Walter Leiss
Walter Leiss: „Ganz ohne Eingriffe in Naturräume wird es nicht gehen.“
© Philipp Monihart

Ist die Energiewende machbar?

„Ist die Energiewende machbar?“ war der Titel der Kommunalen Sommergespräche 2021. Namhafte Experten referierten und diskutierten im Plenum und in Fachgruppen. Der Meteorologe und TV-Moderator Marcus Wadsak präsentierte dort eindrucksvoll und mit statistischen Daten und Bildern, was wir schon alle direkt erleben. Die Waldbrände im Mittelmeerraum und die Überschwemmungen in Mitteleuropa. Da brauchen wir nicht nach Russland, Amerika oder Asien zu schauen. Wirtschaftliche Turbulenzen und Auswirkungen auf die Migrationsströme sind damit unabhängig von politischen Ereignissen zu erwarten.

Wie dem begegnen? Mit dem Green Deal der Europäischen Kommission und nationalstaatlichen Förderungen soll eine Transformation unseres Energiesystem erfolgen. Raus aus Gas, Kohle und Öl sind die Schlagwörter.  Erneuerbare Energieträger wie Windkraft und Fotovoltaik sind angesagt. 27 Gigawattstunden aus Wind und Sonne – Wasser und Biomasse werden nur hinter vorgehaltener Hand genannt -, sollen in den nächsten zehn Jahren erzeugt werden.

Die Erneuerbaren Energiegemeinschaften sollen der Schlüssel für einen Erfolg sein. Viele Förderungen sollen verteilt werden, um hier Bewegung in den Markt zu bringen.

Keiner will noch mehr Windräder

Wie aber einige Vortragende angemerkt haben, wird zwar viel über die Erneuerbaren Energieformen diskutiert, aber mit der Umsetzung schaut es schon schwieriger aus. Keiner will noch mehr Windräder und schon gar keine großflächigen Fotovoltaikanlagen, oder Wasserkraftwerke oder Pumpwasserkraftwerke. 

So macht der Alpenverein gerade gegen zwei geplante Windräder, hoch über Flachau, mobil. Die Bergregion sei sensibel, Tiere und Natur gefährdet und Boden würde versiegelt. Gegen Wasserkraftwerke, im Konkreten das Pumpspeicherkraftwerk Koralm, wird genauso mobilisiert. Eine Initiative titelt: „Der projektierte Pumpspeicher auf der Koralm ist wirtschaftlich und ökologisch unsinnig. Daher lehnen wir das Projekt ab. Das spricht gegen die geplante Mega-Anlage:

  • Der geplante Pumpspeicher ist energiewirtschaftlich wertlos und für die Energiewende sogar ein großes Hindernis. Damit widerspricht das Projekt jedem „öffentlichen Interesse“.
  • Der Pumpspeicher hätte ökologisch katastrophale und unumkehrbare Auswirkungen auf Naturräume, Gewässer, Trinkwasservorkommen und Erholungsräume für Mensch und Tier“.

Schwierige Genehmigungsverfahren

Nicht viel anders schaut es mit dem Projekt im Kühtai in Tirol aus. Nach vielen Jahren liegt eine Genehmigung auf Landesebene für das projektierte Pumpspeicherkraftwerk vor, die natürlich bekämpft wird. Das zeigt, dass diverse Kraftwerksanlagen von den Bürgern und diversen Initiativen gar nicht gewollt werden, aber noch schwieriger sind die Genehmigungsverfahren. Der Naturschutz und Landschaftsschutz, der Artenschutz und die Biodiversität sprechen dagegen.

Die Verfahren dauern zehn Jahre und noch länger und sollten sie positiv erledigt werden, wird trotzdem dagegen protestiert. Ohne derartige Anlagen werden sich die beabsichtigten Steigerungen der erneuerbaren Energieträger aber nicht realisieren lassen.

Strom braucht Leitungen

Noch weniger wird dem Thema Versorgungssicherheit, Netzstabilität und Speichermöglichkeit von den Bürgern beigemessen. Gerade darauf wurde von vielen Referenten hingewiesen. Wind und Sonne sind nicht immer da, der Strom soll aber immer zur Verfügung stehen.

Speichermöglichkeiten werden erst erforscht, aber Spitzenabdeckungen sind aktuell erforderlich. Der selbst dezentral erzeugte Strom muss, wenn er nicht lokal verbraucht wird, ins Netz abgeleitet werden, bzw. wenn selbst nicht genügend produziert wird, soll Strom aus dem Netz zur Verfügung stehen. Und dafür braucht es ausreichende Netzkapazitäten, sprich Leitungen.

Die endlose Geschichte über die 380 KV Leitung in Salzburg war ja lang genug in den Medien. Und es wird noch vieler Leitungen bedürfen und die müssen rasch genehmigt und gebaut werden. Nur die dezentrale Erzeugung von Strom wird die Energiewende nicht herbeiführen. Abgesehen davon, dass die Errichtung all dieser Anlagen sowieso eine große Herausforderung darstellt, wird von manchen sogar behauptet, dass sie schlichtweg gar nicht möglich ist. Es fehlen dafür die die Rohstoffe und vor allem die Fachkräfte, die wir für die Errichtung benötigen. Aber von der Umsetzung sind wir ja noch weit entfernt, weil keine Genehmigungen vorhanden sind.

Zukünftige Wärmeversorgung ist ungelöst

Nicht viel anders schaut es mit der Wärmestrategie und dem Heizen unserer Wohnhäuser aus. Was die 1,5 Millionen Haushalte auch bald merken werden, ist, dass ihre Art zu heizen nicht mehr genehmigt werden wird.

Öl- und Gaskessel sollen getauscht werden. Wahrscheinlich sollen bald die Bürgermeister Erhebungen in die Wege leiten und den weiteren Gebrauch dann verbieten. Dagegen wird sich keine Initiative bilden. Die Bürgermeister werden das schon hinkriegen. Wie aber die Umsetzung aussehen soll, ist noch weitgehend offen. Denn selbst die Haushalte, die derzeit über Fern- oder Nahwärme versorgt werden, heizen vielfach nicht klimaneutral, da die Fernheizwerke vielfach noch mit Gas befeuert werden.

Gesellschaft muss sich entscheiden

Rasche Entscheidungen und die Umsetzung sind daher gefordert. So wichtig Natur- und Landschaftsschutz, Artenschutz und Biodiversität sind, man wird sich entscheiden müssen, ob man erneuerbare Energieträger und stabile Netze will oder nicht.

Klar ist, dass vor allem Fotovoltaikanlagen vorrangig auf Gebäuden oder Brachflächen zum Einsatz kommen sollen, aber ganz ohne Eingriffe in Naturräume wird es nicht gehen. 

Aber wenn alles verhindert wird, werden die Ziele 2030 oder 2040 wohl nicht erreichbar sein. Und den Weg, den auch manche vorschlagen, die Ziele einfach durch Einsparungen und Einschränkungen zu erreichen, werden die Bürger wohl nicht mittragen. Die Energiewende ist daher wohl machbar, aber wir müssen endlich in die Umsetzung kommen und dafür gehören auch die Voraussetzungen geschaffen.