Sophia Kircher, Vizepräsidentin des Tiroler Landtages und Obfrau der Jungen ÖVP Tirol (27), Simon Salzer, Jugendgemeinderat der SPÖ in Nickelsdorf (28) und Peter Kurri, EU-Gemeinderat der SPÖ in Wiener Neustadt (36).
Sophia Kircher, Vizepräsidentin des Tiroler Landtages und Obfrau der Jungen ÖVP Tirol (27), Simon Salzer, Jugendgemeinderat der SPÖ in Nickelsdorf (28) und Peter Kurri, EU-Gemeinderat der SPÖ in Wiener Neustadt (36).

Europa

Junge nicht nur „dulden“, sondern auch agieren lassen

Nicht nur nationale politische Ebenen kämpfen mit Nachwuchssorgen. Was notwendig wäre, wie junge gewählte Politikerinnen und Politiker die Lage sehen, wie sie internationale Events empfinden, darüber wurde beim 9. Gipfeltreffen des Ausschusses der Regionen (AdR) gesprochen.

Was motiviert einen, eine junge/n gewählte Politiker:in an der Teilnahme zu einem europäischen Event wie einem Gipfeltreffen des AdR? „Ich finde es schön und bereichernd, vor allem nach den vergangenen beiden Jahren, wo praktisch immer nur virtuelle Treffen möglich waren“, befindet die 27-jährige Sophia Kircher, Vizepräsidentin des Tiroler Landtages. „Gerade in einer Situation wie jetzt in der Ukraine braucht es ein starkes und solidarisches Auftreten in Europa.“

„Ich kann das nur unterstreichen, gerade die persönlichen Treffen haben in den vergangenen Jahren sehr gefehlt“ so der 28-jährige burgenländische Gemeinderat Simon Salzer (Nickelsdorf).

Dass das persönliche Treffen mit altersgerechten Kolleginnen und Kollegen Vorteile bringt, betont auch Peter Kurri, EU-Gemeinderat der niederösterreichischen Stadt Wiener Neustadt und mit 36 Jahren am oberen Ende der Jungend-Altersskala, ebenso: „Ich hab‘ den Vorteil, dass ich jetzt schon das zweite Mal dabei bin. Vor allem das Netzwerken und damit den Austausch zwischen den Gemeinden ist sehr wichtig.“ Er spricht ein Thema an, das oft vernachlässigt wird. Bei der Frage nach einzelnen Projekten und wie sie umzusetzen sind, muss nicht jede Gemeinde das Rad immer von Neuem erfinden, die Beispiele aus anderen Gemeinden sind da unheimlich sinnvoll.

Beteiligung von Frauen erhöhen

Überlagert wurde der Event Anfang März vom Krieg in der Ukraine. Während praktisch laufend Manifeste und Statements gegen Putins Krieg und Solidarität mit der Ukraine bekundet wurden, wurden eine Reihe von wichtigen Zukunftsthemen wie die Entwicklung der Demokratie und mehr Beteiligung von Frauen an der (Kommunal-)Politik behandelt. Welche neuen Ansätze für mehr Beteiligung der Frauen hätte man beispielsweise als junger Politiker, junge Politikerin.

Sophia Kircher: „Ich bin der festen Überzeugung, dass es wichtig und richtig ist, junge Leute am Verhandlungstisch sitzen zu haben. Es ist zu wenig, jungen nur hin und wieder die Möglichkeit zu geben, eine Rede zu halten. Man muss sie auf allen politischen Ebenen wie Bund, Land und Gemeinde ernst nehmen, sie anhören und in die Entscheidungen, die getroffen werden, miteinbeziehen. Man versucht das mit lokalen Jugendparlamenten oder auch auf internationaler Ebene wie das EUSALP-Jugend-Council, wo junge Menschen mit bei den Generalversammlungen dabei sind, und wo sie ihre Anliegen vortragen konnten und können. Und vor allem bei den Zukunftsthemen braucht es junge Menschen, die mitarbeiten. Es gibt auch jetzt schon bei der Zukunftskonferenz junge Menschen, die sich aktiv einbringen.“

Wahlrecht ausweiten

„Wir reden ja gerade heute (4.3., Anm. d. Red.) über Demokratie und die Bausteine der Demokratie – was eines meiner wesentlichen Anliegen ist,“ ergänzt Peter Kurri. „Zum Beispiel finde ich, dass unsere Rechte als Bürger der Europäischen Union auch beispielsweise das Wahlrecht beinhalten müssen. Also wenn ich die Niederlassungsfreiheit ausnütze und mich als Unionsbürger in einem anderen Land ansiedle, sollte ich auch beispielsweise einen Landtag oder den Nationalrat wählen dürfen. Oder wenn ich mir den Fall Niederösterreich ansehe, dann haben EU-Bürger eine zusätzliche Einschränkung zu ertragen, weil sie nämlich nicht als Bürgermeister gewählt werden können. Das ist einzigartig in Österreich.“

Voll des Lobes über das YEP-Programm ist Simon Salzer, Gemeinderat im burgenländischen Nickelsdorf. „Aktuell werden die Jungen gerade wieder zur Teilnahme aufgerufen. Ich halte es als extrem wichtig für junge Mandatarinnen und Mandatare, sich einzubringen und mit den etablierten Politikerinnen und Politikern mitdiskutieren, Vorschläge einzubringen und einfach mitreden zu können.“

Machen Sie mit bei den jungen Mandatsträgern YEP“

Haben Sie ein politisches Mandat auf lokaler oder regionaler Ebene in der EU inne und sind Sie nach dem 1. Januar 1982 geboren? Wollen Sie sich vernetzen, bewährte Verfahren austauschen, Informationen über EU-Rechtsvorschriften und -Finanzierungsmöglichkeiten erhalten, zur Arbeit des Europäischen Ausschusses der Regionen beitragen und mit AdR-Mitgliedern und anderen lokalen, regionalen und europäischen Politikern diskutieren? Dann können Sie sich gerne für das Netzwerk junger Mandatsträger „YEP“ (Young Elected Politicians) bewerben!

Auf
https://cor.europa.eu/de/engage/Pages/join-the-yep-community.aspx#1 finden sich detaillierte Informationen über das YEP-Programm 2022.
Die
Bewerbungsfrist endet am 8. April 2022 

Bewerbungen sind hier möglich: https://ec.europa.eu/eusurvey/runner/YEP-Call-2022-Applications

Ideen der Jungen

Welche Ideen und Ansätze haben Junge, wie Frauen mehr zur Beteiligung an der Politik animiert werden können? Seit mindestens zehn Jahren werden wird über immer die gleichen Ideen diskutiert, aber was denken junge Menschen heute?

„Ich habe die Wahl von Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin Im Dezember 2019 als besonders starkes Zeichen empfunden“, so Simon Salzer. „Das wäre meiner Meinung nach noch vor ein paar Jahren nicht möglich gewesen, dass man als Frau und Mutter von gleich sieben Kindern eine so hohe Position erreicht.“ Neben von der Leyen wird derzeit ja auch das Europäische Parlament mit seiner Präsidentin Roberta Metsola von einer Frau geführt – die Politikerin aus Malta ist übrigens schon die dritte Frau in dieser Position.

Sophia Kircher: „Es ist sehr wichtig, Frauen die Teilnahme am politischen Leben zu ermöglichen, sie zu befähigen und ihnen gut zuzusprechen – da gibt es ja bereits sehr viele positive Beispiele. Ein Blick auf die aktuellen Gemeinderatswahlen in Tirol zeigt, dass es schon weit mehr Bürgermeisterinnen gibt als zuvor – es ist trotzdem noch ausbaufähig. Es ist einfach wichtig, politische Ämter paritätisch zu besetzen. Role Models wie der Tiroler Landtag, dem aktuell drei Frauen vorstehen, sind da wichtige Signale.“

„Ich unterstreiche das alles, möchte aber auch was anderes ansprechen“, so Peter Kurri. „Ich konnte als Vater mit meinem Mandat keine Karenz antreten, die wir uns geteilt haben, weil ich mit meinem Bezug über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen bin und auf das Karenzgeld verzichten hätte müssen.“ Hier habe er sich benachteiligt gefühlt. „Aber für eine junge Frau mit Familienplanung, die Familien und Politik unter einen Hut bringen will, ist das noch belastender.“ Hier müsste man die rechtlichen Bedingungen so vereinheitlichen, dass Mandatarinnen und Mandataren Mütter- und Väterkarenz ermöglicht würde.

„Diese rechtlichen Bedingungen sind extrem wichtig,“ wirft Sophia Kircher ein. „Auch Abgeordnete im Tiroler Landtag gab es bis vor kurzem keine Regelungen bezüglich Karenz, bei einer Geburt oder beispielsweise der Pflege von Angehörigen. Hier wurde kürzlich eine rechtliche Basis geschaffen.“ Auch Aspekte wie Mentoring seien für Frauen wichtig. Dazu lesen Sie auf den Folgeseiten oder auf der Website einen Bericht über den Workshop „Aktive Demokratie: Frauen in der Lokalpolitik“ mit der Präsentation einer europäischen Studie zu dem Thema.

Kontakte knüpfen

Was erwarten junge Politiker von einem europäischen Gipfeltreffen?

Céline Geissmann
Die Zukunft der Demokratie in Europa und die Beteiligung der Jugend stehen ganz oben auf der Agenda des AdR. Céline Geissmann, Vizepräsidentin der ELL (The European Local Leaders, eine Jugendorganisation von Land- und Stadtpolitikern unter 40) und Vizebürgermeisterin von Strasbourg. 

Hier waren sich alle drei Gesprächspartner einig: Es wäre zu viel verlangt, handfeste Handlungsfelder zu erwarten. Was man mitnehmen kann, und das sei auch der Grund, warum solche Treffen so wichtig sind, ist das Netzwerken und die vielen, vielen internationalen Kontakte, die man knüpft. Daraus entstehen grenzüberschreitende Freundschaften, die dann auf vielen Ebenen weiterwirken. Viele Ideen oder best-Practice-Beispiele werden in Gesprächen entwickelt, in Workshops aufgeschnappt und dann auf die Gegebenheiten zuhause „übersetzt“. Und das wiederum wirkt sich positiv auf die Menschen zuhause aus.