Es geht um Chancengleichheit, Vielfalt und darum, dass die Hälfte der Bevölkerung bei politischen Entscheidungen vertreten ist.
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Gleichstellung

Warum gibt es so wenige Frauen in der Kommunalpolitik?

Die Kommunalpolitik ist leider bis heute eine Männerdomäne, das zeigt der geringe Frauenanteil unter den Bürgermeister:innen: In Österreich sind gerade 10,5 Prozent aller Gemeinden in weiblicher Hand. Das ist deshalb problematisch, weil die Hälfte der Bevölkerung mit ihren Bedürfnissen und Lebensrealitäten nicht abgebildet wird. Doch wie bringt man mehr Frauen in die Kommunalpolitik? Eine Studie aus Südtirol zeigt Handlungsfelder auf.

Der Beirat für Chancengleichheit & Frauenbüro der Autonomen Provinz Bozen–Südtirol hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Public Management, Eurac Research Bozen eine Studie zum Thema „Frauen in der Gemeindepolitik“ erstellt.

In der Diskussion um die Frauenquote kommt hin und wieder die Frage auf, warum es überhaupt mehr Frauen in der Gemeindepolitik braucht. Die Antwort ist klar: Es geht um Chancengleichheit, Vielfalt und darum, dass die Hälfte der Bevölkerung bei politischen Entscheidungen vertreten ist.

Es ist wichtig, Unterschiede anzuerkennen, vor allem in der Perspektive und Lebensrealität der Menschen. Frauen bringen nun mal andere Erfahrungen mit als Männer, auch wenn sie dieselbe Erziehung oder Ausbildung genossen haben. Gerade in der Kommunalpolitik ist durch die Nähe zu Bürger:innen die Mitarbeit aller Geschlechter unabdingbar. Davon ausgehend befasst sich die Studie mit der Frage, warum Frauen in der Südtiroler Kommunalpolitik unterrepräsentiert sind und was man dagegen tun kann.

Von Ist zu Soll

Aktuell gibt es in Österreich unter 2.093 Gemeinden 220 Bürgermeisterinnen – ein Anteil von 10,5 Prozent. Die Zahl der Vizebürgermeisterinnen wird auf rund 500 geschätzt und die Zahl der Mandatarinnen in den Gemeinden auf rund 10.300 von insgesamt 39.330. Insgesamt liegt der Anteil der Frauen in der Kommunalpolitik bei etwa einem Viertel.

In 13 von 116 Südtiroler Gemeinden steht im Jahr 2020 eine Frau an der Spitze – das sind 11 Prozent – ähnlich wie in Österreich und auch in Deutschland, wo der Anteil etwa 9 Prozent beträgt. In der Schweiz sind schätzungsweise etwa 20 Prozent Frauen in der Gemeindeexekutive, der oberste Posten als Gemeindepräsident:in ist zu 16 Prozent von Frauen besetzt.

Diese Zahlen machen deutlich, dass in punkto gleichwertige Repräsentation in der Politik noch viel zu tun ist. Doch woran liegt der geringe Anteil an Frauen in der Lokalpolitik?

Als Hürden gaben eine große Anzahl an Mandatarinnen Folgendes an:

  • die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf,
  • die Gesellschaft, die Frauen weniger zutraut,
  • die Politik als Männerdomäne mit den männlich geprägten Umgangsformen und Organisationskulturen,
  • die traditionellen Rollenbilder,
  • das Wahlverhalten von Frauen und Männern,
  • die fehlende Unterstützung in den Parteien und im persönlichen Umfeld,
  • das mangelnde Selbstvertrauen und Interesse an politischen Ämtern der Frauen.

Zu diesen Faktoren kommt auch die Belastung durch das Amt: Die politische Tätigkeit selbst wird des Öfteren als sehr belastend empfunden. Der hohe Zeitaufwand, die Bürokratie, die mangelnde Wertschätzung mancher Mitbürgerinnen und -bürger, die nicht ernst genommene Mitsprache sowie die Machtspiele der männlichen Politiker seien kräftezehrend, erklärten Befragte in der Umfrage. Das deckt sich mit den Ergebnissen einer ähnlichen Umfrage unter österreichischen Bürgermeister:innen.

Motivatoren für die Kommunalpolitik

In der Eurac-Studie wurde auch abgefragt, was den Politikerinnen an ihrem Amt gefällt:

  • Meinungen, Ideen und Ansichten einzubringen,
  • sich um Gemeinde sowie Bürgerinnen und Bürger zu kümmern,
  • in Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern zu treten,
  • besser informiert zu sein, über das Gemeindegeschehen Bescheid zu wissen
  • und sich weiterbilden zu können,
  • der Kontakt mit anderen Kommunalpolitikerinnen und -politikern,
  • die Herausforderung und die Verantwortung.

Diese Motivatoren sind besonders vor dem Hintergrund des allgemeinen Nachwuchsproblems in der Kommunalpolitik hervorzuheben. Die Studie identifiziert bestimmte Handlungsempfehlungen für Gemeinden, um mehr Frauen zu gewinnen.

Handlungsfelder für Gemeinden - Wo kann man ansetzen?

Maßnahmen im politischen und im vorpolitischen Raum

Das zielt vor allem auf Vereine ab, wo sich bekanntlich viele Frauen bereits ehrenamtlich engagieren. Ehrenamtliche Arbeiten sind wichtig für die Bekanntheit der Personen und gleichzeitig ein Sprungbrett, da bereits engagierte Frauen auch eher politisches Engagement an den Tag legen als jene, die sich nicht einbringen. Die Politik kann daher Ehrenämter als Quelle für Nachwuchs nutzen und mit dort engagierten Frauen in Kontakt treten. Der Österreichische Gemeindebund hat zu diesem Zweck auch die Kampagne „Engagement zahlt sich aus“ ins Leben gerufen, mit der dem Ehrenamt mehr Wertschätzung entgegengebracht werden soll.

Konkret bedeutet das für Gemeinden beispielsweise, aktiv den Austausch mit Vereinen zu suchen, sogenannte Frauenbeauftragte in den Vereinen ernennen, die den Austausch von Frauen fördern, oder etwa Frauenstammtische bzw. Netzwerk-Cafés für den Austausch von Frauen aus unterschiedlichen Vereinen oder Bereichen zu etablieren.

Auch in den Schulen kann man bereits anfangen, junge Menschen mit der Politik in Kontakt zu bringen. Das Projekt „Girls in Politics“, bei dem Mädchen und junge Frauen einen Tag lang eine Bürgermeisterin oder einen Bürgermeister begleiten, ist ein gutes Beispiel dafür. Doch auch allgemeine Besuche von Politikerinnen und Politikern in der Schule oder die Errichtung eines Schülerparlaments sind gute Ansätze, um junge Menschen mehr für die Möglichkeiten politischer Partizipation zu sensibilisieren.

Als wichtige Voraussetzung für politisches Engagement von Frauen gilt auch eine familienfreundliche Politikkultur. Dazu zählen beispielsweise alternative Sitzungszeiten etwa am Nachmittag oder in Mittagspausen, anstatt der „traditionellen“ Sitzungen am Abend. Auch Betreuungsangebote für Kinder sind ein Faktor.

Vieles, was man über die Politik aus den Medien erfährt, wirkt abschreckend. Aus diesem Grund sind Kommunikations- und Imagekampagnen, die vor allem die positiven Seiten von politischen Gestaltungsmöglichkeiten hervorheben, wünschenswert. Durch aktive Mandatarinnen als Testimonials solcher Kommunikationskampagnen wird der Politik ein vielfältiges weibliches Gesicht gegeben.

Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt

Die schwierige Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt gilt bei den Gemeindepolitikerinnen als einer der Hauptgründe für die Benachteiligung von Frauen in der Politik – und ist somit auch eine der wesentlichen Ursachen für den geringen Frauenanteil in diesem Bereich.

Um hier anzusetzen, braucht es in erster Linie ein Aufbrechen von Stereotypen: In Coaching Programmen von Frauen für Frauen können aktive Politikerinnen Neueinsteigerinnen Tipps geben und sie an weniger „frauentypische“ Ressorts heranführen – also statt den sozialen Agenden auch einmal Bau- oder Mobilitätsressorts schmackhaft machen. Gleichberechtigte Familienarbeit und flexible Betreuungsdienste sind – wie bereits erwähnt – laut Studie eine wichtige Voraussetzung.

Chancen bietet durchaus auch der Umbruch in der Arbeitswelt: Nicht nur in Unternehmen, sondern auch im öffentlichen Dienst werden flexible Arbeitszeitmodelle verstärkt eingefordert und üblich werden. Als Bürgermeister:in ist es in Österreich aufgrund der meist nebenberuflich ausgeübten Tätigkeit ohnehin bereits gang und gäbe, sich die Arbeitszeiten flexibel einzuteilen.

Maßnahmen zur Schaffung institutioneller und rechtlicher Rahmenbedingungen

Trotz aller softer Faktoren hat sich im internationalen Vergleich immer wieder gezeigt, dass klare rechtliche Vorgaben – auch wenn sie radikal erscheinen – langfristig zu einer höheren Frauenquote und verbesserten Rahmenbedingungen geführt haben.

Zu solchen Maßnahmen zählt die Listenquote, das Reißverschlussprinzip und die sogenannte „Geschlechtergerechte doppelte Vorzugsstimme“, bei der eine Vorzugsstimme jeweils an das männliche und an das weibliche Geschlecht gehen muss. Dies gibt es in Italien bereits auf Staatsebene und wäre auch auf kommunaler Ebene ohne Schwierigkeiten umzusetzen.

Auch in den Gremien können, so die Studie, einige Maßnahmen zur Frauenförderung gesetzt werden, wie beispielsweise durch Vergrößerung von Ausschüssen, um mehr Frauen die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen, oder durch eine Stellvertreterquote: Bei einem männlichen Bürgermeister müsste demzufolge eine Frau das Amt als Vize einnehmen und umgekehrt.

Die Autor:innen der Studie betonen jedoch: Alle rechtlich-institutionellen Maßnahmen laufen ins Leere, wenn sie nicht mit einer gesellschaftlichen Einstellungsänderung einhergehen. Ein wichtiger Ansatzpunkt sei dabei die Kultur innerhalb der Parteien. Auch dort brauche es Quoten. In kleineren Gemeinden hätten auch Einheitslisten Potenzial, weil dann erfahrungsgemäß mehr Frauen kandidieren.

Maßnahmen zur Vernetzung der Frauen untereinander und Medienarbeit

Vernetzung ist für die Informations- und Wissensvermittlung enorm wichtig. Vor allem für Neueinsteigerinnen in die Gemeindepolitik ist sie bedeutend, um Selbstsicherheit aufzubauen bzw. diese zu stärken. Aus vielen Studien geht hervor, dass sich neue Politikerinnen oft mehr Unterstützung und Austausch wünschen, da dies viel zur persönlichen Ermutigung beiträgt. Ein solches Netzwerk bildet etwa die österreichische Bürgermeisterinnengruppe, die sich seit 2007 alljährlich in einer anderen Gemeinde in Österreich trifft.

Als weitere Vorschläge zur Vernetzung von Politikerinnen untereinander nennt die Studie Patenschaften zwischen Neueinsteigerinnen und erfahrenen Politikerinnen.

Wichtig sei auch proaktive Öffentlichkeitsarbeit, die die mediale Präsenz von Frauen fördert. Anzudenken wären etwa Politikerinnen-Touren oder ein spezieller Preis für Nachwuchspolitikerinnen. Auch die geschlechtergerechte Sprache wird als wichtiger Punkt genannt, um Frauen sichtbar zu machen – egal ob mit Binnen-I, Gendersternchen, Doppelpunkt oder durch Ausschreiben beider Geschlechter.

Fazit

Aus der Studie geht deutlich hervor, was ohnehin bekannt ist: Es gibt noch viel Luft nach oben bei der Gleichstellung in der Kommunalpolitik. Verglichen mit den Erfahrungen der österreichischen Bürgermeisterinnen zeigt sich, dass es hierzulande in punkto gesellschaftlicher Rollenbilder noch viel zu tun gibt. Die Eurac-Studie zeigt jedoch auch, dass neben den klar ersichtlichen Maßnahmen wie Quoten- und Reißverschlusssystemen, die auch eine gesellschaftliche Änderung herbeiführen würden, viele kleine Schritte möglich und notwendig sind.

Die österreichischen Ortschefinnen haben mit dem jährlichen Bürgermeisterinnen-Treffen ein starkes Netzwerk etabliert, aus dem sich stets neue Initiativen im Bereich Frauenförderung ergeben. So etwa das Projekt „Girls in Politics“ oder die Frauenfachtagung der Bürgermeisterinnen, die in den letzten Jahren auch international an Aufwind gewinnt.

Vor allem aber ist es die Präsenz der Bürgermeisterinnen als Vorbilder für alle Frauen sowie deren Vernetzung untereinander, die Hoffnung auf mehr Gleichstellung machen.