Walter Leiss - Generalsekräter des österreichischen Gemeindebundes
Walter Leiss: „Die Wahlordnung sollte so geändert werden, dass sie nicht ständig zu Vollzugsproblemen bei den Wahlbehörden führt. Schon zu Beginn der nächsten Legislaturperiode sollte eine Novellierung erfolgen, denn man weiß ja nie, wie lange diese dauert.“

Die nächsten Wahlen stehen vor der Tür

Am 26. Mai fanden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Und in absehbarer Zeit werden auch Nationalratswahlen abgehalten. Die Ereignisse um die Durchführung der Bundespräsidentenwahl sind uns allen noch gut in Erinnerung. Zum jetzigen Zeitpunkt werden auch noch Strafprozesse gegen einige Wahlbehördenleiter durchgeführt. Einige Verurteilungen liegen schon vor. Weil es in absehbarer Zeit keine europaweit einheitliche Wahlordnung mit einem gemeinsamen Wahltag geben wird, besteht die Notwendigkeit der Novellierung der Nationalratswahlordnung.

Eigentlich hätte sie schon erfolgen müssen und auch die Europawahl nach den neuen Vorschriften durchgeführt werden müssen. Aber dafür ist es zu spät. Wohl auch für die angekündigten Nationalratswahlen.

Mediales Bedürfnis nach Ergebnissen

Der Bedarf einer Änderung liegt in vielen Bereichen. Aktuell aber wieder entzündet daran, dass die offiziellen Wahlergebnisse erst am Wahltag um 23 Uhr bekannt gegeben werden dürfen.

Abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt die Stimmen der Briefwähler noch nicht vorliegen – diese werden erst in den folgenden Tagen ausgewertet -, ist das mediale Bedürfnis nach vorläufigen Endergebnissen durch Hochrechnungen nicht zu stillen.

Man hat zwar offenbar akzeptiert, dass Wahlbehörden keine Ergebnisse – auch keine Detailergebnisse – veröffentlichen dürfen, aber „Spezialisten“ lassen nichts unversucht, doch an Gemeindeergebnisse zu gelangen. 

Wahlzeugen unterliegen nicht der Verschwiegenheitspflicht, aber …

Und vermeintlich ist man auch fündig geworden. Die Wahlzeugen schienen der Schlüssel, um an die Ergebnisse zu gelangen. Eine scheinbare Lücke in der Wahlordnung ließ einige hoffen, doch an Ergebnisse zu gelangen, um diese in Hochrechnungen auch zu veröffentlichen.

Seitens des Innenministeriums wurde zwar verkündet man sei „durch die Aufhebung der Bundespräsidentenwahl sensibilisiert“, gab aber auch gleichzeitig bekannt, dass für Wahlzeugen die für Mitglieder der Wahlbehörde vorgesehen Verschwiegenheitspflicht nicht gelte. Sie dürften die Ergebnisse weitergeben.

Zwar ist richtig, dass die Wahlzeugen nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, aber ihr Zweck ist doch zu beobachten, ob die Wahlbehörden korrekt arbeiten würden und nicht durch ihr Handeln andere Gebote zu unterlaufen.

Bedenkt man dies, hätte eine derartige Auskunft nicht erteilt werden dürfen. Denn mit dieser Auskunft gestärkt, wollten plötzlich Medienvertreter und Meinungsforschungsinstitute Listen von Wahlzeugen oder recherchierten, wie sie zu diesen gelangen könnten. Auch Plattformen waren geplant, in die Wahlzeugen Ergebnisse einmelden sollten. Mit noch unvorhersehbaren Folgen, nicht nur für die Durchführung der Wahl, sondern auch für die betroffenen Wahlzeugen und mitunter für sie selbst. Amtsmissbrauch und Anstiftung zum Amtsmissbrauch liegen da nicht weit auseinander.

Zum Glück haben einige Landeswahlbehörden die Gefahr erkannt und dieses Vorhaben unterbunden.

Auch die Medien vertreten nun die Auffassung, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, wie etwa Nachwahlbefragungen, um die Trends herauszulesen und diese auch zu veröffentlichen.

Bei allem Verständnis für die mediale Aufmerksamkeit und den Druck zu informieren, aber würde die selbe Energie darauf verwendet, über die Bedeutung der Europawahl zu berichten um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, wie darauf, dann die Ergebnisse zu veröffentlichen, wäre vielen geholfen.

Diese Ereignisse zeigen aber, dass auch der Gesetzgeber gefordert ist, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Wahlen objektiv durchgeführt werden können. Wir haben dazu schon mehrmals konstruktive Vorschläge unterbreitet.

Nur aufgegriffen wurden sie bis dato noch nicht.

Der Gemeindebund hat bereits Vorschläge gemacht

Bereits 2017 hat der Gemeindebund Vorschläge unterbreitet und mehrfach darauf gedrängt, in konstruktive Gespräche darüber einzugehen. Vorschläge, die bei den Gemeinden zum Teil unnötige Kosten vermeiden, die Durchführung der Wahlen einfacher machen, die Übermittlung der Briefwahlkarten sicher und nachvollziehbar gestalten und ein Wahlergebnis am Wahlabend ermöglichen.

Leider werden sich diese Änderungen vor der nun überraschend notwendig gewordenen Wahl im – voraussichtlich – Herbst nicht mehr ausgehen. Sie haben nach wie vor Gültigkeit.

Nochmals zu Erinnerung die wichtigsten Punkte: 

Auflage der Wählerverzeichnisse

Eine Abschaffung der Auflage von Wählerverzeichnissen am Wochenende und in den Abendstunden ist daher angebracht. Eine Einsichtnahme in digitaler Form könnte ermöglicht werden.

Einheitliche Wahlinformation

Derzeit erhalten die Wähler verschiedene Informationen über die Ausübung des Wahlrechts. Eine einheitliche Wahlinformation, die auch einen personifizierten Code für die Beantragung der Briefwahlkarte enthält, wäre sinnvoll.

Ausbau und Verbesserung der Briefwahl

  • Der Zeitpunkt der Einbringung von Wahlvorschlägen sollte um eine Woche vorverlegt werden, damit Wahlkarten früher ausgestellt und versandt werden können.
    Dies ist besonders für die Auslandsösterreicher von Bedeutung.
  • Abschaffung der Möglichkeit, mit der Wahlkarte in einem sprengelfremden Wahllokal zu wählen. Damit entfallen die verschieden färbigen Wahlkuverts und das dadurch notwendige umherschicken der Wahlkarten durch ganz Österreich nach der Wahl.
  • Die Möglichkeit der persönlichen Abholung der Briefwahlkarte und direkte Abgabe bei der Gemeinde (so, wie dies bei Magistraten schon jetzt möglich ist).
  • Verkürzen der Frist für das Einlangen der Briefwahlkarten auf spätestens Freitag. Das erspart die aufwändige und kostenintensive Entleerung der Briefkästen am Samstag. Der Wähler hat ja drei bis vier Wochen Zeit, mit der Briefwahlkarte zu wählen.
  • Nachvollziehbare Übermittlung der Briefwahlkarten auf dem Postweg. Die Post bietet ähnlich wie bei der Paketzustellung Lösungen an, bei der auch im Internet jederzeit nachverfolgt werden kann, wo sich die Briefwahlkarte gerade befindet.

Auszählung der Briefwahlstimmen am Wahltag in den Gemeinden

Die Auszählung der Briefwahlstimmen direkt auf Gemeindeebene wäre ein sinnvoller Schritt. Damit liegt noch am Wahltag ein vollständiges Ergebnis zuordenbar nach Gemeinden und Sprengeln vor.

Erweiterung des Wahlbeisitzer-Systems und Klarstellung der Aufgaben und Befugnisse der Wahlzeugen

Das sind nur einige Punkte. Der Gemeindebund mengt sich nicht in Überlegungen betreffend eine Stärkung des Vorzugsstimmenmodells, eines Mehrheitswahlrechts oder eines E-Voting-Systems ein.

Aber die Wahlordnung sollte so geändert werden, dass sie nicht ständig zu Vollzugsproblemen bei den Wahlbehörden führt. Schon zu Beginn der nächsten Legislaturperiode sollte eine Novellierung erfolgen, denn man weiß ja nie, wie lange diese dauert.