Recht
Preisabsprachen - Wettbewerbshüter und Gerichte haben viel zu tun
Jeder in Österreich tätige Unternehmer ist bei der Ausübung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit an die kartellrechtlichen Regeln gebunden. Diese ergeben sich aus dem europäischen Wettbewerbsrecht und aus nationalen Rechtsvorschriften, so vor allem aus dem Kartellgesetz.
Die Spielregeln im Kartellrecht sind an sich klar, übersichtlich und eindeutig. § 1 Abs. 1 Kartellgesetz besagt, dass alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle) verboten sind. Dem nicht genug zählt das Kartellgesetz auf, was alles „insbesondere“ verboten ist:
- die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
- die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;
- die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
- die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
- die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.
Kartellabsprachen schaden dem Wettbewerb und führen zu einer Reihe von negativen Effekten wie weniger Innovationen, geringerer Auswahl und vor allem zu überhöhten Preisen. Geschädigte sind Konsumenten, Unternehmen, öffentliche Auftraggeber und insgesamt die Volkswirtschaft. Höhere Preise bedeuten höhere Staatsausgaben und letztlich eine Belastung der Steuerzahler.
Rekordstrafen bei LKW-Kartell
Im Rahmen des sogenannten LKW-Kartells (Kartellzeitraum zumindest von 1997 bis 2011) fanden Preisabsprachen statt, die zur Folge hatten, dass Kunden, unter diesen auch zahlreiche Gemeinden, über viele Jahre zu viel für bestellte LKW bezahlen mussten. Betroffen waren LKW und Nutzfahrzeuge der Marken Volvo/Renault, MAN, Daimler, IVECO, DAF und SCANIA zwischen 6 und 16 Tonnen.
Es handelte sich dabei um ein europaweites Kartell, das nach den Feststellungen der EU-Kommission darin bestand, dass die Hersteller Absprachen über Preise und Bruttopreiserhöhungen trafen, um ihre Bruttopreise innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums anzugleichen.
Neben einem Rekordbußgeld in Höhe von insgesamt mehr als 3 Mrd. Euro werden die Hersteller noch viel tiefer in die Tasche greifen müssen. Nach wie vor laufen europaweit Dutzende Schadenersatzverfahren, in denen über 10.000de LKW und Nutzfahrzeuge abgesprochen wird. Kolportierter Schaden pro LKW: bis zu 20% der Anschaffungskosten. Zahlreiche Gemeinden haben sich Sammelklagen angeschlossen.
Bau-Kartell ist größtes Kartell der österreichischen Wirtschaftsgeschichte
Noch nicht abgeschlossen sind die Ermittlungen zum Bau-Kartell (Kartellzeitraum zumindest von 2002 bis 2016). Bei diesem rein österreichischen Kartell handelt es sich um das größte Kartell der österreichischen Wirtschaftsgeschichte.
Die kartellrechtlichen Zuwiderhandlungen betreffen Preisabsprachen, Informationsaustausche, Marktaufteilungen und kartellrechtswidrige Arbeits- und Bietergemeinschaften genauso wie kartellstabilisierende Maßnahmen wie etwa Deckangebote oder Bieterrotationen. Nahezu sämtliche Sparten im Bereich Hoch- und Tiefbau sind umfasst: von Büro- und Wohngebäuden angefangen, über Parkplätze, Kindergärten bis hin zu Straßenbau, Brückenbau oder Kanal- und Leitungsbau.
Bislang wurden auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) vom Kartellgericht Geldbußen von mehr als 180 Millionen Euro verhängt. Auch in diesem Fall werden Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Anders als beim LKW-Kartell wird man in diesem Fall allein der Komplexität wegen nicht darum herumkommen, sich eines Prozessfinanzierers zu bedienen.
Nachdem die Dienstleistung des Prozessfinanzierers absurderweise ausschreibungspflichtig ist, hat sich die Bundesbeschaffung-GmbH (BBG) bereiterklärt, eine Prozessfinanzierungs-Rahmenvereinbarung auszuschreiben, der potenziell geschädigte Städte, Gemeinden, Gemeindeverbände sowie öffentliche Unternehmen in weiterer Folge risikolos beitreten und die in der Rahmenvereinbarung vereinbarten Dienstleistungen abrufen können. Sobald das Vergabeverfahren abgeschlossen ist, wird Kommunal berichten.
Bereits Geldstrafen im Müll-Kartell
Seit rund drei Jahren ermittelt die BWB zudem im sogenannten Müll-Kartell (Kartellzeitraum zumindest 2002 bis 2021).
Im März 2021 führte die BWB bei über 20 Unternehmen der Abfallwirtschaft Hausdurchsuchungen durch. Nach weiteren Kronzeugenanträgen, zahlreichen Whistleblowermeldungen und Einvernahmen, wurden ergänzende Hausdurchsuchungen durchgeführt. Insgesamt sicherte die BWB bei Unternehmen in fast allen Bundesländern umfangreiches Datenmaterial, davon über 60 TB IT-Daten und über 2000 Seiten an physischen Dokumenten. Gegen eine Vielzahl weiterer Unternehmen laufen die Ermittlungen der BWB noch.
Erst vor kurzem stellte die Bundeswettbewerbsbehörde einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße gegen eines der größten Unternehmen im Abfallwirtschaftsbereich. Konkret beantragte die BWB die Verhängung einer (aufgrund der Kooperation geminderten) Geldbuße in Höhe von etwas mehr als 7 Millionen Euro.
Potentiell Geschädigte sind neben Unternehmen auch Gemeinden, die die Sammlung bzw. Entsorgung von Abfall ausgeschrieben haben. Wie hoch der Schaden für die Gemeinden ist, ob und wie dieser sinnvollerweise geltend gemacht werden kann, kann seriös noch nicht beantwortet werden.