Kann die Gemeinde in Konkurs gehen?
Die letzten Jahre waren durch eine Reihe besonderer Krisen gekennzeichnet. Zuerst die Pandemie, dann der Ukraine-Krieg und letztlich die damit einhergehende Teuerung und eine Explosion der Energiekosten. Diese Sondersituationen haben zu einem Aussetzen des Stabilitätspaktes geführt, weil die meisten Staaten mehr ausgegeben haben, als sie einnehmen konnten. Dies führt naturgemäß zu höheren Defiziten.
Wenn die Situation nicht zu Staatspleiten führen soll, gilt es jedoch wiederum einen Konsolidierungskurs einzuschlagen.
Die Folgen von drohenden oder eingetretenen Staatspleiten sind bekannt. Argentinien oder Griechenland können als Beispiele dafür herangezogen werden. Die Folgen möchte sich wohl keiner vorstellen.
Keine Regelungen für Staatspleiten vorgesehen
Für eine Staatspleite gibt es keine besonderen Regelungen. Von der Staatspleite sind sämtliche öffentlichen Einrichtungen und Institutionen betroffen, von den Kindergärten über die Schulen, dem öffentlichen Gesundheitswesen, dem Sozialbereich bis hin zur Justiz. Ein Nährboden für diktatorische Übernahmen der Staatsgewalt.
Von der Staatspleite und der Auflösung des Gesamtstaates sind jedoch die Zahlungsunfähigkeiten von Teilgliedern des Staates wie den Gebietskörperschaften Länder und Gemeinden zu unterscheiden.
Manchmal gelangen Länder, wie z.B. Kärnten in der Vergangenheit, in eine finanziell schwierige Situation, oder auch ab und zu Gemeinden. Dies kann vielfältige Ursachen haben. Zum einem in den immer steigenden Aufgaben, die auf Gemeinden und auch Länder z.B. in der Elementarpädagogik, im Bildungs- Gesundheits- oder Pflegebereich aufgebürdet werden, ohne die entsprechenden Mehraufwendungen, die daraus entstehen, abzudecken, übertragen werden. Ein weiterer Grund liegt aber auch in strukturellen Problemen oder schlechtem Wirtschaften.
Mehraufgaben müssen auch abgegolten werden
Wenn es um die entsprechende finanzielle Ausstattung geht, so ist dies Gegenstand des Finanzausgleiches. Darüber wird gerade intensiv verhandelt und von Ländern und Gemeinden eine Änderung des vertikalen Verteilungsschlüssels (wieviel Prozent der Steuereinnahmen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden zufließen) verhandelt.
Mehraufgaben müssen auch abgegolten werden. Ohne die Mehrmittel können gewisse Leistungen künftig nicht erbracht werden. Dass nicht alle Gemeinden für ihre Bürger dieselben Leistungsangebote zur Verfügung stellen können, liegt auch an der unterschiedlichen finanziellen Ausstattung innerhalb der Gemeinden. Um diese Unterschiede zwischen den Gemeinden auszugleichen sind ebenfalls Verhandlungen erforderlich. Doch auch hier gilt, dass gewisse Leistungen und Vorhaben bzw. Investitionen nicht getätigt werden dürfen, wenn die Gemeinden dafür keine finanziellen Mittel haben.
Noch nie war eine Gemeinde zahlungsunfähig
Was passiert aber, wenn sich Gemeinden nicht an diese Grundsätze halten?
Nun, wenn mehr ausgegeben als eingenommen wird, dann erzeugt das im Budget einen Abgang. Abgangsgemeinden gibt es einige in Österreich. Hier greift zumeist die Gemeindeaufsicht ein und kann gewisse Sparmaßnahmen verhängen bzw. Förderungen gewähren. Für die Existenz der Gemeinde oder ihre Zahlungsfähigkeit hat das grundsätzlich keine Bedeutung.
Durch Konsolidierungsmaßnahmen ist wiederum ein ausgeglichener Haushalt herbeizuführen. Vorhaben und Projekte müssen zurückgestellt werden, eine echte Zahlungsunfähigkeit ist bei Gemeinden jedoch bisher noch nicht eingetreten. Noch keine Gemeinde ist in Konkurs gegangen.
Mit der Frage ob dies rechtlich überhaupt möglich ist, hat sich Martin Huber zuletzt intensiv auseinandergesetzt. Zwar wird eine grundsätzliche Insolvenzfähigkeit der Gemeinden nicht bestritten, im Gegensatz zu Privaten sind jedoch gewisse Vermögensbestandteile einer Gemeinde nicht exekutier- bzw. verwertbar, bzw. hat eine Gemeinde laufende gesicherte Einnahmen aus ihren eigenen Steuern und Gebühren und aus den Ertragsanteilen.
Im Privatrecht bedeutet ein Konkurs eine kostensparende Vermögensverwertung eines zahlungsunfähigen Schuldners. Ziel ist die gleichmäßige Aufteilung des Vermögens auf die Gläubigerinnen und Gläubiger. Die Folge des Konkurses im Privatrecht sind zumeist die Einstellung des Betriebes oder eine Betriebsübernahme durch einen Dritten. Ein Schuldenschnitt und eine Weiterführung der Geschäfte sind so nicht vorgesehen.
Fraglich, ob eine Gemeinde, in der bisherigen Form weiterbestehen kann
Bei Matrei in Osttirol haben Anwälte versucht, mit diesen zivilrechtlichen Folgen eines Schuldenschnitts zu spekulieren, da sie vielleicht der Auffassung sind, der „Betrieb“ der Gemeinde können ja wohl nicht eingestellt werden.
Richtig ist, dass der Betrieb der Gemeinde zwar nicht eingestellt werden kann, ob die Gemeinde allerdings in ihrer bisherigen Form weiter existieren kann, ist durchaus fraglich. Von der Möglichkeit der Zwangsaufsicht mit vielfältigen Einschränkungen für die gewählte Gemeindevertretung bis hin zu einer Zwangsvereinigung stehen viele Möglichkeiten offen.
Die fatalen Folgen auch für die anderen Gemeinden (Anstieg der Finanzierungskosten für alle Gemeinden) hat auch dazu geführt, dass unter Federführung des Landes ein Plan ausgearbeitet wurde, wie die Verbindlichkeiten der Gläubiger befriedigt werden könne, dass dazu auch die Gemeinde einen wesentlichen Beitrag leisten muss ist klar.
In der Vergangenheit – wie Prüfberichte festgestellt haben – hat man offensichtlich über die eigenen Verhältnisse gelebt. Überdimensionierte Infrastrukturprojekte haben einen wesentlichen Beitrag zur Überschuldung geleistet.
Dass die jetzigen Sparmaßnahmen auch für die Gemeinde einen Kraftakt erfordern ist augenscheinlich. Er wird aber erforderlich sein, um die Gemeinde wieder ins wirtschaftliche Gleichgewicht zu bringen. Dass dies möglich ist, hat zuletzt Wiener Neustadt bewiesen. Insofern ist die Frage nach der Konkursfähigkeit einer Gemeinde theoretisch vielleicht zu bejahen, in der Praxis aber zu verneinen.