Ventilator wirbelt Geldscheine durcheinander - Symbolisch für Gemeindefinanzen
Sobald
Finanzbedarf ansteht, erstellt die Kommune eine digitale Ausschreibung mit den Rahmendaten des Bedarfs.
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Die digitale Zukunft der Kommunalfinanzen

Der kommunale Finanzmarkt ist in Bewegung. Zum einen hat die anhaltende Niedrigzinspolitik der Zentralbanken den gesamten Markt auf den Kopf gestellt, zum anderen etabliert sich derzeit eine neue Art der Finanzbeschaffung, die vieles einfacher und effizienter machen könnte.

Digitale Vermittlungsplattformen für kommunale Finanzen entern derzeit nach erfolgreichem Start in anderen europäischen Ländern den österreichischen Markt. Das Prinzip des Online-Finanzvergleichs, den viele Verbraucher und Unternehmen schon selbstverständlich nutzen, hält derzeit Einzug in österreichischen Rathäusern und Finanzdirektionen. Die Potenziale von Online-Plattformen für die Finanzbeschaffung gerade in Zeiten des strukturellen Wandels und der aktuellen Transparenz-Offensive im öffentlichen Bereich sind aus mehreren Gründen hoch.

Das traditionell niedrigmargige Kommunalgeschäft wird zunehmend unattraktiver für Banken, und diese ziehen sich aus dem Markt zurück. Die kommunale Nachfrage bleibt jedoch bestehen und wächst sogar, während dabei der immer stärker werdende Ruf nach Transparenz und Compliance neue Herausforderungen stellt.

Gemeinden sind sichere Kunden für Banken

Dabei ist es nicht so, dass Kommunen keine attraktiven Kunden für Finanzinstitute wären. Mit einer Bonität auf dem Niveau der Staatsanleihe sind Kommunen sehr sichere Häfen für die Kapitalanlage. Auslandsbanken, Versicherungen, Pensionskassen und andere institutionelle Langfristanleger haben Interesse an der Finanzierung der öffentlichen Hand. Auch großvolumige kommunale Guthaben sind für viele Banken als Tages- oder Festgeld-Einlagen trotz der Niedrigzinsphase ein attraktiver Bestandteil der Refinanzierung.

Digitalisierung bringt Angebot und Nachfrage zusammen

Angebot und Nachfrage müssen nur effizient zusammengebracht werden. Eine mögliche Lösung dafür könnte die in aller Munde befindliche Digitalisierung bieten. Die Start-up-Welt ist auf die kommunalen Finanzmärkte aufmerksam geworden und Innovationen aus dieser Richtung kommen aus Sicht vieler genau zur richtigen Zeit.

Diverse Anbieter für Online-Finanzplattformen (wie etwa CommneX) stellen sich derzeit in Österreich auf mit verschiedenen innovativen und transparenten Plattformlösungen für die Finanzdirektionen. Derzeit gibt es einige Anbieter, die in diesen Markt starten. Die schnelle Verbreitung in anderen Ländern spricht für eine schnelle und weite Akzeptanz auch in Österreich.

Die Innovation Online-Plattform

Der bisherige Prozess der Finanzbeschaffung in den Finanzdirektionen erfolgt vielfach noch per Fax oder über E-Mail-Verteiler. Die Bearbeiter erstellen im Fließtext eine Definition des Finanzbedarfs, versenden diese per Fax an einige bekannte oder regional ansässige Banken und haben dann Mühe, verschiedene eingehende Angebote über unterschiedliche Laufzeiten, Zinsbindungen und Tilgungsstrukturen zu vergleichen.
Welcher Finanzdirektor ist noch nicht schier wahnsinnig geworden bei der Vergleichsrechnung mehrerer Angebote über verschiedene Tilgungsvarianten, Zinsmethoden und -bindungsfristen?

Diesen Prozess erleichtert die digitale Plattform: Die Kommune erstellt sich bei Registrierung auf der Plattform ein Profil und gibt etwa Kontakt, Ansprechpartner sowie finanzielle Haushaltsdaten an. Dazu kann die Kommune Haushalte und weitere Unterlagen hochladen.

Sobald Finanzbedarf ansteht, erstellt die Kommune eine digitale Ausschreibung mit den Rahmendaten des Bedarfs (Volumen, Auszahlungsdatum, Laufzeit, präferierte Tilgungsstruktur etc.). Dies erfolgt einfach und standardisiert durch smarte Eingabemasken mit ein paar Klicks und Eingaben. Dazu setzt die Kommune eine Ausschreibungsfrist für die Angebote und veröffentlicht die Ausschreibung.

Die Finanzinstitute auf der anderen Seite sehen die Ausschreibungen und werden über einen E-Mailfilter benachrichtigt, sobald ein passendes Projekt für das individuelle Portfolio erscheint. Das Finanzinstitut kann auf der Plattform die Ausschreibung, Profile, Finanzkennzahlen der Kommune und Anlagen, Haushalte und Genehmigungen prüfen. Kommune und Finanzinstitut können sich zudem über ein Messaging-Tool austauschen, Dokumente übermitteln und dynamisch die Angebote verhandeln. Das Finanzinstitut gibt dann ggf. innerhalb der Ausschreibungsfrist ein Angebot ab.

Die Kommune erhält die eingehenden Angebote strukturiert und vergleichbar aufgestellt. Ein Kreditrechner errechnet automatisch die entscheidungsrelevanten Zinsdaten, und die Kommune kann sich das passende und günstigste Angebot einfach aussuchen.
Der Vertragsschluss erfolgt dann wie bisher bilateral zwischen Finanzinstitut und Kommune. Die Plattformen erstellen automatisch Reportings für Stadt- oder Gemeinderat und legen alle Dokumente und Nachweise sowie die Nutzungshistorie gesichert ab.
Neben diesem gemeinsamen einfachen Grundprinzip unterscheiden sich die Anbieter vor allem in der Produktbandbreite und ihrer Vergütungspolitik.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Ein großes Thema bei derartigen Angeboten ist derzeit natürlich die Datensicherheit. Finanzinformationen sind heikle Daten, die nicht in falsche Hände oder die Öffentlichkeit gehören. Wie jeder Private oder jedes Unternehmen muss auch die Kommune als öffentliche Körperschaft genau darauf achten, welche Informationen öffentlich gemacht werden und was vertraulich und gesichert verarbeitet werden muss. Der Anbieter der Online-Plattform muss entsprechenden Datenschutz gewährleisten und nachvollziehbar machen, was mit den Daten geschieht und wie diese verarbeitet werden.

Ein Blick in die AGB, insbesondere Datenschutzvereinbarungen geben da eine erste Auskunft. Unternehmen sind verpflichtet, über die Verarbeitung von Daten Auskunft zu geben und eine gezielte Nachfrage bringt oft schnelle Informationen. Auch der Speicherort der Daten ist wichtig und sollte gegebenenfalls nachgefragt werden. Grundsätzlich gilt, Speicherung innerhalb der EU sollte akzeptabel sein, da die EU vergleichbaren Datenschutzstandards unterliegt.

Ausblick & Vision

Die Digitalisierung ist keine vorübergehende Laune des Zeitgeistes und sie macht auch vor den kommunalen Amtsstuben nicht halt. Verbrauchern und Unternehmen bringen digitale Finanzplattformen bereits Vorteile und Zinsersparnisse in Millionenhöhe pro Jahr. Warum sollte das in der kommunalen Welt nicht auch funktionieren?

Die digitalen Plattform-Pioniere haben sich natürlich mit dem kommunalen Markt ein sehr althergebrachtes Feld mit gewachsenen Strukturen und Verbindungen ausgesucht, die es zu überzeugen gilt. Aber gerade der kommunale Markt eignet sich für eine Standardisierung und eine Plattformlösung besonders: Die Vertragsgestaltungen sind einheitlich und wenig komplex, eine Bonitätsprüfung ist anhand weniger Kennzahlen möglich und Kommunen sind ausfallsicher. Österreichische Kommunen sind auch für Auslandsbanken ein interessanter Markt, da hier etwa im Vergleich zu Deutschland noch deutlich höhere Zinsen üblich sind. Warum also nicht einmal einen günstigen Kredit mit einem deutschen Anbieter grenzüberschreitend abschließen?

Gleichzeitig fordern die Grundgedanken des Vergaberechts die Ansprache möglichst vieler Anbieter für ein bestmögliches Angebot. Sobald sich die digitalen Anbieter in der Beschaffung durchsetzen, bieten sie die wirtschaftlichen Vorteile einer breiten, bundesweiten Ausschreibung ohne die bürokratischen Nachteile.

Für die Kommunen und ihre Unternehmen kann das nur positiv sein, auch als zusätzlicher Kanal der Ansprache und der Vergleichbarkeit, und wenn der zusätzliche Kanal eher Aufwand verringert als schafft und die Effizienz und Transparenz erhöht, könnte in den Plattform-Modellen schneller als viele denken die Zukunft der kommunalen Finanzbeschaffung liegen.