Transparenzpaket mit vielen Fragen
Seit vielen Jahren gibt es Bestrebungen, das Amtsgeheimnis abzuschaffen und anstelle der Pflicht der Behörde auf Geheimhaltung das Recht des Bürgers auf Information zu stärken.
Dem Grundgedanken des nun vorliegenden Gesetzesentwurfs folgend sollen die bisherigen Regelungen zum Amtsgeheimnis abgelöst werden und dem Einzelnen soll gegenüber dem Staat ein verfassungsrechtlich gewährleistetes subjektives Recht auf Information eingeräumt werden. Ziel des Entwurfs ist es, staatliches Handeln für alle weitestgehend transparent zu machen und auch den Zugang des Einzelnen zu staatlichen und staatsnahen unternehmerischen Informationen zu erleichtern.
Gesetzesvorschlag potenziert Unklarheiten
Grundsätzlich bestehen gegen die Intention dieses Gesetzesvorhabens keine Bedenken und ist auch das damit verfolgte Ziel ausdrücklich zu begrüßen. Der Gesetzesvorschlag selbst wirft jedoch mehr Probleme und Fragestellungen auf, als er zu lösen imstande ist.
Zwar standen Gemeinden bislang schon im Spannungsfeld zwischen Amtsverschwiegenheit, Auskunftspflicht, Datenschutz, Urheberrecht, Berufs-, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Durch das Gesetzesvorhaben werden jedoch bestehende Unklarheiten und Unsicherheiten, wann Informationen preiszugeben sind und wann Zurückhaltung zu üben ist, nicht nur prolongiert, sie werden provoziert und potenziert.
Neben einer Erweiterung der Prüfkompetenzen des Rechnungshofs sieht der Entwurf eine Verschärfung der bisherigen Auskunftspflicht (Informationspflicht), zusätzlich eine Pflicht zur Veröffentlichung von „Informationen von allgemeinem Interesse“ sowie eine Pflicht zur Einmeldung von Metadaten in ein Informationsregister vor, über das die Informationen (etwa im Wege einer Verlinkung) abrufbar sein sollen.
In Anbetracht der Unzahl an Regelungen, die gegenläufige Interessen verfolgen (Transparenz und Auskunft versus Geheimhaltung und Datenschutz) befinden sich Gemeinden immer auf einer Gratwanderung, gleich ob Informationen offengelegt oder zurückbehalten werden (müssen). Umso wichtiger ist es, dass es klare, unmissverständliche gesetzliche Vorgaben gibt, wann welche Informationen zu erteilen bzw. zu veröffentlichen sind und wann welche Informationen geheim zu halten sind. Der Gesetzesentwurf wird diesem Erfordernis nicht gerecht.
Verschärfte Informationspflicht
Vielmehr ist der Entwurf mit einer Vielzahl von Stolperfallen gespickt, die ihren Anfang bei der im Vergleich zur bisherigen Auskunftspflicht verschärften Informationspflicht nehmen, wie folgende beispielhafte Aufzählung bestätigt:
- So ist dem Entwurf nach alles, was nicht privat ist, eine Information im Sinne dieses Gesetzes und unterliegt daher grundsätzlich der Informationspflicht. Mit dieser weiten Definition des Begriffs „Information“ geht ein beträchtlicher Mehraufwand bei allen erforderlichen Prüfungsschritten (Interessensabwägung) einher.
- Eine Information im Sinne dieses Gesetzes ist laut Entwurf nur dann nicht zu erteilen, soweit und solange dies aufgrund der angeführten Geheimhaltungsgründe „nach Abwägung aller in Betracht kommenden Interessen erforderlich und verhältnismäßig und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist“.
- Daraus folgt, dass bei der Prüfung, ob und inwieweit eine Information zu erteilen ist, ein Sammelsurium an Ausnahmetatbeständen zu prüfen, abzuwägen und zu gewichten ist – sowohl öffentliche und wirtschaftliche Interessen als auch Interessen Dritter (Datenschutz, Urheberrecht, Berufs-, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse).
- Besondere Probleme ruft dabei der Tatbestand der „überwiegenden berechtigten Interessen eines anderen“ (Interessen Dritter) hervor. Die Gemeinde hat daher nicht nur zu prüfen, ob und inwieweit Interessen Dritter durch eine Informationserteilung berührt werden, sie hat darüber hinaus auch zu prüfen, ob diese berechtigten Interessen das allgemeine Informationsinteresse überwiegen.
- Da der Entwurf vorsieht, dass die informationspflichtige Stelle Personen, die von der Informationserteilung in ihren Interessen betroffen sind, einzubinden hat, sind Rechtsprobleme und Streitigkeiten programmiert.
- Der Entwurf sieht eine Informationsfrist von nur vier Wochen vor, wobei nur im Ausnahmefall diese Frist acht Wochen betragen darf. Die Frist von vier Wochen ist viel zu kurz und müsste auch in Anbetracht des Mehraufwands zumindest acht Wochen (wie bisher) betragen.
- Schwierigkeiten und zusätzlichen Aufwand wird auch die Vorgabe verursachen, dass Informationen nur teilweise zu erteilen sind, wenn ein Teil der Information der Geheimhaltung unterliegt - damit gehen aufwendige Unkenntlichmachung und Schwärzungen einher.
Proaktive Veröffentlichungspflicht
Neben der Informationspflicht sieht der Entwurf vor, dass „Informationen von allgemeinem Interesse“ ehestmöglich und barrierefrei zu veröffentlichen sind. Darunter fallen Studien, Gutachten, Stellungnahmen, Verträge mit einem Gegenstandswert von mindestens 100.000 Euro, aber auch sonstige Verträge und Informationen, die einen „allgemeinen Personenkreis“ betreffen oder für einen solchen relevant sind. Auch die Veröffentlichungspflicht ruft zahlreiche Fragen und Probleme hervor:
- Wie schon bei der Informationserteilung aufgrund der Informationspflicht erfordert auch die proaktive Veröffentlichungspflicht eine gleich gelagerte, inhaltlich komplexe Interessenabwägung, die ein überaus hohes Maß an juristischem Sachverstand und Methodenkenntnis voraussetzt.
- Gerade Gutachten und Verträge enthalten vielfach Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Bei Stellungnahmen und Gutachten können auch Urheberrechte und das Recht am geistigen Eigentum betroffen sein. Wie zu verfahren ist bzw. wie eine Interessensabwägung vorzunehmen ist, wenn Verträge Verschwiegenheitsklauseln enthalten, die mit Vertragsstrafen geahndet werden, ist völlig offen.
- Ein beträchtlicher Mehraufwand ergibt sich durch die Vorgabe, dass auch Informationen zu veröffentlichen sind, die vor dem Inkrafttreten entstanden sind. Zwar muss eine Nacherfassung nur dann und insoweit erfolgen, als diese technisch möglich und zweckmäßig und mit keinem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist. Wann aber diese Kriterien vorliegen, ist unklar.
- Aufwendig wird nicht nur die Speicherung und die dauerhafte Bereithaltung der veröffentlichten Informationen, auch die laufende Prüfung der Aktualität wie auch die Vorgabe, dass Informationen nur teilweise zu veröffentlichen sind, wenn nur Teile der Geheimhaltung unterliegen, wird Aufwand verursachen.
Informationsregister als Metadaten-Register
Gemeinden sollen zukünftig nicht nur die „Informationen von allgemeinem Interesse“ veröffentlichen, sie sollen auch die Metadaten der Informationen in ein Register einspielen, über das dann die jeweilige (eigentliche) Information etwa im Wege einer Verlinkung abrufbar ist. Auch das ist mit Aufwand und Problemen verbunden:
- Sollte etwa ein Kaufvertrag eine Information von allgemeinem Interesse darstellen, so ist dieser (je nach Ergebnis der Prüfung) einerseits zu veröffentlichen (z. B. Homepage), andererseits müssen die Metadaten dieses Kaufvertrags (z.B: Kaufgegenstand, Kaufpreis, Datum, etc.) in das Informationsregister eingespielt werden, über das dann ein Interessierter den Kaufvertrag im Wege eine Verlinkung zur Homepage der Gemeinde abrufen kann.
- Überdies verlangt der Entwurf, dass Informationen von allgemeinem Interesse im Sinne des Web-Zugänglichkeitsgesetzes (WZG) barrierefrei zugänglich gespeichert werden müssen.
- Im Übrigen stellt sich die Frage nach dem Nutzen und der Sinnhaftigkeit einer derart komplizierten und wohl auch fehleranfälligen Informationsinfrastruktur, an der Zigtausende informationspflichtige Stellen angebunden sind.
Auch das Vorhaben, wonach die Datenschutzbehörde die informationspflichtigen Stellen beraten, servicieren und damit auf Anfrage erforderlichenfalls Auskunft über datenschutzrechtliche Belange geben soll, greift angesichts der Vielschichtigkeit der Abwägungsentscheidungen viel zu kurz. Abgesehen davon, dass nicht nur datenschutzrechtliche Fragen aufkommen werden (Urheberrecht, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse), ist unklar, welchen rechtlichen Stellenwert Unterstützungen und Beratungen der Datenschutzbehörde haben, insbesondere dann, wenn ein Verwaltungsgericht letztendlich zu einem anderen Ergebnis
gelangt.
Forderung nach einem Gesamtpaket
In Anbetracht all dieser Unwägbarkeiten ist es nicht vermessen, anstatt eines fragilen „Transparenzpakets“ mit zahlreichen Unklarheiten ein Gesamtpaket einzufordern, das all die aufgeworfenen Punkte berücksichtigt und darüber hinaus auch weitere wichtige Punkte miteinschließen müsste:
- Echtes Informationsregister auf Bundesebene, in dem die Informationen unmittelbar abrufbar sind.
- Reduktion der Informationsansuchen durch Zugänglichmachung jener bislang nicht öffentlichen Datenbanken, Register und Verzeichnisse, deren Geheimhaltung nicht erforderlich ist.
- Bürokratieabbau durch Wegfall von Doppel- und Mehrfachmeldungen sowie von Informations- und Veröffentlichungspflichten in anderen Gesetzen.
- Anpassung von betroffenen Rechtsmaterien (Strafrecht – Verletzung des Amtsgeheimnisses, Dienstrecht – dienstrechtliche Verschwiegenheitspflichten) sogleich im Gesamtpaket und nicht erst hernach.
- Berücksichtigung der EU-rechtlichen Vorgaben, um Doppelgleisigkeiten und Parallelsysteme zu vermeiden (INSPIRE, PSI, Data Governance Act etc.).