„Eine Kombination von großen und kleinen Einheiten ist notwendig, um alle Asylwerber unterbringen zu können." Johanna Mikl-Leitner im Gespräch mit KOMMUNAL-Redakteur Helmut Reindl.

„Wichtig ist, dass es eine fixe Unterkunft ist“

Gespräch mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner über die Flüchtlingsfrage.

Die von Bundeskanzler Faymann vorgeschlagene Verteilung der Flüchtlinge nach Bezirksquoten ist gescheitert. Wie geht es nun weiter?



Wir haben mit dem Gipfel 6.500 neue Plätze für die Flüchtlingsunterbringung seitens der Länder zugesichert bekommen. Wir stehen hier gemeinsam vor großen Herausforderungen, die aber gemeinsam zu bewältigen sind.



Zwischen dem Innenministerium und den Ländern soll nun ein Masterplan erstellt werden, und bis Ende Juli sollen insgesamt 6.500 Plätze geschaffen werden. Gibt es schon Überlegungen, wie dieser Plan aussehen soll?



Meine Experten sind dabei, mit den Ländern die möglichen Quartiere zu besichtigen und die Plätze zu konkretisieren. Zusätzlich haben wir 500 Container bestellt, die wir in den Bundesländern aufstellen können.



Sie hatten den Bundesländern, die ihre Unterbringungsquoten nicht erfüllen, ein Ultimatum gesetzt, das verstrichen ist. Einige Länder erfüllen ihre Quoten aber immer noch nicht. Welche Möglichkeiten gibt es nun? Werden nun Kasernen für Flüchtlinge geöffnet?



Wir werden jetzt mit den betroffenen Ländern schauen, dass sie ihre Quoten erfüllen. Für mich ist wichtig, dass es sich dabei um eine fixe Unterkunft handelt. Kasernen sind hier eine Option, die mit der Zustimmung des Verteidigungsministers adaptiert und letztendlich genutzt werden können.



Ist daran gedacht, einen Kataster zu erstellen, in dem man sehen kann, wie viele Bundesgebäude es gibt, in denen Asylwerber untergebracht werden könnten?



Wir haben derzeit eine Liste jener Bundesgebäude, die in den Ländern und Gemeinden für die Flüchtlingsunterbringung in Frage kommen. Diese Gebäude werden jetzt von den Experten besichtigt.



Was passiert, wenn Gemeinden Flüchtlinge übernehmen müssen, aber keine Quartiere haben? Das betrifft auch Infrastruktur wie etwa Kindergarten- und Schulplätze.



Natürlich muss man auch auf die Gegebenheiten in den Gemeinden Rücksicht nehmen, damit auch die notwendige Infrastruktur zur Verfügung steht.



Schon bisher haben sich in den Gemeinden viele Private gefunden, die Quartiere zur Verfügung gestellt hätten. Das scheiterte aber oft am Widerstand innerhalb der Gemeinde oder an der Tatsache, dass Hilfsorganisationen sagen, dass man eine größere Anzahl von Flüchtlingen an einem Ort braucht, um sie gut betreuen zu können. Was kann sich hier ändern?



Hier braucht es einen Schulterschluss zwischen den Gemeinden, den Ländern und dem Bund und mit Hilfsorganisationen, damit auch kleine Quartiere genutzt und betreut werden können.



Zelte sowie Schüler- und Studentenheime sind vielleicht für eine kurzfristige Unterbringung während der Sommermonate geeignet. Gibt es schon Ideen für den Winter?



Wir stehen hier in laufendem Kontakt mit den Bundesländern, die auch eine Vorschau haben, wie viele Grundversorgungsplätze sie in den nächsten Monaten zur Verfügung stellen werden müssen. Priorität haben weiterhin feste Unterkünfte.



Bürgermeistern wird immer wieder vorgeworfen, dass sie sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen. Der Gemeindebund und rund 30 Ortschefs haben aber kürzlich klargestellt, dass es noch hunderte freie Plätze gibt. Die Gemeinden bekommen aber mitgeteilt, dass eine Betreuung in kleinen Einheiten nicht sichergestellt sei oder die Administration bei breiter Streuung der Flüchtlinge nicht möglich sei. Ist die Betreuung in kleinen Einheiten tatsächlich nicht gewährleistet?



Jede Unterbringungsmöglichkeit hilft, aber die Bundesländer müssen auch die adäquate Betreuung sicherstellen können. Das ist machbar.



Wenn es an der Administration liegt, sollte nicht dort der Hebel angesetzt werden und etwa im Wege einer einfacheren Abwicklung die Aufnahme von Flüchtlingen in privaten Quartieren bzw. in kleinsten Einheiten ermöglicht werden? Das würde ja auch die Integration erleichtern.



Alle Beteiligten sind bemüht, die Angebote der vielen hilfsbereiten Bürger und Gemeinden zu nutzen, dennoch muss die Unterbringung für die Bundesländer noch administrierbar sein.



Gemeindebund-Präsident Mödlhammer hat vorgeschlagen, dass es sinnvoll wäre die Gemeinden einzubinden, aber nur bis zu einer Höhe von ein oder zwei Prozent der Einwohner. Wäre das in Ihrem Sinn?



Mein erstes Ziel ist die menschenwürdige Unterbringung von Kriegsflüchtlingen. Eine Kombination von großen und kleinen Einheiten ist notwendig, um alle Asylwerber unterbringen zu können.



Bürgermeister beklagen, dass sie oft sehr kurzfristig darüber informiert werden, dass in ihrer Gemeinde Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Warum gibt man den Gemeinden so wenig Zeit sich vorzubereiten?



Aufgrund der vielen Asylwerber, die auf eine Unterbringung in den Bundesländern warten, ist oft eine kurzfristige und rasche Unterbringung notwendig. Dennoch ist Information wichtig.



Auf der einen Seite wirft man Asylwerbern vor, dass sie nicht arbeiten. Andererseits beklagen sich Gemeinden, die Flüchtlinge für gemeinnützige Tätigkeiten heranziehen wollen, dass der bürokratische Aufwand zu hoch ist. Was halten Sie davon, diese Hürden abzubauen?



Wir haben derzeit in Österreich die Situation, dass wir hohe Arbeitslosigkeit haben. Der volle Zugang zum Arbeitsmarkt soll daher auch weiterhin erst mit einem positiven Asylbescheid möglich sein. Wer gemeinnützig tätig sein will, kann das auch tun. Bei der Unwetterkatastrophe in Tirol waren beispielsweise 50 freiwillige Asylwerber im Einsatz.



Derzeit werden keine neuen Asylverfahren eingeleitet, sonder nur Ab- und Rückschiebungen vorgenommen. Ungarn muss nun zwar doch Flüchtlinge zurücknehmen, aber halten Sie das Dublin-System gerecht, dass Flüchtlinge nur in jenem Staat Asyl beantragen können, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten haben?



Solange es keine europäische Quote gibt, braucht es das Dublin System um sicherzustellen, dass nur in einem Mitgliedsland das Verfahren geführt wird.



Auch Griechenland ist für viele Flüchtlinge der erste EU-Staat. Halten Sie es angesichts der dortigen Lage für sinnvoll, Menschen dorthin zurück zu schicken?



Auf Grund der Lage in Griechenland ist es seit 2011 nicht möglich, Dublin Rückführungen vorzunehmen. Alle Mitgliedsstaaten sind gefordert ihren Beitrag zu leisten.



Sie haben mehr Solidarität von anderen EU-Staaten eingefordert. Glauben Sie, dass sich diese Länder beeindrucken lassen, wenn Österreich keine Asylanträge mehr bearbeitet? Wird da nicht ein Konflikt auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen?



Die Situation, wie sie jetzt ist, ist inakzeptabel. Seit einem Jahr fordere ich Solidarität und eine faire, fixe Quote in Europa. Und es kommt auch Bewegung in Diskussion, aber wir sind weit entfernt von einer Umsetzung. Bisher gibt es nur einzelne Absichtserklärungen. Die bringen uns aber nicht weiter. Daher braucht es jetzt Druck auf jene Länder, die bis dato kaum Asylwerber aufnehmen.