Walter Leiss
Walter Leiss: „Die Gemeinden sind jetzt schon von der Krise betroffen und werden das natürlich auch in der Zukunft sein. Das wird ein großes Thema beim nächsten Finanzausgleich sein.“

Finanzausgleich in Zeiten der Corona-Krise

Noch vor einigen Wochen war die Welt eine andere, nicht nur in Österreich. Fiskalregelungen der EU, angepeilte Überschüsse im Budget – die Budgetrede sollte dieser Tage stattfinden – und die Gespräche über einen neuen Finanzausgleich ab 2022 sollten im Herbst beginnen.

Natürlich war man bemüht, sich gut darauf vorzubereiten und schon in Stellung zu bringen. In Oberösterreich beklagten die Stadtchefs von Linz, Wels und Steyr die ungleiche Verteilung von Bedarfszuweisungsmittel. Die kleinsten Gemeinden würden die 15-fache Pro-Kopf-Förderung von mittleren und großen Städten erhalten. Die schon im letzten Finanzausgleich diskutierte regionale Versorgungsfunktion von Städten werde nicht berücksichtigt, wurde ar­gumentiert.

Große Städte brachten sich schon in Stellung

Zwar gaben die Bürgermeister ein Bekenntnis zu einem solidarischen Ausgleichssystem ab, aber wohl nicht zu ihren Lasten. Natürlich wurde auch nicht erwähnt, dass diese drei Städte allein mehr als ein Drittel der gesamten Kommunalsteuereinnahmen aller oberösterreichischen Gemeinden erhalten. An eine solidarische Aufteilung auf andere Gemeinden durfte man dabei gar nicht denken.

Auch Themen die im letzten Finanzausgleich schon intensiv diskutiert wurden und letztlich kein Ergebnis brachten, wurden wieder in die Diskussion geworfen – etwa Abgabenautonomie und Aufgabenorientierung, wie jüngst auch von Landeshauptmann Stelzer. Dass gerade die Aufgabenorientierung bald eine völlig andere Bedeutung erhalten wird, war da noch nicht absehbar.

Ertragsanteile werden ins Minus gehen

Mit voller Wucht ist in den letzten Monaten die Corona-Krise über Europa und Österreich hereingebrochen. Ziele der Europäischen Union, formuliert im Stabilitätspakt, der Schuldenabbau und das Nulldefizite sind – berechtigt – nicht mehr von Bedeutung. Die Gesundheitskrise soll nicht zu einer Wirtschaftskrise, ja zu einem Kollaps unseres Systems mutieren. Wirtschaftsforscher prognostizieren schon eine Rezession. Was das für die Steuereinnahmen bedeutet, liegt auf der Hand.

Für die Gemeinden gab es zuletzt starke Zuwächse bei den Ertragsanteilen. Das wird sich in den kommenden Monaten in ein gewaltiges Minus verwandeln. Der Bund hat schon Milliardenpakete zur Unterstützung angekündigt: zuerst vier, dann 38 Milliarden Euro. Dass hier kein Stein mehr auf dem anderen bleiben wird, ist schon vorhersehbar. Ebenso, dass die Länder und Gemeinden ihre Beiträge leisten müssen. Der Terminus der Aufgabenorientierung bekommt hier eine ganz andere Dimension. Wir werden das spätestens beim nächsten Finanzausgleich merken.

Kündigung von Gemeindemitabeitern würde Kosten nur verschieben

Dass das viele noch nicht erkannt haben, merken wir leider anhand von etlichen Anfragen. Warum sind die Gemeinden nicht von der Kurzarbeitszeitregelung erfasst, fragen manche.

Manche überlegen auch, Kündigungen für nicht benötigte Mitarbeiter auszusprechen. Das würde nur eine Verschiebung der Kosten von einer Gebietskörperschaft zur anderen bewirken. Und dass das nicht sinnvoll wäre, liegt auf der Hand. Wenn in Appellen an die Wirtschaft verlangt wird, keine Arbeitnehmer zu kündigen, sollten die Gemeinden mit gutem Beispiel vorangehen.  Binnen zwei Tagen 49.000 neue Arbeitslose wurden beim AMS angemeldet. Diese Entwicklung sollte nicht auch noch von den Gemeinden befeuert werden. Und wir brauchen die Mitarbeiter hoffentlich in der nicht allzu fernen Zukunft – ob im Gemeindeamt, in den Kindergärten oder sonstigen Einrichtungen.

Die Gemeinden sind jetzt gefordert, bei eingeschränktem Betrieb ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Kommunikation mit den Bürgern ist aufrechtzuerhalten – nicht im persönlichen Kontakt, aber mit dem Telefon oder elektronischen Medien.

Daseinsvorsorge muss aufrecht bleiben

Die Daseinsvorsorge wie Wasserversorgung, Abwasserentsorgung oder Abfallentsorgung muss aufrecht bleiben. Besondere Herausforderungen haben Bürgermeister in Quarantänegemeinden oder wenn sie selbst in Quarantäne sind. Abgaben sind weiter einzuheben – unter besonderer Berücksichtigung der Betriebe, die jetzt ums Überleben kämpfen.

Weniger Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitslose bedeuten geringere Steuereinnahmen

Wirtschaftsforscher prophezeien kein Wirtschaftswachstum mehr, sondern eine drohende Rezession. Ein BIP-Minus von 4,5 Prozent wird prognostiziert.

Zwar glauben einige, dass das Minus in den folgenden Jahren aufgrund der Nachholeffekte zum Teil wieder aufgeholt werden kann. Weniger Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitslose bedeuten geringere Steuereinnahmen. Die Fragen, die sich daraus ergeben, werden dann beantwortet, wenn die Gesundheitskrise überwunden ist.

Priorität hätten im Moment nicht budgetäre Ziele, sondern die Hilfe für die Wirtschaft, erklärt Finanzminister Blümel. Es gilt diese Zeit zu überwinden und zu hoffen, dass sich die Lage nach ein paar Monaten wieder normalisiert. Aber die Voraussetzungen für den neuen Finanzausgleich haben sich total geändert und ganz andere Fragen werden zu beantworten sein.