Michael Eibl
„Ich habe mir gedacht: Meine Karriere hängt nicht von einer Wiederwahl ab, weil ich mit meinem Physikstudium ein zweites Standbein habe.“ Michael Eibl über seine Überlegungen, das Amt anzunehmen.

Plötzlich Bürgermeister

Er ist ein Riegel von einem Mann, ein Fels in der Brandung. Und das muss er auch sein, denn er hat das Bürgermeisteramt in Windischgarsten in einer schwierigen Situation übernommen. Michael Eibl ist mit 23 Jahren der derzeit jüngste Bürgermeister Österreichs.

Ins Amt kam Eibl, weil alle anderen in Frage Kommenden aus beruflichen oder familiären Gründen das Amt nicht übernehmen konnten. Der Grund für die Schwierigkeiten in der oberösterreichischen Marktgemeinde: Der Leiter des Bauamts ließ aus Überarbeitung Akten über Jahre unbearbeitet liegen. Der Gemeinde entgingen dadurch Gebühren in Höhe von Tausenden Euro (Details dazu im Kasten unten). Geld, das gerade in coronabedingt finanziell schwierigen Zeiten besonders fehlt.

Der Student als Bürgermeister

Der 23-Jährige studiert derzeit in Graz Physik, wo er ein Zimmer in einer Studenten-WG hat. Davor absolvierte er eine Lehre als Transportbetontechniker, machte die Berufsreifeprüfung und war als Baustofflaborant tätig.

Wie kam es dazu, dass er sich politisch engagiert hat? „Als ich 15 war, hat mich ein Freund gefragt, ob ich im Nachbarort in der Jungen ÖVP mitarbeiten möchte. Ich habe das gemacht, und es hat mir gefallen, dass ich mich einbringen konnte. Das hat dazu geführt, dass ich auch in Windischgarsten eine Gruppe der JVP gegründet habe.“ Dazu kam noch ein Engagement in der Berufschülervertretung, wo er auch als stellvertretender Landesobmann in der Lehrlingsunion tätig war. Nach der studienbedingten Übersiedelung nach Graz leitete er dort einen Studentenverein mit rund 200 Mitgliedern.

Windischgarsten
Windischgarsten mit dem Großen und dem Kleinen Pyhrgas im Hintergrund.

Die Heimat blieb aber Windischgarsten. Trotzdem lehnte er ab, für den Gemeinderat zu kandidieren, weil er sich zu diesem Zeitpunkt auf das Studium konzentrieren wollte. Er erklärte sich aber bereit, Ersatzgemeinderat zu werden.

„Und dann kam der Anruf, ob ich nicht Bürgermeister werden will“, erzählt er trocken. „Ich bin ein pragmatischer Mensch und habe abgewogen: Was kann passieren? Was kann ich gewinnen?“ Er kam zum Schluss, dass die Vorteile überwiegen und stellte sich der Herausforderung.

„Die Situation war nicht einfach. Wir hatten die Kriminalpolizei im Haus, es war heiß und niemand wollte mit dem Skandal zu tun haben“, berichtet der Jungbürgermeister. Dazu kam, dass nächstes Jahr Gemeinderatswahlen am Programm stehen, und niemand der in Frage kommenden Kandidaten Übergangsbürgermeister sein wollte. „Auf mich ist man gekommen, weil ich derzeit beruflich flexibel bin. Ich habe mir gedacht: Meine Karriere hängt nicht von einer Wiederwahl ab, weil ich mit meinem Physikstudium ein zweites Standbein habe“, so seine Überlegungen.

Teamplay beim American Football gelernt

In seiner Freizeit spielt der 150-Kilo-Mann American Football bei den Styrian Bears. Seine Position: „Nose Tackle“ in der Defensive-Line. Als solcher steht er inmitten der Verteidigung.

„Bei dem Sport braucht man Durchsetzungskraft. Noch wichtiger ist es aber, als Team zu harmonieren. Egal auf welcher Position man spielt: Jeder muss wissen, was er zu tun hat, denn sonst geht der Spielzug nicht auf. Dieses Teamplay begeistert mich am American Football“, erklärt er, was er vom Sport in die Politik mitnehmen kann. „Und für mich ist der Sport meine persönliche Burnout-Vorsorge. Nach einem Spiel habe ich einen klaren Kopf und kann wieder voll durchstarten!“

American Football
Beim American Football ist es wichtig, als Team zu harmonieren. Das hat Michael Eibl aus seinem Sport mitgenommen.

Schwerpunkt auf Daseinsvorsorge

Als junger Politiker würde Michael Eibl gerne zukunftsweisende Projekte in Angriff nehmen. Doch in finanziell schwierigen Zeiten muss zunächst einmal die Daseinsvorsorge gesichert werden. „Wasserversorgung, Kanal und Straßenbeleuchtung sind derzeit prioritär. Dazu kommen noch die Feuerwehr und der Kindergarten. Wenn diese Dinge erledigt sind, kann man neue Projekte in Angriff nehmen“, stellt Eibl klar, dass man in den nächsten Jahren keine großen Sprünge wird machen können.

Mehr Präsenz auf Social Media

Nach den Turbulenzen der vergangenen Monate ist es dem neuen Bürgermeister wichtig, das Gemeinschaftsgefühl in Windischgarsten wieder zu stärken. Ein Schritt dafür soll der neue Webauftritt für die Gemeinde sein. „Das ist etwas, das man vorzeigen kann“, meint Eibl. Auch auf Social Media soll Windischgarsten präsent sein. „Damit kann man die Marke Windischgarsten stärken“, ist Eibl überzeugt.

Windischgarsten
In Windischgarsten hofft man, dass ein solcher Trubel bald wieder möglich ist.

Parallel dazu muss auch noch der Skandal um die nicht bearbeiteten Bauakten aufgearbeitet werden. „Ich bin kein Zauberer und kann nicht etwas wegschnipsen, das sich in 20 Jahren angesammelt hat. Das muss Stück für Stück abgearbeitet werden“, stellt Eibl klar.

Als Bürgermeister lautet sein Motto: „Wer schreibt, der bleibt.“ Eibl: „Ich werde so wenige mündliche Versprechen geben wie möglich. Und wenn ich etwas zusage, dann werde ich darauf achten, dass es verschriftlich wird, damit auch meine Nachfolger meine Entscheidungen nachvollziehen können.“

Was reizt am Bürgermeisteramt? 

„Der Job ist abwechslungsreich wie sonst kaum ein anderer. Man wird jeden Tag mit neuen Aufgaben konfrontiert“, berichtet er über die Faszination, der Tätigkeit als Gemeindechef. „Ich mag es, dass ich, wenn ich in der Früh ins Amt komme, noch nicht weiß, was mich Neues erwartet.“

Gewöhnungsbedürftig war für ihn, dass sich die Leute im Ort jetzt dafür interessieren, wie er sich verhält und was er tut. „Da wird geschaut, was ich in mein Einkaufswagerl gebe und wo ich am Wochenende fortgehe. Man steht in der Öffentlichkeit, damit muss man sich abfinden.“

Bürgermeister nicht für alles haftbar machen

Als jüngster Bürgermeister löste Michael Eibl den Burgenländer Fabio Halb ab, der diesen inoffiziellen Titel nun drei Jahre lang innehatte. Hat er eine Idee, wie man junge Menschen dazu motivieren kann, dieses wichtige Amt zu übernehmen? „Der Gemeindebund hat dazu schon einen guten Vorschlag gemacht, nämlich den Bürgermeister nicht für alles haftbar zu machen. Gerade im Baubereich ist das eine große Verantwortung, die viele nicht zu tragen bereit sind“, meint er.

Windischgarsten suchte den Bürgermeister

In Oberösterreich gab es in den letzten Jahren mehrere Skandale um unerledigte Bauakte in Gemeindestuben und damit einhergehenden massiven finanziellen Schäden für die öffentliche Hand.

Ende Februar wurde bekannt, dass in Windischgarsten 20 Jahre lang Akten liegen gelassen wurden und Gebühren nicht eingehoben wurden, weil das Bauamt überfordert war. Dadurch ist der Gemeinde ein Schaden von mehreren hundertausend Euro entstanden.

Als der Skandal aufflog, befand sich Bürgermeister Norbert Vögerl (VP) wegen eines Burnouts am Beginn eines Langzeitkrankenstandes und trat zurück. Auch der dann nachrückende vorherige Vizebürgermeister Markus Thallinger (ebenfalls VP) warf bald das Handtuch. Er ist Heimleiter und war während der Corona-Krise beruflich zu sehr eingespannt, um die Sanierung der Gemeinde anzugehen. Damit ging das Amt für kurze Zeit an den zweiten Vizebürgermeister, Reinhard Virag von der SPÖ.

Nachdem der Buchhalter der Gemeinde gekündigt hatte, erstellte ein pensionierter Finanzexperte im Auftrag der Gemeinde den längst fälligen Rechnungsabschluss für das Jahr 2019.

Mitte Mai wurde die bisherige VP-Fraktionsführerin Barbara Blutaumüller von ihrer Partei zur Vizebürgermeisterin nominiert und vom Gemeinderat gewählt. Mangels eines Bürgermeisters wurde sie damit auch gleich interimistische Gemeindechefin. Doch auch sie konnte aus beruflichen Gründen nicht Bürgermeisterin bleiben. Im August übergab sie das Amt an den neu gewählten Bürgermeister Michael Eibl.

Zur Person

Michael Eibl

Alter: 23

Gemeinde: Windischgarsten

Einwohnerzahl: 2.392

Bürgermeister seit: August 2020

Partei: ÖVP