Einkaufswagen in einem Supermarkt
Neue Technologien wie Self-Check-out, Hybridmärkte, 24h-Digi-Läden oder digital optimierte Zustellung sollen kleine Standorte wirtschaftlich tragfähig machen.
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Positionspapier

Nahversorgung sichern, bevor das Licht ausgeht

Immer mehr Gemeinden verlieren ihren letzten Nahversorger – und mit ihm oft auch das soziale Herz des Ortes. Der Österreichische Gemeindebund legt nun ein Positionspapier vor, das keine halben Sachen fordert: von flexibleren Öffnungszeiten über digitale 24-Stunden-Läden bis hin zu multifunktionalen Ortszentren. Das Ziel ist klar – Versorgung sichern, Lebensqualität erhalten und Gemeinden wieder zu Gestaltern machen.

Rund 580 Gemeinden in Österreich haben heute keinen vollwertigen Nahversorger mehr. Das bedeutet: kein Lebensmittelgeschäft mit Frischware, oft kein Bankomat, keine Poststelle – und ein Verlust an sozialer Infrastruktur, der weit über die reine Warenversorgung hinausgeht. Was bleibt, sind längere Wege, geschlossene Ortszentren und weniger soziale Treffpunkte. 

Der Österreichische Gemeindebund sieht die Nahversorgung deshalb als Herzstück lebenswerter Orte und fordert konkrete politische und wirtschaftliche Maßnahmen, um diesen Trend zu stoppen.

Dramatischer Rückgang

Nahversorgung im ländlichen Raum ist weit mehr als die Möglichkeit, Brot und Milch zu kaufen. Sie ist sozialer Anker, Wirtschaftsfaktor, Identitätsstifter und Grundvoraussetzung für Lebensqualität. Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, zeigt auch der Rückgang der Nahversorger um elf Prozent seit 2010 – trotz einer im europäischen Vergleich hohen Supermarktdichte.

Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl brachte es in Wien auf den Punkt: „Nahversorgung ist keine rein wirtschaftliche Frage, sondern eine Frage der Lebensqualität und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.“ Ohne neue Modelle droht nicht nur der Verlust von Einkaufsmöglichkeiten, sondern auch der Wegfall sozialer Treffpunkte. Mit gezielten Investitionen in Digitalisierung, multifunktionale Orte und rechtliche Flexibilisierung können Gemeinden wieder selbst Gestalter ihrer Nahversorgung werden.

Im Rahmen der Veranstaltung „Hat die Nahversorgung ausgesorgt?“ brachte der Gemeindebund Mitte Mai 2025 Vertreterinnen und Vertreter aus Gemeinden und Wirtschaft zusammen, um gemeinsam Wege zu einer gesicherten Versorgung zu finden. Die Analyse ergab vier zentrale Handlungsfelder, die nun in einem Positionspapier festgehalten sind:

Die vier Kernforderungen des Gemeindebundes

Innovation und Digitalisierung gezielt nutzen

Neue Technologien wie Self-Check-out, Hybridmärkte, 24h-Digi-Läden oder digital optimierte Zustellung sollen kleine Standorte wirtschaftlich tragfähig machen. Ergänzt werden können sie durch Rufbusse, Carsharing und Lieferdienste, um auch entlegene Haushalte zu erreichen. KOMMUNAL zeigte dazu Beispiele: Nah&Frisch betreibt bereits über 50 Hybridmärkte, MPreis setzt auf Containerlösungen, die Post auf bis zu 4.000 SB-Stationen.

Multifunktionale Zentren im Ortskern schaffen

Die Kombination aus Lebensmittelhandel und ergänzenden Dienstleistungen (Gastronomie, Post, Apotheke, Bankomat) steigert die Kundenfrequenz und senkt Kosten durch gemeinsame Infrastruktur. In KOMMUNAL betonen Bürgermeister, dass solche Orte nicht nur verkaufen, sondern verbinden – etwa in St. Koloman, wo Selbstbedienung, Post und Treffpunktfunktionen zusammenkommen.

Regulatorische Rahmenbedingungen modernisieren; das heißt:

  • Öffnungszeiten anpassen: Vollautomatisierte Verkaufsstellen sollen 24/7 öffnen dürfen, Hybridmärkte zumindest deutlich länger – auch am Sonntagvormittag.
  • Bau- und Gewerberecht erleichtern: Umbauten im Ortszentrum müssen schneller und günstiger möglich sein.
  • Marktzugang fair gestalten: Monopole (Tabak, Apotheke) im ländlichen Raum kritisch überprüfen, um kleinen Händlern Kombinationsangebote zu ermöglichen.
    Diese Forderungen greifen direkt Diskussionen aus der Nahversorgungskonferenz auf, wo etwa REWE-Manager Nagele betonte, dass Rechtslage und Realität beim Sonntagsverkauf auseinanderklaffen.

Vielfalt statt Einheitslösung – Wirtschaftlichkeit sichern

Statt Dauerförderungen braucht es lokal angepasste Konzepte, die sich am Markt behaupten können. Der Gemeindebund schlägt eine bundesweite „Profiorganisation“ nach NAFES-Vorbild vor, die Gemeinden und Unternehmer bei Konzeptentwicklung und Umsetzung professionell begleitet.

Praxisberichte in KOMMUNAL – von Foodcoops bis zu genossenschaftlich geführten Wirtshäusern – zeigen, dass individuelle Ansätze vor Ort funktionieren können, wenn sie professionell geplant sind.

Diese Vorschläge sind nicht als theoretische Wunschliste gedacht, sondern knüpfen an bereits erprobte Modelle an, die etwa in Pilotgemeinden oder durch innovative Handelskonzepte bereits umgesetzt werden. Ob genossenschaftlich betriebene Dorfläden, mobile Verkaufsbusse oder die Verbindung von Nah­versorgung mit Kultur- und Gemeinschaftsangeboten – die Praxis zeigt, dass maßgeschneiderte Lösungen vor Ort funktionieren können.

Entscheidend ist nun, dass Bund und Länder die rechtlichen Bremsen lösen, während Gemeinden und Wirtschaft gemeinsam neue Wege gehen. 

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