Text: Das Plenum des Europäischen Ausschusses der Regionen tagte im Brüsseler EU-Parlament. 
Das Plenum des Europäischen Ausschusses der Regionen tagte im Brüsseler EU-Parlament. 
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Europäische Union

Europas Regionen pochen auf Mitsprache

Europas Gemeinden und Regionen fordern über ihr Sprachrohr, den Ausschuss der Regionen der EU, mehr Mitsprache bei EU-Strategien und vereinfachten Zugang zu Fördermitteln. In Brüssel bezogen sie zur europäischen Sicherheits-, Gleichstellungs- und Qualifizierungspolitik Position.

Das Plenum des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) hat während seiner Tagung im Rahmen der Europäischen Woche der Städte und Regionen in Brüssel eine Reihe bedeutender Beschlüsse gefasst. Die lokalen und regionalen Entscheidungsträger verabschiedeten Stellungnahmen zu einigen zentralen Politikfeldern und forderten dabei eine stärkere Einbindung der kommunalen Ebene in die Ausgestaltung europäischer Strategien. Im Fokus standen unter anderem die europäische Verteidigungsbereitschaft, die Gleichstellung der Geschlechter sowie die Qualifizierung von Arbeitskräften.

Europäische Verteidigungsbereitschaft braucht regionale Verankerung

Am 15. Oktober verabschiedeten die AdR-Mitglieder eine Stellungnahme zur europäischen Verteidigungsbereitschaft 2030. Die Regionen und Gemeinden sehen sich bei sicherheitspolitischen Herausforderungen an vorderster Front und fordern eine umfassende Sicherheitsarchitektur, die über militärische Aspekte hinausgeht. Antje Grotheer, Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, betonte: "Die europäische Verteidigungsbereitschaft braucht eine nachhaltige und vor allem umfassende Sicherheitsarchitektur – denn Klimakrisen, Cyberangriffe und Desinformation bedrohen uns genauso wie militärische Aggression."

Für die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer, müssen die Gemeinden und Regionen von Anfang an in die europäische Sicherheitsarchitektur eingebunden werden, damit Investitionen in Verteidigung nicht zulasten des europäischen Zusammenhalts gehen.                                          European Union / Octavian Carare

Die Stellungnahme enthält konkrete Forderungen zur europäischen Präferenz bei Verteidigungsinvestitionen. Mindestens 70 Prozent der Kosten für Verteidigungskomponenten in finanzierten Projekten sollten aus der EU stammen, wobei die Designbehörde in der Union ansässig sein muss. Die lokalen Entscheidungsträger unterstrichen die Rolle der Regionen beim Aufbau von Technologieclustern für Verteidigung und Dual-Use-Technologie, besonders in Grenzgebieten. Regionen an den Außengrenzen, die von Aggression bedroht sind, müssten gezielte sozioökonomische Unterstützung erhalten.

Das bereits vom Rat angenommene Instrument für Sicherheitsmaßnahmen für Europa (SAFE) soll nach Ansicht des AdR sicherstellen, dass Investitionen in die lokale Industrie der EU fließen und die europäische Souveränität stärken. Die Finanzierung müsse vorrangig den EU-Mitgliedstaaten und der Ukraine zugutekommen. Zudem warnten die Mitglieder vor einer "fiskalischen Klippe" durch derzeitige Haushaltsobergrenzen und forderten einen längeren Zeitrahmen bis 2032 sowie ein neues System echter Eigenmittel zur Finanzierung der Sicherheit.

Gleichstellung der Geschlechter im EU-Budget verankern

Am 14. Oktober nahmen die lokalen Führungskräfte unter Federführung von Carina Ohlsson, Mitglied des Gemeinderats von Lidköping, eine Stellungnahme zur Gleichstellungspolitik an. Sie unterstützten die Roadmap der Europäischen Kommission für Frauenrechte und die Grundsatzerklärung für eine geschlechtergerechte Gesellschaft als Basis für die nächste EU-Gleichstellungsstrategie. Gleichzeitig kritisierten die AdR-Mitglieder, dass die Roadmap die Schlüsselrolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der praktischen Umsetzung von Gleichstellungspolitik nicht ausreichend anerkenne.

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Carina Ohlsson, Mitglied des Gemeinderats von Lidköping, fordert,   „dass die Rechte von Frauen vollständig in die EU‑Politiken und         ‑Haushalte integriert werden.“          European Union / Octavian Carare

Die Stellungnahme fordert die systematische Integration der Geschlechtergerechtigkeit in alle EU-Programme des nächsten langfristigen Budgets 2028-2034, einschließlich Kohäsions- und Aufbaufonds. Gefordert wird geschlechterresponsive Haushaltsplanung mit klaren Zielvorgaben, um sicherzustellen, dass regionale Entwicklungsstrategien zur Schließung der Geschlechterlücken beitragen, besonders in weniger entwickelten und ländlichen Gebieten. Die Debatte fand am Vorabend des Internationalen Tags der Frauen im ländlichen Raum statt.

Carina Ohlsson erklärte: "Gleichstellung der Geschlechter ist kein abstraktes Prinzip, sondern eine tägliche Realität, die in unseren Städten und Regionen gestaltet wird. Mit dieser Stellungnahme fordern wir, dass Frauenrechte vollständig in EU-Politik und -Budgets integriert werden." Die lokalen Entscheidungsträger betonten die Notwendigkeit gleicher Bezahlung, gerechter Verteilung von Betreuungsaufgaben, Förderung weiblichen Unternehmertums und inklusiver Bildung. Sie forderten zudem Rechenschaftsmechanismen wie Gleichstellungsbeobachtungsstellen und regelmäßige Gender-Audits.

Vereinfachter Zugang zu Fördermitteln für Qualifizierung

In einer Debatte mit Roxana Mînzatu, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für soziale Rechte, Qualifikationen, hochwertige Arbeitsplätze und Vorsorge, forderten die lokalen und regionalen Führungskräfte bessere Ressourcen und Finanzierung im nächsten EU-Haushalt zur Umsetzung der Union of Skills-Strategie. Die zugehörige Stellungnahme unter Federführung von Emil Boc, Bürgermeister von Cluj-Napoca, wurde ebenfalls am 14. Oktober verabschiedet.

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Roxana Mînzatu, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, findet: „Qualitativ gute Arbeitsplätze, Bildung, Kompetenzen und eine starke soziale Inklusion müssen unsere Prioritäten sein.“©European Union / John Thys

Die AdR-Mitglieder unterstrichen, dass Investitionen in Qualifikationen der stärkste Treiber der Wettbewerbsfähigkeit der EU seien. Sie forderten einfachere, besser zugängliche und koordinierte EU-Finanzierung im neuen langfristigen Budget 2028-2034. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften müssten als unverzichtbare Partner bei der Umsetzung der Union of Skills und Strategien zur sozialen Inklusion anerkannt werden. Union of Skills und Anti-Armuts-Strategie sollten sich gegenseitig verstärken, da Qualifizierung Beschäftigung fördere und Armut bekämpfe.

[Bild 18] © European Union / John Thys  Text: „Lokale und regionale Gebietskörperschaften sind nicht nur Umsetzer von anderswo getroffenen Entscheidungen. Sie sind die wahren Architekten der Transformation“, stellt der Bürgermeister von Cluj-Napoca, Emil Boc, klar.
„Lokale und regionale Gebietskörperschaften sind nicht nur Umsetzer von anderswo getroffenen Entscheidungen. Sie sind die wahren Architekten der Transformation“, stellt der Bürgermeister von Cluj-Napoca, Emil Boc, klar.                                                                       © European Union / John Thys

Die Herausforderungen sind erheblich: Nur 37 Prozent der Erwachsenen nahmen 2023 an Weiterbildungen teil, weit unter dem Ziel von 60 Prozent für 2030. Gleichzeitig schrumpft die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, während 3,5 Millionen Stellen in der EU unbesetzt bleiben. Emil Boc betonte: "Lokale und regionale Gebietskörperschaften sind nicht nur Umsetzer von anderswo getroffenen Entscheidungen. Sie sind die wahren Architekten der Transformation." Die Stellungnahme des Adr fordert Modernisierung von Bildung durch Investitionen in STEM-Kompetenzen, Digitalisierung und Berufsbildung sowie bessere Anerkennung von Qualifikationen europaweit.

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