Menschen vor dem Modell einer Windkraftanlage
Es bietet sich an, den Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile eines Projekts zu verdeutlichen. Sie sollten beispielsweise durch den Bau von Windparks profitieren, indem sie Vergünstigungen bei der Energienutzung erhalten.
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Bürgerbeteiligung

Großinfrastruktur- Projekte in und mit Gemeinden umsetzen

Auf Einladung des Österreichischen Gemeindebundes trafen einander Vertreterinnen und Vertreter der Industrie und der Gemeinden, um sich bei einer Groß­infrastruktur-Konferenz über den Stand des Infrastruktur-Ausbaus in Österreich sowie Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung auszutauschen.

Peter Koren, der Vize-Generalsekretär der Industriellenvereinigung, betonte in seiner Begrüßung als „Hausherr“ die Rolle der Gemeinden bei Infrastruktur-Projekten sowie die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft, um unser Land zu gestalten. Er sprach auch die gesetzlichen Änderungen an, die sich die Industrie von der neuen Bundesregierung wünscht, und unterstrich, dass die Gemeinden wichtige Verbündete der Wirtschaft sind. 

Investitionen, Stromnetze und politische Hürden

Marcus Grausam von A1 Telekom sowie Gerhard Christiner von der APG unterstrichen in ihren Impulsreferaten ebenfalls die Notwendigkeit, neue Investitionen in Infrastruktur voranzutreiben, und gaben Einblicke in ihre aktuellen Projekte und Schwerpunkte – etwa im Bereich erneuerbare Energien und Stromnetzausbau. Bei der Versorgungssicherheit seien die Kommunen ihnen zufolge wichtige „Ermöglicher“. 

Kritische Worte richteten die Unternehmer an die Bundes­politik und an bestimmte gesellschaftliche Strömungen, die den technologischen Fortschritt erschweren würden. So etwa beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das Ziele formuliere, aber deren Umsetzung nicht ausreichend berücksichtige. 

Großinfrastruktur-Konferenz
Wichtige Stakeholder am Podium, Gemeindevertreter im Plenum: Die Infrastruktur-Konferenz zeigte einiges an Potenzial auf. 
Großinfrastruktur-Konferenz
Im Auditorium (und online zugeschalten) waren viele Gemeindevertreter, die sowohl über gelungene Projekte als auch über Gründe für ein Scheitern berichteten. Und kennt man diese, kann ein anderer sie vermeiden.

Lisa Csenar von der Verbund Green Power sprach ebenfalls den Handlungsbedarf bei gewissen gesetzlichen Hürden für den Ausbau von Windkraft und PV an. Sie erwähnte zudem, was man aus gescheiterten Projekten in Gemeinden gelernt habe. Die wichtigste Lektion: Die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern ist der Schlüssel zum Erfolg. Ein Interview mit ihr lesen Sie auf den Folgeseiten.

Die Botschaft der einleitenden Impulsreferate war deutlich. Egal ob Telekommunikation, Strom oder erneuerbare Energie: Den Gemeinden müsse bewusst werden, wie essenziell der Ausbau von Infrastruktur ist. Die Industrie brauche die Gemeinden sowohl als Behörde, als politische Einheit sowie als Multiplikatoren als Bindeglied mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Die Wünsche an die Politik

Was wünscht sich die Industrie von der Politik? Im ersten Panel ging es darum, den Status quo der Großinfrastruktur in Österreich anhand von einigen Beispielen zu beleuchten. Dazu sprachen Bernhard Painz von der Austrian Gas Grid (AGG), Leopold Schalhas vom Amt der NÖ Landesregierung, „Verbund Green Power“-Geschäftsführerin Lisa Csenar und Dieter Drexel von der IV über aktuelle Herausforderungen bei konkreten Projekten und die Diskrepanzen zwischen Behörden, Politik und realer Umsetzung.

Einig waren sich alle darin, dass es ein umfassendes Bekenntnis der Politik zum Ausbau der Infrastruktur und die dementsprechenden legistischen Rahmenbedingungen (Stichwort Rechtssicherheit) für die Umsetzung brauche. Die Zusammenarbeit mit der Politik gestalte sich mal schwer, mal einfach – auch aufgrund der föderalen Struktur Österreichs. Gemeindekompensation und direkte Anreize für Bürgerinnen und Bürger, etwa durch Beteiligungsmodelle, waren weitere Themen.

Bürgerbeteiligung ist Um und Auf

Das Thema des zweiten Panels war die Einbindung und Beteiligung der Bevölkerung bei Infrastruktur-Projekten in Gemeinden. 

Wolfgang Schredl, Bürgermeister von Breitenfurt bei Wien, erzählte von einem brandaktuellen Projekt in der Gemeinde, bei dem eine Bürgerinitiative in einer Volksabstimmung das lange im Voraus geplante Projekt zum Bau eines Ärztezentrums verhinderte. „Als Gemeinde stehen wir hier alleine da“, erzählte der Bürgermeister. 

Auch in der Gemeinde Höflein gab es eine Abstimmung in der Bevölkerung – hier zum Thema Windkraft. Bürgermeister Otto Auer gab Einblicke in die Beschlussfindung und Bürgergespräche im Vorfeld eines Windpark-Projekts. Dieses war erfolgreich und führte zu großen Einnahmen der Gemeinde durch Windkraft. Gleichzeitig wird eine Energiegemeinschaft betrieben: „Die Leute stehen der Windkraft jetzt sehr positiv gegenüber.“ Auer kritisierte, dass die Einspeisung der Windkraft in die Energiegemeinschaft aufgrund rechtlicher Regelungen bis dato nicht möglich ist, denn sonst wäre die Gemeinde Höflein zu 95 Prozent energieautark. 

Das Spannungsfeld zwischen Politik, Behörden und Umsetzung

Die andere Seite – nämlich jene der Wirtschaft – repräsentierte Christoph Schmidt, Geschäftsführer der Vienna Airport FBO GmbH am Podium. Er hat viel Erfahrung mit der Zusammenarbeit mit betroffenen Gemeinden – rund um den Flughafen und mit den dort hinführenden Bahnverbindungen – und diversen Bürgerbewegungen gegen den Flughafen. Er berichtete vom langen Weg hin zur „dritten Piste“ am Flughafen Wien. Bei den Verhandlungen im Vorfeld waren viele Mediations- und Dialogrunden erforderlich. 

Interessante Querschnitte bot Martin Ruhrhofer von der NÖ Dorf- und Stadterneuerung GmbH: Dorferneuerung, so Ruhrhofer, sei immer ein partizipativer Prozess. Somit hat er viel Erfahrung mit Bürgerbeteiligungsprojekten in Gemeinden. Seine Empfehlung: „Gemeinden müssten Projekte im Bereich Großinfrastruktur proaktiv angehen und frühzeitig die Menschen einbinden.“ 
Es gehe vor allem um Emotionen, weniger um Fakten, denen man nur mit einer klaren Strategie begegnen könne. Gemeinden sollten sich hier eine externe Betreuung bzw. Beratung suchen und Projekte dieser Art möglichst nicht im Vorfeld von politischen Wahlen angehen. 

In der Diskussion kam auch das Spielfeld Social Media zur Sprache, wo sich Emotionen und deren Instrumentalisierung aufschaukeln können. „Es braucht den Mut und die Entschlossenheit, Bürgerinnen und Bürger einzubinden“, so Ruhrhofer. Andererseits müsse man auch frühzeitig Kontakt mit der Behörde aufnehmen, betonte Leopold Schalhas vom Amt der NÖ Landesregierung. Man müsse als Betreiber auf ein positives Story-Telling setzen, und zwar auf allen Ebenen – mit der Bevölkerung und mit den Behörden.

Best Practices und was man aus gescheiterten Projekten lernen kann

Das dritte Panel war konkreten Beispielen aus der Praxis gewidmet. Peter Hopf, Vizebürgermeister der Gemeinde Gaal, berichtete vom gescheiterten Projekt eines Windparks in seiner Gemeinde. Grund für das Scheitern war eine Bürgerabstimmung gegen den Windpark. Die Gemeinde Thaya hatte ein ähnliches Projekt, das zwar von der Bevölkerung unterstützt, aber von der Landesbehörde abgelehnt wurde.

 In drei von fünf betroffenen Gemeinden wurde das Windkraftprojekt letztendlich von der Bevölkerung unterstützt und umgesetzt, Thaya war eine davon. Eduard Köck, der Bürgermeister von Thaya, schwört auf eine rege Beteiligung und eine proaktive Haltung der Gemeinden. Er hat auch die Medien in die Diskussion in seiner Gemeinde eingebunden.

Auch vonseiten der Wirtschaft gab es Einblicke in Praxisbeispiele. Gerhard Christiner von der APG erzählte von seinen Erfahrungen, als Unternehmer bzw. Vertreter der Industrie schnell einmal der Eigennützigkeit angeklagt zu werden. Die APG verfolgt das Ziel, im Vorfeld jedes Projekts viele Bürgergespräche und Informationsabende proaktiv anzubieten. Er sprach wiederum die Hürden für die Wirtschaft durch die rechtlichen Rahmenbedingungen an.

Die Telekommunikationsunternehmen haben vor allem in Zusammenhang mit 5G Erfahrungen mit Bürgerbewegungen, wie Marcus Grausam von A1 Telekom erzählte. „Wenn es uns gelingt, von vorneherein transparent mit den Menschen zu interagieren, dann können wir viele Probleme aus dem Weg räumen.“ Auch die enge Zusammenarbeit mit der Politik sei ein wichtiger Erfolgsfaktor, so der A1-Chef, wie auch Franz Hammerschmid von den ÖBB aus seinen Erfahrungen mit dem Bahninfrastrukturausbau in Gemeinden bekräftigen konnte.

Das Fazit der Konferenz

Großinfrastrukturprojekte sollten gebietskörperschaftsübergreifend einstimmig beschlossen werden, der Beschluss sollte überregional und überparteilich erfolgen und langfristig gelten. Die Bürger:innen und Medien sollten von Anfang an dabei sein und ­regelmäßig, nicht nur bei Anlassfällen informiert werden. Eventuell ist auch ein Lenkungsausschuss anzudenken. Dabei wird empfohlen, Bürgerbeteiligungsprozesse mit Profis wie Juristen und Prozessbegleitern wie der Dorf- und Stadterneuerung NÖ durchzuführen. Die Gemeinden dürfen bei solchen Projekten nicht allein gelassen werden. 

Es bietet sich an, den Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile des Projekts zu verdeutlichen. Sie sollten beispielsweise durch den Bau von Windparks profitieren, indem sie Vergünstigungen bei der Energienutzung erhalten. Ziel sollte sein, ein Verständnis dafür zu schaffen, dass die Großinfrastruktur zur Daseinsvorsorge der Gemeinde, des eigenen Lebensraume gehört und man als Betroffener auch direkt profitieren kann.   

Insgesamt konnte im Rahmen der Konferenz das gegenseitige Verständnis zwischen Gemeinden und Betreibern und der Blick auf die jeweils andere Seite geweckt werden. Für die Zukunft ist die Ausarbeitung von resilienten Rahmenbedingungen für Großinfrastrukturprojekte in Gemeinden anzudenken.

Mythen & Fakten über Windkraft

Obwohl Windkraft eine zentrale Säule der erneuerbaren Energiegewinnung in Österreich ist, kursieren zahlreiche Mythen. Hier sind fünf verbreitete Mythen im Faktencheck:​

Mythos 1 - Windkraftanlagen verursachen ein Massensterben von Vögeln.

Fakt: Glasfassaden oder Hauskatzen sind für deutlich höhere Vogelsterblichkeit verantwortlich. Zudem werden bei der Planung von Windparks Maßnahmen ergriffen, um Risiken für Vögel zu minimieren.

Mythos 2 - Windkraft ist unzuverlässig, da der Wind nicht konstant weht.

Fakt: Moderne Windkraftanlagen sind darauf ausgelegt, auch bei variablen Windverhältnissen effizient Strom zu produzieren. 

Mythos 3 - Der von Windrädern erzeugte Infraschall macht Menschen krank.

Fakt: Wissenschaftliche Studien haben keinen direkten Zusammenhang zwischen Infraschall von Windkraftanlagen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen festgestellt. 

Mythos 4 - Windkraftanlagen sind nicht recycelbar und belasten die Umwelt.

Fakt: Bis zu 90 Prozent der Materialien von Windkraftanlagen, wie Metalle und Elektronik, können recycelt werden.

Mythos 5 - Windkraft ist ineffizient und teuer.

Fakt: Windkraftanlagen erzeugen nach etwa sieben Monaten mehr Energie, als für ihre Herstellung sowie ihren Betrieb und Rückbau benötigt wird.