Walter Leiss
Walter Leiss: „Mit dem Kommunalen Investitionsgesetz gab es fast 1,4 Milliarden Euro frisches Geld für die Gemeinden. Bedauerlicherweise wurden und werden diese Maßnahmen beständig schlechtgeredet.“

Gemeinden vor dem finanziellen Kollaps?

Die Rechnungsabschlüsse des Jahres 2019 brachten für die Gemeinden sehr gute Ergebnisse: gestiegene Einnahmen aus Ertragsanteilen, Kommunalsteuern, Tourismusabgaben, Grunderwerbssteuern und sonstigen gemeindeeigenen Steuern. Dies ermöglichte auch eine Steigerung der Investitionen. Schon im Jahr 2019 zeigte sich jedoch, dass es mit der finanziellen Lage der Gemeinden im Allgemeinen nicht so gut steht. Berechnungen der Statistik Austria nach den Bestimmungen des österreichischen Stabilitätspakts zeigen, dass die Bundes- und Landesebene 2019 den Schuldenanpassungspfad einhalten konnte, die Gemeindeebene dies in Summe jedoch nicht konnte. Für den Stabilitätspakt hat dies noch keine Auswirkungen, da die Bundes- und Länder­ebenen die Vorgaben erfüllen werden.

Schon bei sprudelnden Einnahmen waren die Vorgaben für die Gemeinden schwer zu erfüllen. Die Hoffnung, dass die Einnahmen 2020 noch weiter wachsen würden, haben sich im Februar leider in Luft aufgelöst. Eine Pandemie kam über die Welt, Europa und natürlich auch Österreich. Während in den ersten Monaten nach dem Lockdown noch die gesundheitlichen Aspekte im Vordergrund standen, wurde rasch bewusst, dass die Gesundheitskrise auch zu einer wirtschaftlichen Krise ungeahnten Ausmaßes führt.

Sowohl die europäische als auch die österreichische Ebene haben reagiert. Die allgemeine Ausweichklausel (General Escape Clause, GEC) wurde im Rahmen des „Sechserpakets“ zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Jahr 2011 eingeführt und nun aktiviert. Sie ermöglicht, in Reaktion auf eine umfassende Krisensituation in koordinierter und geordneter Weise von den regulären haushaltspolitischen Anforderungen auf EU-Ebene abzuweichen. 

Finanzielle Einbrüche im Mai

Waren die Gemeindefinanzen in den Monaten Jänner bis April noch durch ein kräftiges Plus gekennzeichnet, kam im Mai das böse Erwachen. Es gab ein kräftiges Minus bei den Ertragsanteilen, bei einzelnen Gemeinden brachen die Kommunalsteuereinnahmen weg und auch bei den Tourismusabgaben gab’s ein Minus.

Einnahmenverluste gab es auch bei wirtschaftlichen Betrieben der Gemeinden, da sie nicht von der Kurzarbeitszeitregelung und Betriebskostenzuschüssen erfasst waren. Während der Rückgang bei den Ertragsanteilen alle Gemeinden betraf, fiel der Rückgang bei Kommunalsteuereinnahmen und Tourismusabgaben natürlich unterschiedlich aus. Jene Gemeinden, die schon bisher keine Kommunalsteuereinnahmen hatten, konnten auch nichts verlieren. Diese Gemeinden waren schon bisher arm und hatten vielfach nur die Ertragseinteile als Einnahmequelle.

Auch der Rückgang bei den Tourismusabgaben war bei den Gemeinden durchaus unterschiedlich. Viele waren stark betroffen, bei einigen war dagegen relativ wenig zu spüren. Insgesamt gab es jedoch geschätzte zwei Milliarden Euro Verlust. Gleichzeitig stiegen die Umlagen für die Spitalsfinanzierung und im Sozialbereich.

Wir haben schon früh auf die finanziellen Folgen durch Einnahmenausfälle und Mehrkosten hingewiesen. Uns war aber klar, dass der Rückgang der Ertragsanteile alle Gebietskörperschaften gleichermaßen mit ihren im Finanzausgleich festgelegten Prozentsätzen trifft.

Unterstützung für Gemeinden durch Bund und Länder

Um aber die Gemeinden in ihrer Investitionstätigkeit zu unterstützen und damit auch die lokale und regionale Wirtschaft zu stärken, brauchte es frisches Geld. Mit dem Kommunalen Investitionsgesetz ist die Bundesregierung dieser Forderung nachgekommen: eine Milliarde Euro für eine Vielzahl von Projekten in den Gemeinden, ein 50-prozentiger Zuschuss zu den Investitionskosten, wobei Doppelförderungen zulässig sind.

Auch von den Ländern wurden bisher eine Reihe von Corona-Paketen bzw. Maßnahmen zur Unterstützung der Liquidität und Investitionsfähigkeit der Gemeinden geschnürt – ein Volumen von rund 2,85 Milliarden Euro, darin enthalten frische Landesmittel (insgesamt rund 362 Millionen Euro) für die Gemeinden. 

Hilfsmaßnahmen wurden schlecht geredet

Somit gab es fast 1,4 Milliarden Euro frisches Geld für die Gemeinden. Bedauerlicherweise wurden und werden diese Maßnahmen beständig schlecht geredet und von manchen als „Hilflosenpaket“ bezeichnet, weil die Gemeinden ihren Eigenanteil nicht aufbringen könnten. Dabei wird übersehen, dass Mehrfachförderungen für ein Vorhaben zulässig sind und es viele Fördertöpfe gibt, beispielsweise von der Breitbandförderung über die Wasserwirtschaft bis zu ökologischen Förderungen. Für gewisse Projekte ist damit sogar  eine 100-prozentige Förderung möglich.

Vielfach wird auch vorgebracht, das Problem sei, dass „im Moment die Gemeinden mehr damit beschäftigt sind, die vorhandenen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger aufrechtzuerhalten“, als neue Projekte umzusetzen. Die Daseinsvorsorgeeinrichtungen seien in Gefahr.

Nicht ganz verständlich sind diese Argumente für Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie für die Abfallbeseitigung. Diese Aufgaben werden durch die Bürger mit ihren Gebührenzahlungen finanziert. Dass es zu Gebührenausfällen gekommen wäre, wurde uns nicht berichtet und auch von niemandem behauptet. Diese Leistungen haben die Gemeinden auch während der gesamten Zeit zur Zufriedenheit aller bereitgestellt.

Unterstützungszahlungen ermöglichen es, Kosten zu sparen

Auch im Bereich der Kindergärten und Bildungseinrichtungen stehen zwar in den Budgets hohe Ausgaben, aber hier waren schon in der Vergangenheit kaum Einnahmen zu verzeichnen, da doch die meisten Einrichtungen kostenlos für die Bürger und Bürgerinnen zur Verfügung gestellt werden. Den Bürgern und der Wirtschaft wird durch Unterstützungszahlungen durch den Bund ermöglicht, ihre laufenden Kosten zu decken. Von Einzelfällen abgesehen, sollten daher auch hier keine Einnahmenausfälle zu verzeichnen sein.

Natürlich ist mir auch bewusst, dass es kommunale Einrichtungen und Betriebe – wie Schwimmbäder oder Verkehrsbetrieb - gibt, die durch den Lockdown besonders schwer getroffen waren. Aber solange die Gemeinden noch Mittel haben, um selbst Wirtschaftsförderung zu betreiben oder Bürger neben dem Bund zu unterstützen, ist der finanzielle Kollaps noch ein Stück weit entfernt. 

Gemeinden brauchen Planungssicherheit

Einen vollkommenen Ersatz der entgangenen Einnahmenausfälle durch den Bund wird es daher bei Betrachtung der finanziellen Situation des Bundes und seinen coronabedingten Mehrausgaben wahrscheinlich  nicht geben. Auch die Gemeindeebene wird auf Rücklagen zugreifen und sich genauso wie der Bund und die Länder verschulden müssen. Hier braucht es allerdings den Zugang zu günstigen Finanzierungsformen wie über die ÖBFA oder andere praktikable Lösungen.

Was es jedoch auch braucht, sind Maßnahmen für das nächste Jahr, um Planungssicherheit zu haben: einen „Kommunalgipfel“ mit Bund und Ländern, um speziell den Abgangsgemeinden ein Unterstützungsangebot zu machen und Überlegungen anzustellen, wie die nächste Zwischenabrechnung im März abgefedert werden kann. Denn ohne diese Maßnahmen werden einige Gemeinden an ihre Leistungsgrenzen stoßen und dann ist der finanzielle Kollaps nicht mehr weit entfernt.