
Mitten im Ort von St. Konrad schlummert eine Raumressource. Die historischen Strukturen des leer stehenden Vierkanters lassen sich hervorragend mit modernen Wohnkonzepten kombinieren.
© Gemeinde St. Konrad
Leerstände nutzen
Neues Wohnen in ländlichen Räumen
Wie können Gemeinden Leerstände nutzen und attraktiven Wohnraum schaffen? Das Rurasmus-Semester liefert mit zehn Wohnthesen konkrete Lösungen für nachhaltiges Wohnen im ländlichen Raum.
Ländlicher Wohnraum steht vor zahlreichen Herausforderungen: Leerstände, steigende Grundstückspreise, die Abwanderung junger Menschen und ein sich wandelndes Verständnis von Wohnen. Das Rurasmus-Semester, das im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas 2024 in Bad Ischl stattfand, widmete sich genau diesen Fragen. Studierende setzten sich in acht Gemeinden des Salzkammerguts intensiv mit dem Thema auseinander und entwickelten praxisnahe Ansätze, um Wohnen in ländlichen Räumen neu zu denken.
Was ist Wohnen?
Das zentrale Fazit: Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Es ist ein Lebenskonzept, das Sicherheit, Individualität und Gemeinschaft vereint. Während Wohnen in Städten oft durch Verdichtung und hohe Mietpreise geprägt ist, bieten ländliche Regionen das Potenzial für innovative, nachhaltige und gemeinschaftliche Wohnformen. Entscheidend ist dabei die aktive Rolle der Gemeinden, die nicht nur Bauland zur Verfügung stellen, sondern durch strategische Planung, Förderung von Kooperationen und angepasste Raumordnung das Wohnen der Zukunft mitgestalten müssen.
Aus den Forschungsergebnissen entstanden zehn Wohnthesen, die als Orientierung für Gemeinden, Bauträger und Bürger dienen können. Sie zeigen, dass nachhaltiges Wohnen nicht nur aus neuen Bauformen besteht, sondern auch bestehende Strukturen und Ressourcen klug integriert werden müssen.
Wie können Gemeinden diese Erkenntnisse nutzen?
Viele Gemeinden stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Der Wohnraum wird knapper, aber gleichzeitig gibt es Leerstände. Junge Menschen ziehen in Städte, während ältere Generationen oft nicht über die Wohnformen verfügen, die sie benötigen.
Die Wohnthesen zeigen, dass es nicht immer neue Bauprojekte braucht – oft reicht es, bestehende Strukturen neu zu nutzen oder das Planen und Bauen an moderne Lebensstile anzupassen. Gemeinden sollten proaktiv handeln, indem sie:
- Leerstandsmanagement betreiben und alternative Nutzungen fördern
- Beteiligungsprozesse mit Bürger:innen starten
- Flexible Wohnlösungen mitgestalten und neue Wohnkonzepte aktiv unterstützen
- Baukultur und nachhaltige Entwicklung fördern
Das Rurasmus-Projekt hat bewiesen: Neues Wohnen in ländlichen Räumen ist möglich – wenn Gemeinden, Planer:innen und Bürger:innen gemeinsam an kreativen Lösungen arbeiten.
Die 10 Wohnthesen Orientierung für die Gemeinden der Zukunft
Gemeinde- und Wohnraumentwicklung müssen zusammen gedacht werden: Gemeinden sollten aktiv an der Gestaltung des Wohnraums mitwirken, um den Standort attraktiv zu halten und langfristig Wohnraum für unterschiedliche Bedürfnisse zu schaffen.
Flexible Wohnlösungen steigern die Attraktivität ländlicher Räume: Anpassungsfähige Wohnmodelle, die Homeoffice, Mehrgenerationen-Wohnen oder Wohnraumtausch ermöglichen, fördern die Vielfalt im ländlichen Raum.
Leerstände aktivieren statt neue Flächen zu verbauen: Durch die Nutzung bestehender Gebäude lässt sich leistbarer Wohnraum schaffen, ohne wertvolle Grünflächen zu versiegeln. Eine verantwortliche Stelle in der Gemeinde kann Leerstände erfassen und neue Nutzungskonzepte entwickeln.
Unsichtbare Leerstände identifizieren und nutzbar machen: Oft sind Gebäude nicht vollständig genutzt – etwa wenn große Einfamilienhäuser nur von einer Person bewohnt werden. Durch kreative Lösungen kann bestehender Wohnraum effizienter genutzt werden.
Ländliche Räume sind genauso vielfältig wie Städte – das Wohnangebot muss es auch sein: Unterschiedliche Altersgruppen, Familienformen und Arbeitsmodelle erfordern vielfältige Wohnmöglichkeiten, die individuellen Lebensentwürfen gerecht werden.
Bürgerbeteiligung sorgt für passgenaue Wohnprojekte: Nur durch einen aktiven Dialog mit Bürger:innen können Wohnkonzepte entstehen, die wirklich zu den Bedürfnissen der Menschen passen und langfristig akzeptiert werden.
Touristische Bauten für neue Wohnformen umnutzen: Viele Regionen haben Hotels, Ferienwohnungen oder Pensionen, die nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden. Diese Gebäude können in Wohnraum umgewandelt werden und somit langfristig neue Perspektiven schaffen.
Gemeinschaftliche Wohnmodelle ermöglichen Ressourcen- und Flächenteilung: Co-Housing, Mehrgenerationenhäuser oder gemeinschaftliche Mobilitätskonzepte helfen, Flächen effizienter zu nutzen und gleichzeitig soziale Strukturen zu stärken.
Attraktive Mehrparteienhäuser als Alternative zum Einfamilienhaus schaffen: Gute architektonische Konzepte und finanzielle Anreize können das Mehrgenerationen- und Mehrparteienwohnen wieder attraktiver machen und die ländlichen Räume beleben.
Wohnen ist mehr als nur ein Gebäude – die gesamte Lebensqualität zählt: Wohnen alleine reicht nicht aus, um eine Gemeinde attraktiv zu machen. Es braucht auch eine funktionierende Infrastruktur, Arbeitsplätze, Mobilitätsangebote und kulturelle Angebote, damit ländliche Räume langfristig attraktiv bleiben.