Paracelsus-Bad Salzburg
Das Paracelsus-Bad der Stadt Salzburg musste wegen Baumängeln bis Jahresende geschlossen werden, obwohl es erst vor vier Jahren eröffnet wurde, und Baukosten in Höhe von rund 58 Millionen Euro verschlang
© Paracelsusbad/Ch.Woeckinger

Gemeinde-Infrastruktur

Bädernot schlägt Wellen

Die kommunale Bäderinfrastruktur in Österreich wird seit etlichen Jahren immer schlechter, und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Eine Lösung für diese prekäre Situation erfordert ein grundsätzliches Umdenken.

Es war ein freudiger Anlass und eine schöne Bestätigung für ein umfangreiches Projekt, als der „Stadtsee Horn“ und das dafür verantwortliche Landschaftsarchitekturbüro YEWO Landscapes am 11. Oktober 2023 beim „Staatspreis Consulting-Ingenieurconsulting 2023“ des Wirtschaftsministeriums mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet wurde. Das Horner Freibad-Areal wurde zum Erholungsraum Stadtsee umgebaut, der nicht nur für Badegäste während des Sommers geöffnet ist, sondern ganzjährig und ohne Eintrittsgeld zugänglich ist. „Mit dem Stadtsee wurde ein neues Stadtviertel mitten in Horn geschaffen, das sicher eine Einmaligkeit besitzt“, erklärt Bürgermeister Gerhard Lentschig.

Stadtsee Horn
Das Horner Freibad-Areal wurde aufwändig zum Erholungsraum Stadtsee umgebaut. Bundesweit gesehen sind größere Investitionen in die Bäderinfrastruktur allerdings rar.  

Das neue Viertel lädt zum Baden oder Verweilen am Wasser ein, dient als Park oder für Events auf der Stadtseebühne. Die beiden vorhandenen Teiche sind nun zum Baden und Schwimmen geeignet.

Die große Wasserfläche mitsamt der 100-Meter-Bahn, dem Holzspielturm und vielen weiteren Attraktionen ist mit Holzstegen umfasst, die ebenso wie die Rasenfläche als Liegeplätze dienen. Im „Südsee“ gibt es für Kinder zudem einen eigenen Bereich zum Spielen, Plantschen und „Gatsch“-hüpfen. Zweifellos ist die Schaffung des Badeareals, auch wenn sie nun kein Freibad im herkömmlichen Sinne mehr ist, ein Gewinn für die Bevölkerung in Horn und Umgebung.

Dennoch können einzelne Leuchtturm-Projekte wie dieses nicht darüber hinwegtäuschen, in welche Richtung sich die Bäderlandschaft in Österreichs Gemeinden entwickelt. Seit Jahren wächst der Investitionsrückstau bei der Bäderinfrastruktur immer mehr an. Experten warnen seit langem vor einer Zuspitzung der Lage und auch für den Autor dieser Zeilen ist es bei weitem nicht der erste Artikel zu dieser Problematik.    

Hallenbäder sind immer ein Verlustgeschäft

Eines ist klar: kommunale Schwimmbäder sind defizitär. In Österreich gibt es keine Gemeinde, die ein Hallenbad gewinnbringend betreiben kann. Natürlich gibt es auch Freibäder, Naturbadeanlagen, Schwimmteiche, Flussbäder und andere Formen von Bademöglichkeiten, die in ihrem Betrieb und der Erhaltung weniger zu Buche schlagen als ein Hallenbad. Wie viele es sind, weiß übrigens niemand so genau, denn es gibt kein Verzeichnis, das sämtliche öffentliche Badeanlagen in Österreich auflistet. 

In der Diskussion um den Zustand der heimischen Bäder, muss nach deren Funktion differenziert werden. Als Freizeiteinrichtung taugt ein Bad bald einmal, auch wenn es nur saisonal genutzt werden kann, wie es bei der großen Mehrheit der (Frei)bäder der Fall ist. Für Vereine, Schulschwimmen, Leistungssport, oder auch nur Privatpersonen, die die gesündeste Form der körperlichen Ertüchtigung mehr als fünf Monate im Jahr ausüben wollen, sind wetterunabhängige Hallenbäder jedoch ein Muss.Und genau da hapert es gewaltig.

Je kleiner das Bad, desto weniger kostendeckend

Der Kostendeckungsgrad von Hallenbädern beträgt im Schnitt um die 30 bis 40 Prozent. Dabei gilt, je kleiner die Wasserfläche, desto geringer die Kostendeckung.

Oft stellt Hallenbäder eine maßgebliche Ausgabenposition in den kommunalen Haushalten dar, und nachdem sie nicht zur unmittelbaren Daseinsvorsorge zählen, wird bei ihnen der Sparstift besonders gerne angesetzt.

Für die meisten Gemeinden ist allein der Betrieb eines Hallenbades schon ein Luxus, den man sich zum Wohle der Bevölkerung leistet. Steht dann allerdings irgendwann eine Sanierung an, übersteigen die Kosten schnell die finanziellen Möglichkeiten. Insbesondere in kleineren Gemeinden bis zu 10.000 Einwohnern ist das der Fall. In solchen befinden sich mehr als die Hälfte aller Bäder, und diese werden zu 90 Prozent in Eigenregie betrieben. 

Energie- und Baukosten verschärfen das Problem 

Das Problem ist nicht neu, hat sich aber in den letzten Jahren aus mehreren Gründen verstärkt. Zuerst war da eine Pandemie, die eklatante Einnahmenausfälle, zeitweise bis zu 100 Prozent, verursachte. Darauf folgte der Energiekostenanstieg, der den Betrieb verteuerte. Annähernd zeitgleich gingen die Baustoffpreise in lichte Höhen, die von allfälligen Sanierungen absehen ließen.

Dieser Instandhaltungsrückstau kumuliert nun mit einem weiteren Umstand, den der Experte für Freizeitbetriebe, Martin Mayerhofer, erklärt: „In den 70er Jahren wurde eine hohe Dichte an Bädern gebaut, die als solche, da auch in die Jahre gekommen, schrittweise geringer Eintrittszahlen und hohe bzw. steigende Kosten verzeichnen. Viele davon sind an ihrem „Lebensende“ angelangt. Sie sind rund 50 Jahre alt und hohe Sanierungsinvestitionen stehen an.“

Immer mehr Bäder müssen schließen

Die logische Konsequenz, wenn ein Schwimmbad nicht saniert und somit erhalten werden kann, ist die Schließung und genau das passiert nun immer häufiger. Zwar ist die Badeinfrastruktur für die wenigsten Österreicher ein entscheidendes Wahlmotiv. Die Frequenz, mit der in den letzten Monaten Schwimmbäder geschlossen wurden, schlägt nun aber auch politisch Wellen.

Alleine in Tirol wurde heuer die Schließung von fünf Bädern verkündet. Mitte November wurde daher das „Schwimmbadsterben“ zum Thema der Aktuellen Stunde im Landtag gemacht. 

Landeshauptmann und Finanzreferent Anton Mattle wurden von der Opposition 11.000 Unterschriften einer Online-Petition überreicht, die „Keine Schließung der Tiroler Hallenbäder“ fordert. Sportlandesrat Georg Dornauer versicherte daraufhin, dass man sich zu den Einrichtungen bekenne, und man alles daransetzen werde, die finanziellen Mittel zu investieren. Diese sollen von Land, Gemeinden und Tourismus kommen. Grundlage dafür solle eine Bäderstudie liefern, deren Beauftragung sich aber verzögert habe.

Für etliche Bäder in Tirol kommt das jedoch vermutlich zu spät. Im Verlauf des heurigen Jahres wurden bereits die Hallenbäder in St. Ulrich am Pillersee (Bezirk Kitzbühel), in Ehrwald im Außerfern, sowie in Neustift im Stubaital für immer geschlossen.

 Olympiabad in Seefeld
≥ Das Olympiabad in Seefeld macht ab 31. März 2024 dicht, nur noch der Saunabereich soll offen bleiben. Durch die Schließung der Wasserfläche könnten bis zu 700.000 Euro an operativem Abgang pro Jahr eingespart werden, sagt Vizebürgermeister Andreas Steiner.

Auch in zwei Orten, in denen für die olympischen Winterspiele 1976 jeweils ein Schwimmbad eröffnet wurde, hat es sich ausgeschwommen. In Axams wurde bereits vor dem Winterbetrieb die Reißleine gezogen und in Seefeld ist nach diesem Winter Schluss. Hauptgrund ist auch dort die finanzielle Schieflage der Gemeinde. Durch die Schließung der Wasserfläche könnten bis zu 700.000 Euro an operativem Abgang pro Jahr eingespart werden, sagt Seefelds Vizebürgermeister Andreas Steiner.

„Schwimmhallen“ sind nicht mehr zeitgemäß

In Tirol befänden sich zahlreiche Gemeinen dabei eigentlich noch in einer vergleichsweise guten Ausgangsituation möchte man meinen, da durch den Tourismus verstärkt auch Gäste von Außerhalb die Bäder besuchen.

Doch „die Frequenz in Bädern hängt vorrangig von deren Einzugsbereich und Attraktivität ab. Kleinere Bäder werden von touristischen Gästen meist nur als ergänzende Alternative angenommen“, erklärt Martin Mayerhofer. Viele Hallenbäder seien im Konzept nicht mehr zeitgemäß bzw. als „Schwimmhallen“ rein für Schwimmer konzipiert und für Freizeit-Badegäste nur bedingt attraktiv. Dementsprechend sind die Frequenzen äußerst gering, was in Summe zu einem in Relation zur Frequenz hohen Zuschussbedarf führt.

Immer weniger können schwimmen

Freibäder sind im Sommer für Familien mit Kindern oftmals wichtiger, obwohl Hallebäder als Daseinsvorsorge für Schüler und Vereine eigentlich besser zu argumentieren wären. Die Zahl der Nichtschwimmer in Österreich steigt nämlich. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen herrscht Nachholbedarf:

Jeder Zehnte zwischen fünf und 19 Jahren kann nicht schwimmen. Sieben Prozent der Gesamtbevölkerung (ab fünf Jahren) sind Nichtschwimmer -in absoluter Zahl rund 600.000 Betroffene. Die Verfügbarkeit von Hallenbädern für Schwimmkurse, und seien es nur die benannten „Schwimmhallen“ ist dennoch abnehmend.

Nur mehr ein Hallenbad in Salzburg für Schimmkurse

Das Paracelsus-Bad der Stadt Salzburg musste wegen Baumängeln bis Jahresende geschlossen werden, obwohl es erst vor vier Jahren eröffnet wurde, und Baukosten in Höhe von rund 58 Millionen Euro verschlang. Doch Mitte Juli 2023 musste zunächst das Familienbecken geschlossen werden, weil ein Teil der Wellendecke herabhing und seit Ende Juli ist das Bad nun komplett zu. Damit hat die gesamte Stadt Salzburg nur noch ein Hallenbad, das Aya-Hallenbad im Süden der Stadt - es ist nun das einzige Schwimmbad, das für Schwimmkurse zugänglich ist. 

Kaum 50-Meter-Becken

Die Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten für Vereine und Leistungssportler sind in Österreich noch schlechter. Die überdachten 50-Meter-Becken kann man bundesweit an einer Hand abzählen. Eines befindet sich in der Wiener Stadthalle, die anderen in der Südstadt, im Stadionbad, sowie in Linz und in Graz. Dazu kommen noch zwei Bahnen in Salzburg, auf denen sich zumindest trainieren lässt.

Große Bäder sind attraktiver

Die zentrale Frage lautet: wie können die Gemeinden die triste Bädersituation verbessern?  Denn auch wenn die Bundesländer fallweise Unterstützung versprechen, wird die Verantwortlichkeit für die chronisch defizitären Bäder bei den Gemeinden verbleiben. Die realistischste Lösung scheint in der interkommunalen Zusammenarbeit zu finden sein.

Martin Mayerhofer,
Martin Mayerhofer, Geschäftsführer bei Kohl & Partner, und Experte für Freizeitbetriebe: „Der Trend sollte eher zu größeren, überregionalen Bädern gehen.“

Das meint auch Martin Mayerhofer. Gefragt, warum und unter welchen Umständen eine Gemeinde heutzutage überhaupt noch ein Bad errichten sollte, sagt er: „Wenn Bedarf besteht, da keine Alternativangebote (mehr) vorhanden sind, dann abgestimmt auf die Region sowie in überregionaler Zusammenarbeit. Ich denke, dass es verantwortungsvoll ist, bevor Steuergelder für die Sanierung oder den Neubau von Bädern in die Hand genommen werden, den Bestand und Bedarf in einer Region zu erheben. Der Trend sollte eher zu größeren, überregionalen Bädern gehen, die auch touristisch attraktiv sind und nachgefragt werden. Die Anlagen sollten eine entsprechende Frequenz-Auslastung aufweisen – nur alles zu erhalten, weil es immer schon so war, wäre nicht als verantwortungsvoll einzustufen.“

Gemeindekooperationen bei Bädern

Das „Regionalbad Gänserndorf“, das Anfang 2020 eröffnet wurde, ist ein gutes Beispiel dafür. In einer österreichweit einzigartigen Gemeindekooperation beteiligen sich daran über 30 Gemeinden mit jeweils einem Euro pro Einwohner und Jahr. Solche Modelle werden vermehrt angesprochen und schrittweise z.B. in NÖ auch gefordert, die Umsetzungen lassen aber noch auf sich warten. 

Für neue Bäder mit überregionaler Abstimmung stellen sich immerhin viele Fragen. Etwa über den Standort, wer sich wie hoch daran beteiligt, usw. Mit unterschiedlichen Gemeinden und politischen Kräften ist es nicht leicht eine Einigung zu erzielen, zumal die Bäder laufende Zuschüsse brauchen. Dennoch dürfte es nach übereinstimmenden Aussagen von Experten der wahrscheinlichste Weg sein, der beschritten werden muss, um ein flächendeckendes Angebot an ganzjährigem Schwimmen aufrechtzuerhalten bzw. wieder herzustellen.“