
Ohne mutige Entscheidungen in Gebührenfragen, ohne strategische Förderpolitik und ohne überregionale Kooperation droht vielen Gemeinden der finanzielle Stillstand.
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Finanzen
Wie Gemeinden trotz knapper Kassen Zukunft gestalten
Die Finanzlage der österreichischen Gemeinden ist angespannt wie selten zuvor. Pflichtaufgaben wachsen, Kosten explodieren, Spielräume schrumpfen. Bürgermeister:innen im ganzen Land berichten von einem Alltag, in dem jeder Euro doppelt umgedreht werden muss – und in dem dennoch vieles unerledigt bleibt. Zwischen Gebührenpolitik, Förderprogrammen und dem Druck zum Sparen suchen sie nach Wegen, handlungsfähig zu bleiben. Ohne mutige Entscheidungen in Gebührenfragen, ohne strategische Förderpolitik und ohne überregionale Kooperation droht vielen Gemeinden der finanzielle Stillstand. Doch gleichzeitig zeigt sich, dass dort, wo Bürgermeister:innen offen kommunizieren und kooperieren, kreativ sparen und Förderungen gezielt einsetzen, neue Spielräume entstehen – für Kinderbetreuung, für Klimaschutz und für eine gedeihliche regionale Entwicklung.
Kennen Sie das? Man blättert Kontoauszüge oder Kreditkartenabrechnungen durch und stößt auf die eine oder andere monatliche Ausgabe, die eigentlich vermeidbar wäre. Ein Netflix-Abo, das man kaum nützt, eine kostenpflichtige App fürs Handy, die in Wahrheit nicht hält, was die Werbung versprochen hat. Für sich genommen sind das oft keine großen Beträge, aber wenn man alle eigentlich unnötigen Ausgaben zusammenzählt, kann schon etwas zusammenkommen.
Weg mit dem Speck
Nicht anders ist das in einer Gemeinde. Erst recht in schwierigen Zeiten wie diesen ist es auf jeden Fall sinnvoll, da und dort etwas Speck wegzuschneiden. Mit etwas Glück geht das ohne große Widerstände vonstatten, weil es keine echten Verlierer gibt. Vorausgesetzt, Sie binden sowohl die Öffentlichkeit als auch die Opposition im Gemeinderat frühzeitig ein. Das Letzte, was Sie jetzt brauchen, sind mühsame Diskussionen um des Kaisers Bart. Jetzt ist Offenheit gefragt – und Leadership.
Günstigere Finanzierung
Gerade beim Schuldendienst der Gemeinde lässt sich mitunter an einigen Schrauben drehen. Vorausgesetzt man weiß, wo es sich anzusetzen lohnt. In der Praxis werden Sie gut beraten sein, sich hier professionelle Expertise zu holen: Wo zahlt es sich aus, nachzuverhandeln, vielleicht auch auf ein anderes, langfristig günstigeres Finanzierungsmodell umzusteigen? Das gilt gerade auch bei finanziellen „Altlasten“. Aber Vorsicht: Jetzt ist nicht die Zeit für riskante Experimente.
Wie umgehen mit Investitionen?
Keine Frage: Die Verzögerung des Baubeginns eines bereits fix geplanten Projekts ist nicht populär. Aber angesichts der massiven Preissteigerungen in der Baubranche kann es durchaus lohnend sein, noch ein Jahr zu warten, bevor die Bagger auffahren.
Experten gehen davon aus, dass die derzeit extrem hohen Kosten für eine neue Straße oder die Renovierung des Gemeindeamtes mittelfristig wieder sinken werden. Wenn der Baubeginn nicht verschoben werden kann, sollten Sie trotzdem noch einmal mit scharfem Blick über jene Details gehen, die in besseren Zeiten abgesegnet wurden: Vielleicht tut es hier und dort auch die günstigere, zweitbeste Lösung. Solche Einsparungen sind nicht populär, aber davon geht die Welt nicht unter.
Bessere Organisationsstruktur
Es geht nicht darum, Bedienstete vor die Tür zu setzen. Ganz im Gegenteil: Gerade auch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung erlauben es, bei überschaubaren Investitionskosten Prozesse zu automatisieren und damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für andere Aufgaben freizuschaufeln.
Mit einer geschickten Organisationsreform und dem richtigen Einsatz von digitalen Helfern in der Amtsstube lassen sich mittelfristig Kosten sparen – auch wenn natürlich zunächst Investitionen notwendig sein werden. Früher oder später wird die digitale Amtsstube ohnehin in jeder Gemeinde zum Alltag gehören. Es zahlt sich aus, dieses Projekt jetzt anzugehen, wo die Gemeinde in der Regel noch einen gewissen finanziellen Spielraum hat. Noch dazu lässt sich das kommunale Leistungsangebot durch die Digitalisierung schnell ausweiten.
Zugleich lohnt es sich auch, jetzt einen scharfen Blick auf all jene kommunalen Leistungen zu werfen, die oft mit erheblichem Mehraufwand intern erledigt werden. Manchmal (nicht immer) zahlt es sich unter dem Strich aus, gewisse Aufgaben an externe Anbieter auszulagern.
Niemand soll in eine Notsituation geraten, weil er oder sie einfach nicht in der Lage ist, die kommunalen Gebühren fristgerecht zu entrichten. Trotzdem sollte man bei Außenständen genauer hinsehen und diese auch konsequent einfordern. Eine gewisse Kulanz bei persönlichen Zahlungsproblemen ist besonders auch in kleinen Gemeinden, wo man einander kennt und auch manches über die Lebenssituationen der Bürgerinnen und Bürger weiß, völlig in Ordnung. Für den Schlendrian beim Kassieren sollte es aber gerade jetzt keinen Platz mehr geben.
Ermessensausgaben
Keine Frage, hier wird es haarig. Aber die Frage sollte zumindest erlaubt sein, ob wirklich alle Sponsoringausgaben und Förderungen für Veranstaltungen notwendig sind – und ob es nicht Möglichkeiten gibt, hier etwas einzusparen. Achtung: Gerade wenn es darum geht, Vereinen oder Veranstaltungen Geld zu kürzen, sollten Sie das Gespräch mit allen Akteuren suchen und aktiv für Ihr Anliegen werben. Suchen Sie das Gespräch mit der Opposition, nehmen Sie die anderen Parteien mit in die Verantwortung. Und: Bleiben Sie einfach bei der Wahrheit: Wir alle wissen, dass die Zeiten nicht besser werden und die Gemeinde sparsamer haushalten muss.
Notfallplan
Neben diesen schnellen und insgesamt relativ unproblematischen Einsparungsmöglichkeiten gibt es natürlich viele wirklich schmerzhafte Einschnitte. Das können teure Angebote sein, die von der Gemeinde derzeit kostenlos angeboten werden, Leistungen, die nicht in den kommunalen Aufgabenbereich fallen oder die wirtschaftlich schlicht nicht zu rechtfertigen sind.
Und ja, wenn der Hut brennt, könnten auch Entlassungen beim Personal oder die Streichung von sozialen Leistungen unvermeidbar sein. Niemand will das. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig zu handeln.
Dennoch wäre jetzt der Zeitpunkt, vielleicht in Zusammenarbeit mit externen Fachleuten, einen knallharten Kürzungsplan für den finanziellen Notfall zu erstellen. Mit etwas Glück werden Sie ihn nie brauchen. Aber wenn es nicht anders geht, wissen Sie, was zu tun ist.
„Bürgermeister Zeitung“
Dieser Text ist zuerst erschienen in der Oktober-Ausgabe der „Bürgermeister Zeitung“, die sich aus verschiedenen
Blickwinkeln mit dem Thema „Finanzen“ beschäftigt.
Die „Bürgermeister Zeitung“ ist ein unabhängiges Fachmagazin für kommunale Entscheiderinnen und Entscheider, das zehnmal jährlich im Österreichischen Kommunal-Verlag erscheint.
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