Bürgermeister Vinzenz Knapp
„Da fällt mir nichts ein.“ Vinzenz Knapp auf die Frage, wovor er Angst hat.

„Diesen Job muss man sich antun wollen“

31. März 2017
Auf der einen Seite Traditionen wie „Gungler“ und “Schofschied“, auf der anderen Seite ein weltumspannender High-Tech-Konzern wie Koch-Media. Im kleinen Tiroler Ort Höfen im Außerfern jongliert Bürgermeister Vinzenz Knapp mit zwei völlig unterschiedlichen Welten.

Wenn man Höfen googelt, bekommt man zuerst den Eindruck eines Tourismusorts. Aber wenn man weiter schaut, ist da noch einiges mehr. Wie würdest du deine Gemeinde charakterisieren?



Also wenn schon, dann sind wir ein kleiner Tourismusort, nicht zu vergleichen mit den großen wie Lech oder Sölden. Aber wir haben die Bergbahnen (die Hahnenkammbahn, Anm. d. Red.), wir haben einen kleinen Flugplatz, Privatzimmervermietung und ein paar kleinere Gasthäuser – insofern sind wir ein Tourismusort. Und wir haben ein schönes Gewerbegebiet mit rund 450 Beschäftigten.



Höfen hat den einzigen Flugplatz im Bezirk Reutte, der seit dem vergangenen Winter auch für kleine Motorflugzeuge nutzbar ist, weil Asphaltpiste. Welche Vorteile bringt das für die Gemeinde, auch wenn die Gemeinde an sich ja keine Parteienstellung bei dem Thema hat?



Der Flugplatz war auch schon vorher für kleinere Motorflugzeuge nutzbar, im Vorjahr wurde jedoch die Start- und Landefläche asphaltiert. In Grunde bringt der Flugplatz unmittelbar keine Vorteile für die Gemeinde. Allenfalls hat die Asphaltierung den Vorteil mit sich gebracht, dass der Flugplatz jetzt leiser ist. Bei den Starts auf der alten Graspiste haben die Flugzeuge immer viel länger für den Start gebraucht und waren viel lauter.



Im Vorfeld hatten wir eine Bürgerbewegung, die die Asphaltierung nicht wollte. Die große Angst war, dass dann größere Flieger kommen und viel mehr als früher. Das haben wir entkräftet, indem wir mit der „Halterschaft Flugplatzes“, wie das heißt, einen zivilrechtlichen Vertrag abgeschlossen haben. Da wurde geregelt, dass es maximal 15 Starts pro Tag geben darf und die Maschinen maximal 5,7 Tonnen haben dürfen, also kleine einmotorige Flieger. Nicht mehr.



Wie ist das mit der bebauten Fläche? Höfen ist nicht sehr reich an Siedlungsgebieten – wie sieht es denn aus, wenn jemand bauen will?



Wir sind eine relativ kleine Gemeinde mit 836 Hektar. Wir haben rund 80 Bauplätze offen, die aber alle in privater Hand sind.



Gibt es genug Wohnraum für die Jungen? Ziehen viele Jungen weg aus Höfen?



Wir haben schon einen Abzug in die Ballungszentren – was bei uns drei Kilometer nach Reutte bedeutet. Wir versuchen für die Höfener ein neues Siedlungsgebiet zu erschließen, in dem wir von der Gemeinde aus auch ein paar Wohnblocks bauen wollen. In erster Linie wollen wir damit Wohnraum für die Jungen im Ort schaffen. Mit diesem „verdichteten Wohnbau“ haben wir auch die Möglichkeit, auf wenig Platz viel zu schaffen.



Im Grunde sind wir in einer misslichen Situation. Wenn die Jungen einmal weg sind, kommen sie kaum mehr zurück, weil die verfügbaren Baugründe alle in Privatbesitz sind. Die Jungen kaufen sich dann in einer anderen Gemeinde eine Wohnung oder einen Bauplatz.



Diese Tendenz hat aber dazu geführt, dass Höfen jetzt trotz der Nähe zum Ballungsraum – in unserem Fall der Bezirkshauptort Reutte – weniger Einwohner hat als 2001.



Mehr oder weniger heiß wird immer wieder das Thema einer zweiten Brücke über den Lech diskutiert.



Das war eigentlich schon abgehakt, ist jetzt aber durch die Fortschreibung im Raumordnungskonzept wieder aufgeflammt. Ob sie kommt oder nicht, kann ich noch nicht absehen. Von uns aus wär’s aber abgehakt.



Der Internationale Konzern Koch-Media hat seinen Sitz in Höfen. Wie viele Arbeitsplätze sind in Höfen? Pendeln die Leute hier nach Höfen ein? Oder gibt’s auch welche, die auspendeln?



Das wird ungefähr 50:50 sein. Es ist ja nicht nur Koch-Media mit 250 Arbeitsplätzen bei uns, sondern in Reutte auch das Plansee-Werk mit 2.500 Mitarbeitern, wo viele Höfener arbeiten.



Sind – oder waren – „Überling“ (Ertragsüberschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit) oder generell die Agrargemeinschaften bei euch ein Thema?



Das ist eigentlich erledigt. Es gab schon Zeiten, wo es schwierig war, aber das ist jetzt geregelt.



Höfen hat gemeinsam mit der Gemeinde Wängle auch einen Verein „Rufbus“ mit einem „Flexi-Shuttle“. Ist das sowas wie ein „Gmoa-Bus“ oder was kann man sich darunter vorstellen?



Das ist genau sowas. Wir haben das als Verein aufgebaut und funktioniert sehr gut. Der Rufbus ist unter der Woche täglich von sieben Uhr früh bis sieben Uhr Abends und Freitag und Samstag 24 Stunden durchgehend. Die Leute rufen an und bestellen eine Fahrt, werden von zuhause abgeholt, zum Einkaufen oder zum Friseur gebracht und wieder zurück gefahren.



Und das funktioniert auf Vereinsbasis?



Ja. Der Rufbus-Verein hat 1500 Mitglieder. Wenn einer davon einen Fahrdienst mit 12 Stunden macht, kann er das ganze Jahr gratis fahren. So sind wir letztes Jahr auf 15.000 Fahrten und rund 80.000 Kilometer gekommen. Und das alles mit 270 freiwilligen Fahrern.



Und wenn jemand selber nicht fahren kann, zahlt er pro Fahrt zwei Euro. Aber es gäbe auch die Möglichkeit, dass ein Familienmitglied zwei Dienste macht. Dann kann er oder sie einen Ausweis an seine Eltern oder ein Familienmitglied mit Behinderung weiter verschenken.



Die Gemeinden kaufen den Bus und kümmern sich um die Versicherung, der Rest geht über den Verein.



Auf der Gemeindehomepage ist ein Fotoalbum, das den „Gunglereinzug“ zeigt. Was sind denn die Gungler? Gibt es die nur in Höfen?



Die Gungler sind unser Faschingsverein. Der Begriff Gungler kommt von „Gunglhos“ und das leitet sich von früher ab, wo die Leute zum Fasching nicht in den Gasthäusern, sondern in den Stuben zum Tanzen zusammengekommen sind – das war ja damals viel strenger geregelt. Aber wo „Gunglhos“ herkommt, da bin ich auch überfragt.



Beim Recherchieren bin ich auch über einen Bericht gestolpert, dass die „Schafschied“ seit kurzem in Höfen stattfindet. Ist das jetzt immer so und was bedeutet so eine Traditionsveranstaltung für den Ort, der ihn organisiert?



Die Schafschied, also wenn die Schafe von den Almen herunterkommen und wieder aufgeteilt wurden, war seit Menschengedenken im Nachbarort Lech-Aschau. Aber nachdem dort immer weniger Leute waren und der Aufwand der Organisation mit dem großen Zelt immer größer wurde, wurden Alternativen gesucht. Und so sind die Jungbauern, die das organisiert haben, auf Höfen gekommen, weil bei uns mit der Hahnenkammhalle eine Halle für 700 Leute und die ganze notwendige Infrastruktur vorhanden war. Und mir war‘s Recht.



Als Stammgast der Kommunalen Sommergespräche: Was sagst du zum heurigen Motto „Denk digital, bleib kommunal“? Wie sehr betrifft deine Gemeinde das Thema? Und wirst du wieder teilnehmen?



Ich komme auch heuer wieder nach Bad Aussee. Die Digitalisierung betrifft uns alle in den Gemeinden und wir sind auch ständig dabei, das weiter auszubauen. Die Entwicklung auf dem Sektor bleibt ja nicht stehen. Und was die Diskussionen betrifft: Da lass‘ ich mich überraschen.



100 Prozent der Stimmen bei der Bürgermeister-Direktwahl 2016 sind bemerkenswertes Wahlergebnis – wie fühlt man sich, wenn man so ein in einer Demokratie eher unübliches Ergebnis einfährt?



Es stimmt ja so nicht. Und ich weiß auch nicht, warum das in der Presse immer so herumgeistert. Ich war bei der letzten Wahl der einzige Kandidat, und 79 Prozent der Wahlberechtigten haben für mich gestimmt. Die anderen 21 Prozent haben ungültig gewählt – ich hatte also nie 100 Prozent der Stimmen.



Trotzdem: Wie geht man mit so einem Votum um, wenn es keinen weiteren Kandidaten gibt? Wie schaut es auf Sicht mit einem Nachfolger aus?



Es ist derzeit kein anderer Kandidat spürbar, der den Job machen würde. Wenn ich aber einmal sage, dass ich aufhöre, wird es einen Kandidaten geben. Daran glaube ich. Es wird in Höfen nicht so sein, dass wir keinen Bürgermeister finden würden.



Auch wenn sich die Zeiten geändert haben. Bürgermeister sein ist einfach eine Herausforderung. Die Vereinbarkeit mit dem Beruf ist wirklich nicht einfach. Du musst dir den Job antun – und antun wollen!

Der Mensch hinter dem Bürgermeister



Zuhause ist für mich …



Familie, Wohlfühlen, geborgen sein.



Ein erfülltes Leben bedeutet für mich …



Erfolg haben.



Mein Lebensmotto ist:



Schuster, bleib bei deinen Leisten.



Gemeinde ist für mich …



Generell ist das kommunale Leben für mich sehr wichtig



Wenn ich einen Wunsch frei hätte, wäre das:



Gesund bleiben und noch lange Bürgermeister bleiben dürfen (lacht).



Davor hab‘ ich Angst:



Da fällt mir nichts ein.



Beschreib‘ dich mit einem Wort:



Gerechtigkeitsliebend