Walter Leiss
Gemeindebund-Generalsekretär Walter Leiss: "Die Regierungsparteien haben das klare Kommittent gegeben, die Schwellenwerte in naher Zukunft nicht runter zu setzen, sondern mittels Verordnung wieder zu verlängern."

Vergaberecht - Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung

Heiß umfehdet, wild umstritten. Was in der Bundeshymne steht, könnte auch für das Vergaberecht gelten. Der Gemeindebund kann auf dem Weg zur Novelle des Bundesvergabegesetzes einen Etappensieg für sich verbuchen.

Seit vielen Jahren wird ein – für Österreichs Kommunen überaus wichtiges – Thema oft abseits der Öffentlichkeit diskutiert: die Umsetzung des EU-Vergaberechtspaketes und der daraus folgenden Novellierung des Bundesvergabegesetzes. Ziel des EU-Vergaberechtspaketes ist, den rechtlichen Rahmen für die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Institutionen zu vereinheitlichen.

Das 324 Seiten starke Reformpaket sorgte in den letzten Monaten für viel Diskussionsstoff auf politischer Ebene. Neben einem neuen Bundesgesetz über die Vergabe von Konzessionsverträgen und einer Novellierung für den Bereich Verteidigung und Sicherheit gehört die vollständige Neufassung des Bundesvergabegesetzes zum Paket. Als Gemeindebund haben wir uns sehr früh in die Diskussion eingebracht und eine kritische Stellungnahme zur Regierungsvorlage veröffentlicht. Besonders bei zwei Punkten haben wir die Gefahr von „Golden Plating" – also die Übererfüllung von EU-Vorgaben – gesehen.

Zusammenrechnung würde zu Problemen führen

Zum einen sollte das Gesetz ermöglichen, dass bei mehreren Dienstleistungsaufträgen als geschätzter Auftragswert der geschätzte Gesamtwert anzusetzen wäre. Das hätte bedeutet, dass Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Bauauftrag auch dann zusammenzurechnen sind, wenn die Dienstleistungen nicht gleichartig sind.

Gerade für uns im kommunalen Bereich, wo vielfach Planungsleistungen und Bauaufsicht getrennt vergeben werden, würde die zwingende Zusammenrechnung zu Problemen führen. Man würde sehr schnell in den Oberschwellenbereich kommen, ab dem dann auch Gemeinden EU-weit ausschreiben müssten, was zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand nicht nur für die Gemeinden als Auftraggeber, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), führen würde.

Schwellenwerte dauerhaft anheben

Zum anderen haben wir auch gefordert, die niedrigen Schwellenwerte für die vereinfachten Vergabeverfahren im Vergabegesetz (Direktvergaben) dauerhaft auf die Grenze der Schwellenwertverordnung von 100.000 Euro anzuheben, um den Gemeinden längerfristige Planungssicherheit zu bieten. Das Gesetz sieht nämlich einen Schwellenwert etwa bei Direktvergaben von 50.000 Euro vor.

Bisher wurden die Schwellenwerte stets mittels befristeter Verordnung verlängert, was aber jedes Mal zu umfangreichen Diskussionen geführt hat. Gerade im Unterschwellenbereich werden die meisten öffentlichen Investitionen getätigt. Hier ist es wichtig, dass Vergabeverfahren rasch, unbürokratisch, einfach und kosteneffizient durchgeführt werden können.

Länderübergreifende Ausschreibungen?

Mit beiden Einwänden haben wir bei den Regierungsparteien Gehör gefunden. In einer Ausschussfeststellung im Verfassungsausschuss wurden unsere beiden Anliegen nahezu vollständig berücksichtigt.

Zwar wurde die Untergrenze des Schwellenwertes mittels Gesetz nicht neu festgelegt, aber die Regierungsparteien haben das klare Kommittent gegeben, die Schwellenwerte in naher Zukunft nicht runter zu setzen, sondern mittels Verordnung wieder zu verlängern.

Sorgen bereitet uns nur die Frage, ob es trotz Schwellenwertverordnung in grenznahen Bereichen nicht doch zu länderübergreifenden Ausschreibungen kommen müsste. Das Justizministerium hat dafür folgende Faustregel ausgegeben: Je höher der Wert, je näher der Leistungs- und Nutzungsort an einer Staatsgrenze und je spezifischer der Auftragsgegenstand, desto eher muss von einem grenzüberschreitenden Interesse ausgegangen und ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sichergestellt werden. Wie das in der Praxis zu handhaben ist, werden wir noch sehen.

Kein EU-weites Vergabeverfahren

Auch bei unserem Anliegen gegen das Zusammenrechnen unterschiedlicher Dienstleistungsaufträge haben wir das Gehör der Nationalratsabgeordneten gefunden. Bei völlig unterschiedlichen Dienstleistungsaufträgen, etwa wenn eine Gemeinde Architekturplanung, Projektsteuerung, rechtliche Beratungsleistungen und Vermessungsleistungen ausschreibt, muss kein EU-weites Vergabeverfahren durchgeführt werden, selbst wenn die Aufträge zusammengerechnet den Schwellenwert von 235.000 Euro überschreiten. Das erspart vielen Gemeinden umfangreiche und kostenintensive Ausschreibungsverfahren.

Welchen Zweck haben EU-weite Verlautbarungen

Davon unberührt bleibt aber eine generelle Skepsis gegenüber dem Bundesvergabegesetz. Warum wurde die entsprechende Klarstellung nicht ins Gesetz aufgenommen und „nur" eine Ausschussfeststellung vorgenommen. Nicht nur kleine Gemeinden sind mit den Vergaberegelungen überfordert. Zur Abwicklung eines ordnungsgemäßen Verfahrens muss man spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien beiziehen und das bedeutet Mehrkosten. Und selbst dann sind Verfahrensverzögerungen in Kauf zu nehmen. Welchen Zweck haben EU-weite Verlautbarungen und Ausschreibungen, wenn nur zwei Prozent der Aufträge ins EU-Ausland vergeben werden?

Elektronische Vergabe überfordert Gemeinden

Und die nächsten Änderungen stehen schon vor der Tür: die elektronische Vergabe von Aufträgen. Was für große Unternehmen durchaus sinnvoll sein kann, bedeutet für viele Gemeinden schlichtweg eine Überforderung. Hier bedarf es auf europäischer Ebene eines Umdenkens, weil ansonsten der Zweck des öffentlichen Vergabeverfahren zur Gänze verloren geht.