Natalie Harsdorf
Natalie Harsdorf: „Die BWB ist so ein bisschen der Schiedsrichter, der dann pfeift und sagt: ‚Aber so geht es nicht, jetzt wird es unfair‘.“
© Bundeswettbewerbsbehörde

Wirtschaft

Kartelljägerin für Gemeinden

Preisabsprachen, Baukartelle, überteuerter Sprit – die Bundeswettbewerbsbehörde pfeift, wenn’s unfair wird. Generaldirektorin Natalie Harsdorf erklärt im Gemeindebund-­Podcast, wie sie Missstände aufdeckt und warum Gemeinden ihre wichtigsten Verbündeten sind.

In der Podcast-Reihe „Amtsgeheimnisse“ des Gemeindebundes lädt Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl spannende Persönlichkeiten zum Gespräch über gesellschaftlich relevante Themen ein. In Ausgabe #22 spricht er mit der Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Natalie Harsdorf, über ihre Aufgaben als Ermittlerin und Aufdeckerin, ihren Antrieb und darüber, warum sich Gemeinden jederzeit an die BWB wenden können. Außerdem gibt es Einblicke, was es in der Causa Baukartell Neues gibt.

Die Bundeswettbewerbsbehörde ist weit mehr als nur eine Ermittlungsbehörde gegen Kartelle. Sie ist ein wichtiger Partner für Österreichs Gemeinden in der Sicherstellung von fairen Preisen und transparenten Ausschreibungen. Wenn etwas nicht so läuft, wie es laufen soll, oder wenn Ungereimtheiten auftauchen, können sich nicht nur Unternehmen, sondern auch Gemeinden und Privatpersonen an die BWB wenden. Neben der Ermittlungsarbeit unterstützt die Behörde Gemeinden mit praktischen Hilfen: Schulungen und Checklisten helfen bei Compliance-Fragen und jede Person kann sich melden, wenn „etwas nicht mit rechten Dingen zugeht“.

„Die BWB ist so ein bisschen der Schiedsrichter, der dann pfeift und sagt: ‚Aber so geht es nicht, jetzt wird es unfair‘“, beschreibt Harsdorf die Rolle ihrer Behörde. Wettbewerb entfalte eine unglaubliche Kraft für die Wirtschaft – aber nur mit den richtigen Leitplanken sei auch gesichert, dass dieser Wettbewerb nicht verzerrt werde.

Für Gemeinden bietet die Behörde konkrete Unterstützung in verschiedensten Bereichen. „Gemeinden sind auf faire Strompreise angewiesen oder benötigen leistbare Konditionen in der Abfallwirtschaft, wenn diese privat organisiert ist“, erklärt die Wettbewerbshüterin. Die BWB sorgt dafür, dass auch Gemeinden als Kunden von funktionierendem Wettbewerb profitieren.

Erfolgreiche Zusammenarbeit: Das Beispiel Lungau

Ein praktisches Beispiel zeigt, wie effektiv die Kooperation zwischen BWB und Gemeinden funktioniert: Als sich fünfzehn Bürgermeister aus dem Lungau wegen extrem hoher Spritpreise an die Wettbewerbsbehörde wandten, handelte diese schnell. „Wir haben das dann untersucht“, so Harsdorf, die Bezirkshauptmannschaft wurde informiert. Nach der Intervention der BWB und entsprechenden Maßnahmen sind die Preise deutlich gesunken.

Die BWB macht es Gemeinden bewusst einfach, Kontakt aufzunehmen. „Wir versuchen hier – vielleicht ein bisschen atypisch für eine Behörde oder zumindest für das, was man sich von einer Behörde oft im Negativen erwartet – sehr offen zu sein für Kontaktaufnahmen“, betont Harsdorf.

Mit knapp 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann die Behörde nicht den gesamten österreichischen Markt überwachen – daher sind Hinweise aus den Gemeinden, der Dialog und Austausch besonders wertvoll. Kontaktmöglichkeiten gibt es viele: telefonisch, über die Homepage www.bwb.at oder sogar anonym über einen speziellen Briefkasten. Auch auf LinkedIn ist die BWB vertreten.

Das Baukartell – Lehrstück für organisierte Preisabsprachen

Das aufgedeckte Baukartell zeigt exemplarisch, wie Gemeinden geschädigt werden können. Über fast zwei Jahrzehnte sprachen sich Bauunternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen ab – mit Folgen für die öffentlichen Budgets. „Grundsätzlich gibt die öffentliche Hand in Österreich rund 70 Milliarden Euro im Jahr für öffentliche Ausschreibungen aus “, rechnet Harsdorf vor. Bei durchschnittlich 20 Prozent Kartellschaden entstehen Millionenverluste.

Nach den behördlichen Strafen können Gemeinden nun Schadenersatz einklagen. Harsdorf rät: „Es ist schon wichtig, dass eben auch hier – gerade bei einem so großen Kartell, das über eine so lange Zeit gelaufen ist – die Betroffenen auch Zugang haben zu den Informationen und auch zu ihrem Recht kommen.“ Damit Gemeinden herausfinden können, ob ihre Aufträge im Rahmen des Baukartells abgewickelt wurden, empfiehlt sie, die im Internet veröffentlichten „Entscheidungen des Kartellgerichtes“ aufmerksam zu verfolgen.

Aktuell sind viele Gemeinden österreichweit von diesem Fall betroffen. Um Schadenersatzansprüche zu bündeln, wurde ein gemeinsamer Prozessfinanzierer gefunden. Dennoch wird es wohl noch dauern, bis mehr Bewegung in die Sache kommt.

Weitere Fälle und Prävention

Die BWB hat Gemeinden auch schon in anderen Fällen intensiv betreut – etwa beim Müllkartell, dem LKW-Kartell oder bei Unstimmigkeiten bei gestiegenen Benzinpreisen und Vergabeabsprachen. Besonders wichtig ist der Behörde aber die Präventionsarbeit. „Gemeinsam mit dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung haben wir einen Compliance-Kompass, eine Initiative für Gemeinden, entwickelt. Die bieten wir jetzt über die nächsten zwei Jahre in jedem Bundesland einmal an“, kündigt Harsdorf an.

Compliance sei wie ein Marathon, erklärt sie: „Anstrengend auch für die öffentliche Seite. Natürlich anstrengend, denn der Weg, der nicht Compliance bedeutet oder nicht korrekt ist, ist manchmal vielleicht der einfachere und wirkt vielleicht auf den ersten Blick effizienter. Aber am Ende handle ich mir sehr viel Ärger und vielleicht sogar auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein.“

Eigenverantwortung in herausfordernden Zeiten

Harsdorf sieht gerade in der aktuellen Zeit besondere Verantwortung: „Ich glaube, gerade jetzt leben wir in einer Zeit, wo jeder und jede gefragt ist, viel Eigenverantwortung zu zeigen – Eigenverantwortung für die Werte, für die wir wirklich stehen, als Österreich, in Europa, als Gemeinden, als Länder.“

Natalie Harsdorf weiß aus Erfahrung: „Die Menschen haben ein gutes Gespür, wenn ihnen etwas komisch vorkommt.“ Ihr ist aber auch klar: „Ohne Schiedsrichter halten sich die Spieler nicht an die Regeln – und deswegen braucht es die BWB.“ Seit ihrer Gründung im Jahr 2002 habe die Behörde gezeigt, dass ihre Arbeit wirkt: „Die Bußgelder infolge der Strafverfahren zeigen Wirkung. Man merkt, dass die Unternehmen zunehmend in Compliance investieren, vorsichtiger werden und uns kontaktieren“, sagt die BWB-Chefin. 


 

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