Die Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung ist national, im Oberschwellenbereich auch unionsweit bekannt zu machen.
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Vergabe

Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung

15. Mai 2022
Neben dem offenen Verfahren wird bei öffentlichen Ausschreibungen häufig auch das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung gewählt. Der Vorteil dieser Verfahrensart liegt darin, dass im Zuge dessen ein Austausch in Form von Verhandlungen mit den Bietern und Bieterinnen möglich ist. Empfehlenswert ist das Verhandlungsverfahren insbesondere dann, wenn der Austausch mit den Bietern und Bieterinnen erforderlich ist, um ein optimales Ausschreibungsergebnis zu erzielen.

Der Anwendungsbereich des Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung wurde im Bundesvergabegesetz 2018 erheblich ausgeweitet (§ 34 BVergG 2018). Die theoretische Begründungspflicht für öffentliche AuftraggeberInnen für die Wahl des Verhandlungsverfahrens besteht zwar nach wie vor, durch den gesetzlich sehr weit gefassten Anwendungsbereich der Verfahrensart kann dieses in der Praxis aber mittlerweile als „Regelverfahren“ angesehen werden.

Immer dann, wenn mit einer Standardlösung nicht das Auslangen gefunden werden kann (also wenn z. B. Anpassungen am Markt verfügbarer Leistungen erforderlich werden, konzeptionelle oder innovative Leistungen beschafft werden sollen, der Auftrag komplex ist oder nicht alle technischen Spezifikationen im Vorfeld festgelegt werden können) liegt ein Anwendungsfall für ein Verhandlungsverfahren vor. Lediglich für die Beschaffung standardisierter Leistungen kommt das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nicht in Betracht.

Ablauf eines Verhandlungsverfahrens

Die Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung ist national, im Oberschwellenbereich auch unionsweit bekannt zu machen.

Nachdem mittels Bekanntmachung eine unbeschränkte Anzahl an Unternehmen zur Abgabe eines Teilnahmeantrags aufgefordert wurde, werden diese auf ihre Eignung hin geprüft (Präqualifizierungsphase). Je nach Anzahl der abgegebenen Teilnahmeanträge ist auch eine Auswahlprüfung durchzuführen. Dabei wird anhand vorab festgelegter Kriterien die bessere Eignung der Bewerberinnen und Bewerber festgestellt. Die am besten geeigneten Bewerberinnen und Bewerber werden in der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert. In einer (oder mehreren) darauffolgenden Verhandlungsrunden kann – ausgenommen vorab definierte, nicht verhandelbare Mindestanforderungen – über die Leistungsbedingungen und den Leistungsgegenstand verhandelt werden.

Das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung bietet öffentlichen AuftraggeberInnen die Gelegenheit, den Leistungsinhalt im Laufe des Verfahrens noch zu präzisieren und auf möglichen Input des Marktes zu reagieren. Im Regelfall kann dadurch auch ein besseres Preis-Leistungsverhältnis erzielt werden. Zu beachten ist, dass die Vorbereitung und Abwicklung eines Verhandlungsverfahrens in der Regel arbeits- und zeitaufwendiger ist als beispielsweise bei einem offenen Verfahren. Öffentliche AuftraggeberInnen sollten daher entsprechend mehr Zeit einplanen.

Infos

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