Innervillgraten
Keine Skilifte, trotz Schneesicherheit – das war eine bewusste Entscheidung für sanften Tourismus in Innervillgraten. Dafür lieben die Urlaubsgäste den Ort mit seinen alten Bergbauernhäusern und denkmalgeschützten Almdörfern. Doch die veränderte Landwirtschaft, die mindergenutzten Höfe und der rare Boden fordern die Kreativität der Einheimischen.
© LandLuft Lippzahnschirm Raneburger

„Boden g’scheit nutzen“

Die Baukulturgemeinde Innervillgraten

16. Mai 2022
Das Bergdorf Innervillgraten in Osttirol hat 995 Bewohnerinnen und Bewohner. Ihnen gelingt der Erhalt ihrer einzigartigen Kulturlandschaft mit sanftem Tourismus und einer ideenreichen Nachnutzung der großen alten Bauernhöfe.

„Eines unserer großen Ziele ist es, die Bevölkerung in Innervillgraten zu halten. Wir wollen, dass die Leute dableiben und sich entwickeln können“, erzählt der Raumplaner Thomas Kranebitter. Den Spagat zu schaffen zwischen den Bedürfnissen junger Menschen nach Wohnraum und Arbeit einerseits und einem sensiblen Umgang mit begrenztem Siedlungsraum andererseits, ist eine Herausforderung.

Josef Lusser
„Wir haben nur gewisse Bereiche, wo wir siedeln können, und die müssen wir bestmöglich nutzen.“ Josef Lusser, Innervillgratens Bürgermeister, vor einem Projekt für leistbares Wohnen im Ortskern.

Die leer stehenden Höfe, die keine Nachfolge finden, sind mehr geworden. Aktivitäten wie die Leerstandskonferenz „Leerstand ab Hof“, ein Projekt über zeitgemäßes, generationenübergreifendes Wohnen in Bauernhäusern oder Kooperationen mit Universitäten sollen neue Lösungen in den Ort bringen.

Dorfladen und mehr

Und die Offensive fruchtet. So geht beispielsweise die Idee, ein kleines ehemaliges Geschäft gegenüber der Kirche als „dorf.ladele“ für bäuerliche Produkte und Handwerk wiederzueröffnen, auf einen Bürger­beteiligungsprozess zurück. Der hintere Teil des Hauses wurde mit heimischem Handwerksgeschick für eine touristische Nutzung gestaltet. Und auch für das Obergeschoß gibt es Pläne: ein Co-Working-Space für Einheimische und „Coworkation“, eine Kombination aus Arbeit und Urlaub, sollen entstehen.

dorf.ladele
Dank Bürger:innen-Initiative entstand im Ortskern das „dorf.ladele“ für Produkte und Handwerk aus der Region. Im Ort findet man Tischlereien, eine Glasbläserwerkstatt, eine architektonisch herausragende Dorfschmiede, einen Besen- und Bürstenmacher, eine Schneiderei und hochwertige Schafwollverarbeitung. Die alpine Handwerkskunst wird in Schulungen an die Bevölkerung weitergegeben. Foto: Eduard Senfter

Wohnbau statt Chalets

Das Interesse eines Investors an einem Leerstand im Zentrum weckte den Beschützerinstinkt der Gemeinde. Anstatt des geplanten Hotels mit Chalets wurden Häuser mit leistbaren Wohnungen errichtet. „Boden g’scheit nutzen“ heißt die Devise. An anderen Stellen konnten leer stehende Höfe unter Verwendung heimischer Materialien revitalisiert werden.  

Und das sagt die Jury

Die Gemeinde Innervillgraten erhält eine Anerkennung, weil …

… bei der Sanierung von alter Bausubstanz hohe handwerkliche Qualität beweist und lokale Materialien verwendet.
… sie sich aktiv mit der Nachnutzung von Leerstand auseinandersetzt und dazu verschiedene Formate ausprobiert.
… sie Studierende in ihre Entwicklung einbindet und so neues Wissen in den Ort bringt. 

Die Jury empfiehlt Innervillgraten, den Weg der Auseinandersetzung mit Leerstand weiterzugehen. Gleichzeitig sollten aktive Bodenpolitik und längerfristige räumliche Planungsziele in den Fokus rücken. 

Giatla-Haus
Das Giatla-Haus, ein landwirtschaft­liches Gebäude aus dem 17. Jahrhundert, wurde in hoher architektonischer und handwerk­licher Qualität renoviert. Der preisgekrönte Umbau beherbergt nun als Haus-im-Haus-System vier Ferienwohnungen.

Checkliste

  • örtliches Entwicklungskonzept
  • aktive Bürger*innenbeteiligung

Facts

Innervillgraten

  • Gemeindefläche: 87,79 km²
  • Einwohner:innen: 995
  • Hauptwohnsitze: 907
  • Zweitwohnsitze: 88
  • Arbeitsplätze (2020): 128
  • Nächtigungen (2019): 55.448