thema zwischen Arm und Reich, sondern vor allem zwischen Stadt und Land. Die Versorgung des ländlichen Raumes mit Schlüsseltechnologien für digitale Dienstleistungen ist daher auch als Staatsaufgabe zu betrachten.



Der Österreichische Gemeindebund fordert, dass die Gemeinden kostenlosen Zugriff auf die von ihnen benötigten bundesweiten Registerdaten erhalten. Darüber hinaus wird die Schaffung des Zentralen Haushaltsregisters im Zuge der Haushaltsrechtsreform verlangt.



Zur Vermeidung der digitalen Kluft zwischen Stadt und Land hat der Bund ausreichende finanzielle Mittel für eine tatsächlich flächendeckende und nachhaltige Hochleistungs-Breitband-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

 Masterplan für den ländlichen Raum



Der Österreichische Gemeindebund ist der Ansicht, dass die Lebensperspektiven der Menschen in allen Gemeinden des Bundesgebietes gewahrt bleiben müssen. Neben den Lebenshaltungskosten sind Infrastruktur und Arbeitsmöglichkeiten und in unserem digitalen Zeitalter der Zugang zu Informationsnetzen ein essentieller Faktor, um auch für die Menschen in den ländlichen Räumen ein attraktives Lebensumfeld zu bieten. Die Gemeinden tun dies mit der Bereitstellung von Dienstleistungen im Sinne der Daseinsvorsorge, die heute mehr denn je von der digitalen Herausforderung geprägt ist.



Ansätze zur Förderung des ländlichen Raumes sind daher die systematische Verlegung von qualifizierten Arbeitsplätzen in den ländlichen Raum.



Der Österreichische Gemeindebund begrüßt daher die Initiative eines Masterplans für den ländlichen Raum und verlangt, dass dieser von der Planung auch in die tatsächliche Umsetzung gelangt, etwa mit der Dezentralisierung diverser Behörden.



Der Bund die Sozialversicherungsträger haben die ärztliche Nahversorgung in jeder Gemeinde sicher zu stellen.

Schulreform



Der Österreichische Gemeindebund verlangt im Zuge der aktuellen Entwicklungen der Schulreform die Sicherstellung der Finanzierung des Schulwesens wie bisher und ohne zusätzliche Belastungen für die Gemeinden.



Jede Überwälzung von finanziellen Lasten oder Aufgaben und den damit verbundenen Kosten auf die Gemeinden werden daher abgelehnt. Der Österreichische Gemeindebund verlangt außerdem auf Bundesebene eine rechtlich klare Lösung für die Schulkonten der Pflichtschulen.



Beschlossen im Bundesvorstand des Österreichischen Gemeindebundes, Salzburg am 28. Juni 2017.