Bombenblindgänger
Die Kosten für die Entschärfung von Kriegsmaterial trägt der Bund. Anders sieht es jedoch aus, wenn Sprengkörper erst gesucht werden müssen.
© Bundesheer/Wolfgang Korner

Vorsicht bei Kriegsrelikten!

Nicht detonierte Fliegerbomben, Granaten, Minen – Relikte des Zweiten Weltkriegs liegen immer noch tonnenweise in Österreich herum. Das Bundesheer startete jetzt eine Aktion, um die Bevölkerung im Umgang mit den gefährlichen Materialien zu sensibilisieren.

Österreich sitzt nicht nur auf einem, sondern auf vielen Pulverfässern. Gefährliche Kriegsrelikte kommen häufiger ans Tageslicht als man vielleicht denkt:

Im Jahr 2019 wurden österreichweit 1.140 Funde an Kriegsmaterial verzeichnet, die vom Entminungsdienst entsorgt bzw. vernichtet wurden. Und schon im ersten Halbjahr 2020 kam der Entminungsdienst 592-mal zum Einsatz. Dabei wurden in Summe rund 7.000 kg an Kriegsmaterial einzeln geborgen, untersucht, beurteilt, abtransportiert und vernichtet.

Wie viele Kriegsrelikte noch in der Erde schlummern, weiß niemand, denn weder von damaliger alliierter noch von reichsdeutscher Seite wurde dokumentiert, was an Bomben abgeworfen oder an Minen verlegt wurde. Experten schätzen aber, dass noch fast 15.000 Bombenblindgänger im Erdreich liegen.

Verhalten beim Auffinden von Kriegsrelikten

Wenn man auf potenziell explosive Überbleibsel von Kampfhandlungen stößt, gilt die Devise „Finger weg.“ Ein Hantieren mit Kriegsrelikten ist äußerst gefährlich; sie sollten unter keinen Umständen berührt werden.

Wird ein Objekt gefunden, dessen Herkunft und Beschaffenheit verdächtig erscheint, sollte man unverzüglich die nächste Polizeidienststelle kontaktieren. Diese fordert die Mitarbeiter des Entminungsdienstes des Bundesheeres an, die das Kriegsrelikt entschärfen und sicher abtransportieren. Der Entminungsdienst des Bundesheeres verfügt über 14 Fachkräfte für Entminung, die in Wien, Graz und Linz-Hörsching stationiert sind.

Ein Taucher des Entminungsdienstes mit einer gefundenen Granate.
Ein Taucher des Entminungsdienstes mit einer gefundenen Granate. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde viel explosives Material in Seen „entsorgt.“ Foto: Bundesheer/Wolfgang Korner

Der Entminungsdienst entschärft und entsorgt Sprengmaterial, welches aus der Zeit vor 1955 entstammt. Wenn jüngeres Material gefunden wird, sind die Experten des Innenministeriums zuständig. „Das betrifft etwa Kampfmittel aus den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien, die gelegentlich sichergestellt werden“, sagt Oberst Michael Bauer vom Bundesheer. 

Aktion soll auf Gefahren aufmerksam machen

Das Bundesheer hat jetzt die gestartet, um die Bevölkerung im Umgang mit Kriegsrelikten zu sensibilisieren. Dazu wurden insgesamt 6.285 Plakate an alle österreichischen Gemeinden verschickt und darum gebeten, sie gut sichtbar aufzuhängen.

Plakat „Achtung Kriegsrelikte

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die die Aktion gemeinsam mit Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl der Bevölkerung vorstellte: „Mit unserer Plakataktion wollen wir die Österreicherinnen und Österreicher auf die Gefahr aufmerksam machen und darüber informieren, was im Fall eines Fundes zu tun ist. Wichtig ist, das Fundstück nicht zu berühren, bewegen oder aufheben und sofort die nächste Polizeidienststelle aufsuchen oder die Nummer 133 anrufen und den Fund melden.“

Urteil gegen Stadt Salzburg

Die Kosten für die Entschärfung von Kriegsmaterial trägt der Bund. Anders sieht es jedoch aus, wenn Sprengkörper erst gesucht werden müssen.

Es kommt oft vor, dass Kommunen vermuten oder sogar wissen, dass auf ihrem Gemeindegebiet explosives Material im Boden verborgen liegt, das sinnvollerweise gefunden werden sollte, bevor es beispielsweise bei Bauarbeiten ans Tageslicht kommt.

Die Stadt Salzburg führte dazu vor einigen Jahren einen Prozess gegen den Bund und wollte 900.000 Euro als Ersatz für Kosten, die bei der Suche nach Fliegerbomben entstanden waren.

Letztlich entschied der Oberste Gerichtshof gegen Salzburg. Der Grund: Es gibt kein Gesetz, dass die Suche nach Bombenblindgängern regelt.

Dabei weiß man, im Gegensatz zu anderen Gemeinden, in Salzburg recht genau, wo man suchen müsste: Nach Kriegsende wurde eine Bombenkarte angefertigt, die auf Luftbildern zur Abwurfzeit basierte. So konnten mehr als 120 Verdachtspunkte identifiziert werden.

Was kostet die Bombensuche?

Mit dem Salzburger Urteil ist klar, dass Grundbesitzer – und damit oft Gemeinden – die Kosten für das Aufspüren von Bomben selbst tragen müssen. Suche, Freilegung, Bergung und die Identifizierung des Materials kann von privaten Unternehmen durchgeführt werden.

„Für die Oberflächensondierung einer durchschnittlichen Parzelle ist mit Kosten von etwa 800 Euro zu rechnen“, sagt Andreas Herrmann, Geschäftsführer der Firma EOR Munitionsbergung im niederösterreichischen Matzen. Er appelliert dringend, die Thematik nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. „Durch die Stadtflucht werden heute Häuser in Gegenden errichtet, wo vorher noch nie gebaut wurde. Oft weiß heute niemand mehr, dass das Gebiete sind, die im März und April 1945 unter massiven Beschuss gelegen sind oder Ziel alliierter Bomberverbände sowie Tiefflieger waren. Es gebe, so Herrmann, Gemeinden, wie etwa Korneuburg, wo die gezielte Suche nach Blindgängern bzw. das Ausschließen, das Kriegsrelikte aus einem Grundstück vorhanden sind, in der Baugenehmigung vorgeschrieben wird, andere Gemeinden seien aber sehr nachlässig.

„Es gibt viele Orte, wo lebensgefährliche Munition oberflächlich verstreut für jedermann zugänglich ist, aber aus Kostengründen oder wegen fehlendem Gefahrenbewusstseins bei den Verantwortlichen keinerlei Maßnahmen ergriffen werden. Es macht mir richtig Angst, wenn ich mit ansehen muss, wie Kinder in Warnwesten gesteckt werden und bei den sogenannten Müllsammelaktionen auf Wälder losgelassen werden wo Handgranaten, Panzerfäuste, Bomben etc. frei herumliegen und auf ihr Opfer warten. Dass so wenig passiert, grenzt an ein Wunder, vielleicht ist es Gott, vielleicht sind es Schutzengel, aber mit Sicherheit liegt es nicht an der Munition, denn die ist nach wie vor sprengkräftig. Jedes Kampfmittel, von der Gewehrpatrone bis hin zu Bomben, wurde einzig und alleine geplant und hergestellt, um Menschen zu töten, und dieser Aufgabe kommen sie auch heute noch nach!“, warnt der Experte.