Schlierbach
Oberösterreichs Gemeinden sollen künftig nach innen statt nach außen wachsen.
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Wachsen nach innen soll Bodenverbrauch bremsen

13. November 2020
Mit einer Novelle des oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes will man den Flächenverbrauch eindämmen und eine weitere Zersiedelung verhindern. Land und die Gemeinden sollen wirkungsvolle Möglichkeiten und Instrumente für eine ressourcenschonende Raumplanung erhalten.

„Oberösterreichs Städte und Gemeinden wachsen derzeit vor allem an den Rändern nach außen. Hier braucht es eine Umkehr zu einem Wachstum nach innen“, meint Landesrat Markus Achleitner. „Qualitätsvolle Verdichtung, die Nutzung von Leerständen und Brachflächen sowie die Aktivierung bestehender Baulandreserven sind hier wesentliche Hebel. Wertvolle Böden können so gesichert werden, hohe Kosten für benötige Infrastruktur können verhindert werden“, so Achleitner.

Die Novelle verfolgt vier Zielsetzungen, die oberösterreichische Raumplanung in den nächsten Jahren prägen sollen:

  • ressourcenschonend,
  • überregional,
  • verdichtet und
  • verfügbar

Damit ergeben sich für das neue OÖ. Raumordnungsgesetz folgende Grundsätze:

  • Klimaschutz als verpflichtende Zielbestimmung bei allen raumordnungsfachlichen Planungen in OÖ (z. B. durch Erarbeitung von Grünraumprogrammen in Regionen mit hohem Siedlungsdruck)
  • Baulandmobilisierung hat Vorrang vor Neuwidmung
  • Gemeinden und Städte sollen nach innen wachsen, anstatt an den Rändern
  • Aktive Ortskern-Belebung
  • Leerstände und Brachflächen reaktivieren, bevor neu gewidmet wird  Keine Supermärkte mehr am Kreisverkehr
  • Schluss mit „Parkplatz-Wüsten“, stattdessen Tiefgaragen oder Parkdecks
  • Vorrang für Leistbares Wohnen
  • Absicherung landwirtschaftlicher Flächen für die Ernährung

Landesrat Achleitner: „Wir wollen die Raumentwicklung in OÖ ordnen, aber kein generelles Umwidmungs- oder Bauverbot. Denn sonst wären auch keine Wohnraumschaffung etwa für junge Familien und auch keine Betriebsansiedlungen für neue Arbeitsplätze mehr möglich. Auch Forderungen nach überbordenden Verpflichtungen sowie Enteignungen und zusätzlichen Besteuerungen haben wir bewusst nicht in die Novelle aufgenommen.“

Was soll passieren?

  • Nutzung leerstehenden Gebäuden und brachliegender Flächen hat Vorrang vor Neuwidmungen: Bevor Flächen neu gewidmet werden, muss jede Möglichkeit ergriffen werden, um bereits vorhandene leerstehende Gebäude und brachliegende Flächen zu nutzen, gerade auch in Orts- und Stadtzentren.
  • Vorrang für das Einkaufen im Ort anstelle von Supermärkten am Kreisverkehr: Für neue Handelsflächen gibt es ein klares Priorisierungsmodell: Sie sollen in erster Linie in den Ortszentren angesiedelt werden. Und auch hier muss gelten: Nachnutzung von Leerständen hat Vorrang.
  • Aus für Parkplatz-Wüsten rund um Supermärkte: Anstelle von eingeschossigen Supermärkten, die von großen Parkplätzen umgeben sind, müssen neue Geschäftsbauten mit mehr als 800 m2 Verkaufsfläche mindestens drei oberirdischen Geschoße aufweisen – mit Wohnungen und Büros und idealerweise noch einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Anstelle der bislang errichteten oftmals zwei- bis dreifachen Anzahl der Pflichtstellplätze darf künftig nur mehr die Anzahl der Pflichtstellplätze errichtet werden. Alle darüber hinaus gehenden Parkflächen sind in Tiefgaragen oder Parkdecks unterzubringen.

    Bei Geschäftsbauten mit weniger als 800 m² Verkaufsfläche ist keine verpflichtende Mehrgeschoßigkeit vorgegeben, die Anzahl der ebenerdigen Stellplätze darf die 1,5-fache Anzahl der Pflichtstellplätze umfassen, jedoch sind maximal 30 Stellplätze erlaubt. Diese Regelung soll die Aufrechterhaltung der Nahversorgung im ländlichen Raum erleichtern und gewährleisten. Denn nur so können Nahversorger auch in Ortszentren wachsen.

Oö. Gemeinden verwirklichen bereits zukunftsweisende Projekte

„Am Kornbichl“ prägt neues Tragweiner Ortsbild

Eine stillgelegte Werkstätte und ein ungenützter, jahrelang brach liegender Sportplatz erwiesen sich als Baulandreserve, die eine Nachverdichtung und vor allem eine wertvolle Aufwertung des Ortskerns in Tragwein erlaubten.

Auf dem Bauareal in Hanglage entstand ein Wohn- und Einkaufszentrum, das in den unteren beiden Etagen Platz für einen Supermarkt und mehrere Geschäfte bietet und in den oberen drei Geschossen insgesamt 22 Eigentumswohnungen beherbergt. In einem zweiten Bauabschnitt sollen ab heuer weitere 15 Mietwohnungen entstehen. 

Neues Ortszentrum St. Martin im Mühlkreis

In einem weiteren Vorzeigeprojekt erhalten Bank, Pfarrheim und Musikheim im Zentrum der Mühlviertler Gemeinde St. Martin im Mühlkreis ein neues gemeinsames Zuhause. Möglich gemacht wurde dieses Projekt durch den Abriss des alten Bankgebäudes. Die Veranstaltungsflächen und Gruppenräume, sowie Tiefgarage und Liftanlage werden gemeinsam genützt. 

Nahversorgung mit Herz, Hirn und Hausverstand in St. Agatha

Der Nah&Frisch-Lebensmittelmarkt wurde die um Leerstands-Flächen der ehemaligen Schlecker-Filiale erweitert. Außerdem wurde ein Gebäudeteil aufgestockt sowie bestehende Wohnungen erweitert. Neben dem Supermarkt sind eine Bankfiliale, eine Bäckerei, ein Friseursalon, eine Pizzeria und ein Planungsbüro in dem Gebäude eingemietet. 

Devise „Ortszentrum statt grüne Wiese“ auch in Raab

Auch in Raab konnte durch die Nachnutzung eines benachbarten leerstehenden Gebäudes der Uni-Markt im Ortszentrum auf eine wettbewerbsfähige Größe erweitert werden. Neben dem modernisierten Lebensmittelmarkt sind bei diesem Projekt zusätzliche Parkplätze im Ortszentrum sowie zwei Wohnungen und Büroflächen entstanden. Dieses Nahversorger-Projekt war zugleich eine sinnvolle Alternative zu einem anderen Supermarkt-Projekt, bei dem ein Neubau am Ortsrand von Raab geplant gewesen wäre