Bundespräsidentenwahl zeigt Reformbedarf

Am 1. Juli 2016 hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Stichwahl der Bundespräsidentenwahl vom 22. Mai 2016 in ganz Österreich und komplett wiederholt werden muss. Der Gemeindebund hat Vorschläge, wie in Zukunft Fehler vermieden werden können.

Der Verfassungsgerichtshof hat sein Erkenntnis im Wesentlichen damit begründet, dass es in vielen Bezirken bei der Durchführung der Briefwahl zu Rechtswidrigkeiten gekommen ist. Vorbereitende Handlungen wie das Vorsortieren der Wahlkarten dürfen durch Hilfsorgane vorgenommen werden. Das Öffnen der Wahlkarten genauso wie das Auszählen der Stimmen ist aber der Wahlbehörde als Kollegium vorbehalten. Weiters ist es durch vorzeitige Weitergabe von Auszählungsergebnissen vor Wahlschluss an Medien durch das Innenministerium zu einer Verletzung des Grundsatzes der Freiheit der Wahl gekommen.



Grund für die Wahlwiederholung war, dass die Verfehlungen ein Ausmaß erreicht haben, das auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnte. Dass keine konkreten Stimmmanipulationen erwiesen wurden, war nicht ausschlaggebend. Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch ausgesprochen, dass die Briefwahl nicht verfassungswidrig ist und daher weiterbestehen kann.



Die Rechtswidrigkeiten, überwiegend bei den Bezirkswahlbehörden und der Bundeswahlbehörde angesiedelt, haben auch für die Wahlbehördenleiter und Wahlbeisitzer rechtliche Folgen. Sowohl strafrechtliche wegen falscher Beurkundung und vielleicht auch zivilrechtliche. Regressforderungen gegen die verantwortlichen Personen würden bereits vom Innenministerium geprüft, und es wären Forderungen der Kandidaten gegen die Republik – so die Zivilrechtsprofessoren Georg Kodek und Andreas Kletecka - denkbar. Natürlich sind die Wahlkosten für die Wiederholungswahl der Gemeinden auch zu ersetzten. Ohne das Erkenntnis weiter zu kommentieren, ergibt sich daraus jedenfalls ein Reformbedarf für die Bundeswahlordnungen. Die Landeswahlordnungen können dafür durchaus ein Vorbild sein. Einiges davon wird auch schon diskutiert. Die Vorschläge sollten jedoch in die Zukunft gerichtet sein und nicht rückwärtsgewandt. Andere Länder haben bzw. diskutieren die Möglichkeiten des e-Votings, daher sollten wir nicht die Briefwahlmöglichkeit abschaffen, sondern so ausgestalten, dass sie den Bedürfnissen der Bürger, aber auch der Wahlbehörden entspricht. Folgende zentrale Reformen sind erforderlich:

Schaffung eines zentralen Wählerregisters



Ein zentrales Wählerregister wird schon lange diskutiert – auch Vorschläge dafür gab es bereits. Eine Umsetzung scheiterte aber bislang. Ein neuer Anlauf wurde nun genommen und ein Initiativantrag bereits eingebracht. Das ist durchaus zu unterstützen. Damit könnten Fehler bei der Erstellung des Wählerregisters vermieden werden.

Rekrutierung von Wahlbeisitzern



Wie man unter den derzeitigen Vorgaben Bürger motivieren will, diese Funktion auch in Zukunft auszuüben scheint fraglich. Dem Vorwurf ausgesetzt, die Wahl manipuliert zu haben, straf- und allenfalls einer zivilrechtlichen Haftung ausgesetzt zu sein, sind wahrlich keine guten Gründe, diese ehrenamtliche Aufgabe noch wahrzunehmen. Erste Absagen für die Wiederholungswahl sind auch schon gekommen. Jetzt wieder auf Bedienstete der Behörden zurückgreifen zu müssen, deren Tätigwerden unter anderem Grund für die Aufhebung war, ist auch nicht optimal. Auch, die Wahlbeisitzer nach dem Vorbild der Gerichtsschöffen zu verpflichten, hat bei 60.000 österreichweit dafür erforderlichen Personen wenig Aussicht auf Erfolg. Wie man diese Personen, die diese Tätigkeit vielleicht nicht durchführen wollen, zu Schulungen verpflichten will und dann noch die Wahl durchführen, sei dahingestellt. Klare Entschädigungsregelungen – die natürlich bei Bundeswahlen vom Bund zu ersetzen sind – sind hier gefordert. Auch die wahlwerbenden Parteien oder Kandidaten sind in die Pflicht zu nehmen.

Die Briefwahl



Obwohl Bestimmungen betreffend die Briefwahl bereits novelliert wurden, ist eine neuerliche Anpassung erforderlich. Die Rechtswidrigkeiten sind doch darauf zurückzuführen, dass die vermehrte Anzahl der Briefwahlkarten bis zum Wahltag übermittelt werden können und dann bei den Bezirkswahlbehörden ausgezählt werden.

Dies könnte dadurch beseitigt werden, dass die Auszählung der Wahlkarten nicht mehr auf Bezirksebene, sondern direkt auf Gemeindeebene erfolgt (so wie dies schon Landtagswahlordnungen in Nieder- und Oberösterreich vorsehen).

Für Briefwahlkarten sollte eine Frist für das Einlangen bis Freitag 18.00 Uhr gelten. Im Übrigen werden ausschließlich jene Wahlkarten einbezogen, die bis 6.30 Uhr in der Gemeindewahlbehörde (Einlaufkasten) oder einem Wahlsprengel (eigener Einlaufkasten) einlangen. Bürger, die eine Wahlkarte haben, können jedoch mit der Wahlkarte im zuständigen Sprengel wie jeder andere, der keine Wahlkarte beantragt hat, wählen gehen (Tausch der Wahlkarte mit Stimmzettel im Wahllokal, Vermerk im Zentralen Wählerregister).

Darüber hinaus kann die verschlossene Wahlkarte am Wahltag bis zum Schließen des Wahllokals jener Sprengelwahlbehörde, in deren Wählerverzeichnis der Wähler eingetragen ist, übermittelt werden. Bereits ab Sonntag Früh erfolgen die Prüfung der Gültigkeit und Sortierung der Wahlkarten durch die einberufene Wahlkommission (Unterschrift, Wahlkuvert, Sprengelzuteilung) und der Eintrag in das Zentrale Wählerregister (keine Öffnung der Wahlkarten!). Ungültige Wahlkarten werden ausgesondert. Die gültigen Wahlkarten werden an die entsprechenden Sprengel verteilt.

Nach Schließung der Wahllokale werden bei allen gültigen Wahlkarten die Wahlkuverts aus den Wahlkartenkuverts entnommen und in die Wahlurne gegeben und mit den anderen Wahlkuverts vermischt.

Danach erfolgt die Auszählung aller Stimmzettel auf Gemeindeebene und die Ergebnisse werden der Bezirks-, Landes- und Bundeswahlbehörde übermittelt. Vorteil ist unter anderem ein eindeutiges Ergebnis bis auf die Gemeindeebene (Sprengelebene). Zudem gibt es ein Ergebnis am Wahltag unter Einbeziehung der Wahlkarten. Nicht mehr möglich wird es sein, festzustellen, wie (Brief-)wahlkartenwähler gewählt haben. Damit ist auch bestimmten Theorien, die nach der Bundespräsidentenwahl laut wurden, der Boden entzogen. Der große Vorteil – nach Auszählung der Stimmen liegt ein endgültiges Ergebnis vor. Dieses Modell ließe sich auch auf Nationalratswahlen übertragen.



Daneben besteht die Notwendigkeit auch andere Bestimmungen anzupassen (z.B. Auflage des Wählerverzeichnisses etc.). Vor der Wiederholungswahl wird sich dies nicht mehr ausgehen, aber zu hoffen ist, dass die nächsten Nationalratswahlen schon nach den geänderten Bestimmungen durchgeführt werden können.



Wir stehen für Gespräche bereit.