Man ist stolz und dankbar für die Unterstützung aus dem Westen.

Vorarlberger Feuerwehren unterstützen Republik Moldau

Die Republik Moldau oder Moldawien liegt am östlichen Ende Europas, eingebettet zwischen Rumänien und der Ukraine. Das Land, das flächenmäßig etwas kleiner ist als das Burgenland, Wien, Niederösterreich und Oberösterreich zusammen, beheimatet 2,6 Millionen Einwohner und gilt als das ärmste Land Europas. Seit rund einem Jahr ist Moldau EU-Beitrittskandidat, der Wunsch nach wirtschaftlichem Aufschwung mit einer Orientierung nach Westen ist vielerorts spür- und sichtbar. Doch die Zeiten bleiben herausfordernd. Ein Feuerwehr-Projekt aus Vorarlberg unterstützt seit zehn Jahren den Aufbau regionaler Strukturen.

Nur 1,5 Flugstunden von Wien entfernt taucht man bereits auf dem Weg aus der Hauptstadt Chișinău in die ländlichen Gebiete in eine andere Welt ein, in der die Zeit stehen geblieben scheint. Die Straßen sind eigentlich Feldwege, Autobahnen gibt es nur wenige Kilometer.

Ähnlich marod ist die Sicherheitsinfrastruktur: Ein flächendeckendes Feuerwehrnetz ist Mangelware. Wir – eine Delegation des Österreichischen Gemeindebundes, des Österreichischen Bundesfeuerwehrverbandes, der Gemeindebünde der Republik Moldau sowie der Ukraine - besuchten die 1.600-Seelen-Ortschaft Suhuluceni rund 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Der Bürgermeister der Gemeinde hat erfahren, dass in den vergangenen zehn Jahren bereits 17 Freiwillige Feuerwehren in Moldau gegründet wurden. Nun will er auch eine. 

Es braucht Strukturen

Zu diesem Zweck hat er die Projektleitung – in Abstimmung mit der nächstgelegenen und für sein Einzugsgebiet zuständigen Berufsfeuerwehr, die rund 30 Fahrminuten entfernt stationiert ist – zu sich eingeladen. Dafür wurde ein Saal in der örtlichen Schule reserviert. Neben den Vertretern der Gemeinde haben sich auch die Bürgermeister der umliegenden Orte eingefunden, denn sie alle wollen mitarbeiten und gemeinsam für mehr Sicherheit in ihrer Umgebung sorgen. 

Hans Kohler, langjähriger Bürgermeister der Marktgemeinde Rankweil, ist der ­Gründervater des Vorarlberger Projekts „structure projects network“, einer kleinen, unabhängigen NGO, die sich um die Steigerung des ehrenamtlichen Engagements in Moldau bemüht.

Gemeinsam mit dem ehemaligen Landesfeuerwehrinspektor von Vorarlberg, Hubert Vetter, und Martin Burtscher, Bürgermeister der Gemeinde Dalaas und auch lange Jahre Feuerwehrkommandant, wird vor der Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr den Gemeinden auf den Zahn gefühlt. Steht der Bürgermeister dahinter und hat er ehrliche Absichten? Ist die Akzeptanz durch die Berufsfeuerwehr gegeben? Gibt es ein Gebäude, das zur Verfügung gestellt werden kann? Gibt es potenzielle Mitglieder, die sich engagieren werden?

Ein umfangreicher Katalog wird gemeinsam durchgearbeitet, bevor es zur Gründung – und damit verbunden zu einer Fahrzeugspende aus Vorarlberg – kommt. 

Feuerwehr in Moldawien
Die von Österreich mitgegründeten Feuerwehren in Moldau tragen am Fahrzeug und auf den Uniformen den Spender-Namen und den eigenen Namen. So identifizieren sich Spender und Empfänger miteinander und bleiben als Partnerfeuerwehren verbunden.

Feuerwehr in Moldawien

„Ein Fahrzeug allein reicht nicht, es braucht die Absichtserklärung der Gemeinde, es braucht Freiwillige, es braucht Struktur und in weiterer Folge regelmäßige Ausbildung und Verbandsarbeit, unabhängig vom Staat, aber natürlich in guter Zusammenarbeit mit den Behörden“, erklärt Hans Kohler die Herangehensweise.

Wenn es dann so weit ist, übernehmen Vorarlberger Feuerwehrmitglieder die Fahrzeugüberstellung und Einschulung. Ein Mentoring-Handbuch unterstützt sie dabei, damit nichts ausgelassen wird und alle Punkte berücksichtigt werden. So kann auch davon ausgegangen werden, dass für alle Gemeinden dieselben Standards gelten. Die Evaluierung in Suhuluceni und weiteren vier Gemeinden fand Mitte Juni 2023 statt, im Oktober sollen die Gründungen erfolgen.

Mit gutem Beispiel voran

Gute Beispiele gibt es mittlerweile viele. Eines davon ist Selemet mit rund 3.500 Einwohnern, rund eine Stunde südlich der Hauptstadt. Dort wurde bereits 2018 eine Freiwillige Feuerwehr nach österreichischem Vorbild gegründet – die motivierte Bürgermeisterin Tatiana Badan, die auch Präsidentin des moldauischen Gemeindebundes CALM (Congresul Autorităţilor Locale din Moldova) ist, begrüßte die Delegation, inklusive angetretener Feuerwehr mit Österreich-Fähnchen. 

Man ist stolz und dankbar für die Unterstützung aus dem Westen. Nach Hintergrundgesprächen, bei denen auch die österreichische Botschafterin in Moldau, Stella Avallone, anwesend war, demonstrierte die FF Selemet bei einer Einsatzübung ihr Können, bevor die Delegation weiterreiste.

Gastfreundschaft wird hier besonders großgeschrieben, jeder ist willkommen und wird herzlich begrüßt. „Die Republik Moldau ist ein kleines Land mit großem Herz“, fasst es Botschafterin Avallone sehr treffend zusammen.

Feuerwehr-Präsident Robert ­Mayer und Österreichs Botschafterin Stella Avallone
Feuerwehr-Präsident Robert ­Mayer und Österreichs Botschafterin Stella Avallone.

Feuerwehrpräsident Robert Mayer zeigt sich beeindruckt: „Es ist erstaunlich, was sich hier in den letzten Jahren getan hat. Natürlich macht es stolz, in einem fremden Land mit wehenden österreichischen Fahnen begrüßt zu werden und auf Feuerwehrhäusern den Projektnamen zu lesen. Diese Initiative zeigt, wie wertvoll unser Wissen im Bereich des ehrenamtlichen Engagements ist und dass wir dieses hinaustragen müssen. Hinzu kommt auch ein starkes Gefühl der Demut, vergleicht man doch unweigerlich unsere Feuerwehr-Infrastruktur mit jener in Moldau. Wir müssen dankbar sein, dass unsere Vorfahren so viel Energie in unser System gesteckt haben. Wir sind jetzt in der Lage, einer neuen Generation in einem anderen Land dasselbe zu ermöglichen. Auch wenn es noch viele Generationen dauern wird – es ist möglich.“ 

Der Samen keimt

Hans Kohler führte die Delegation zu den Gerätehäusern von weiteren vier Feuerwehren. Jeder scheint ihn zu kennen. Oft war er schon vor Ort, vor der Gründung und auch danach immer wieder. Beispiele wie in Selemet gibt es viele. Mittlerweile engagieren sich auch jüngere Männer – vereinzelt auch Frauen – ehrenamtlich bei der Feuerwehr. In Bogzesti (500 Einwohner) erzählte uns der mit der Abwanderung kämpfende Bürgermeister, dass seit der Gründung der Feuerwehr im Jahr 2017 die Leute wieder miteinander reden. In Cojusna (ca. 6.200 Einwohner) gibt es beim jährlichen Weinfest eine öffentliche Übung der Feuerwehr, um der Bevölkerung den Mehrwert zu zeigen und neue Mitglieder zu gewinnen.

„Die gemeinsame Exkursion in die Republik Moldau hat uns klar und deutlich gezeigt, wie stolz wir auf unser Feuerwehrwesen und die 350.000 Ehrenamtlichen in allen Bundesländern sein können. In einem Land, das mit Ehrenamt keine Erfahrung hat, erkennen wir durch die Initiative von Hans Kohler und seinen Kollegen, welchen Wert der freiwillige Einsatz für andere für die Gesellschaft wirklich hat“, resümierte Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl.

Interesse aus dem Nachbarland

Ständiger Begleiter dieser Exkursion, die auf Initiative und Einladung des österreichischen Gemeindebundes organisiert wurde, waren Vertreterinnen und Vertreter des Gemeindebundes sowie des Katastrophenschutzes der Ukraine. Im Gemeindebund ist man überzeugt, dass das „Modell Moldau“ auch in der Ukraine Fuß fassen kann: „Gemeinsam mit dem Österreichischen Bundesfeuerwehrverband will der Österreichische Gemeindebund die Erfahrungen aus Vorarlberg nutzen, um das bewährte österreichische Feuerwehrsystem in die Ukraine zu tragen. Ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement stärkt auch die Gemeinden und letztlich einen unabhängigen Staat.“

Im vom Krieg gebeutelten Land steht man unweigerlich vor einer Neuausrichtung. Die Stärkung der Regionen wird nach Kriegsende in den Mittelpunkt rücken, man befürchtet, dass viele Geflüchtete nicht mehr zurückkommen und Gemeinden verwaist bleiben. Das Modell der Freiwilligen Feuerwehren nach österreichischem Vorbild hat ihr Interesse geweckt. Erste direkte Kontakte konnten durch das Zusammentreffen geknüpft werden, ein weiterer Austausch ist noch heuer geplant. 

Feuerwehr in Moldawien
Bei jeder Feuerwehr wird betont, in Zukunft auch auf die Kinder zugehen zu wollen. Man hat verstanden, dass die Stärkung des Landes in den Händen der Jugend liegt und regionales Engagement an die Gemeinde bindet.

Gemeinsam hat der ÖBFV mit dem Deutschen und dem Polnischen Feuerwehrverband bereits eine diesbezügliche Absichtserklärung verfasst und ein gemeinsames Engagement bekundet (Details dazu siehe Mai-Ausgabe des ÖBFV-Fachmagazins FEUERWEHR.AT). 

Die Unterstützung der Ukraine von Feuerwehrseite war auch Inhalt der Gespräche des ÖBFV bei EU-Kommissar Janez Lenarčič in Brüssel. „Es passiert aktuell schon sehr viel für die Ukraine. Neben Fahrzeug- und Gerätespenden wird nun auch der persönliche Kontakt intensiviert. Bleibt zu hoffen, dass der Krieg bald ein Ende findet und die Hilfe auch auf Ausbildung und einen intensiven Erfahrungsaustausch erweitert werden kann. Ich bin überzeugt, dass wir hier einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Regionen leisten können“, zeigt sich Feuerwehr-Präsident Mayer zuversichtlich.