Podiumsdiskussion mit dem Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Ralph Spiegler, EU-Parlamentarier Othmar Karas, Ministerin Elisabeth Köstinger, Moderator Meinrad Knapp, Zukunftsforscher Daniel Dettling und Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl.
Podiumsdiskussion mit dem Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Ralph Spiegler, EU-Parlamentarier Othmar Karas, Ministerin Elisabeth Köstinger, Moderator Meinrad Knapp, Zukunftsforscher Daniel Dettling und Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl.
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Miteinander durch die Krise

23. September 2020
Die Folgen von Corona sind für Landwirte, Unternehmer, Tourismusmanager oder eben auch für die Bürgermeister enorm. Impulsgeber Daniel Dettling, Othmar Karas und Elisabeth Köstinger und die Gemeindebund-Präsidenten Alfred Riedl und Ralph Spiegler (Deutscher Städte- und Gemeindebund) gaben zum Abschluss einen Ausblick auf die kommenden Herausforderungen und Chancen, die die Krise uns bietet.

Was braucht es, um aus den krisengebeutelten Zeiten gestärkt und mutig in die Zukunft zu blicken? Bei der Beantwortung dieser Frage waren sich alle Diskutanten einig: Nur im Kollektiv, in einem vereinten Weg von der Gemeindestube, den Ländern und dem Bund bis hin nach Brüssel, kann es gelingen, mit breiter Brust die kommenden Jahre anzugehen.

„Wir Gemeinden haben aufgrund des Zusammenrückens mit Bund und Ländern gemerkt, dass wir transparenter, intensiver und näher zusammenarbeiten als jemals zuvor. Das ist insofern auch den Gemeinden geschuldet, die rasch auf die wichtigen Themen in der Krise reagiert haben, um nun in die aktive Zukunftsentwicklung voranzuschreiten“, gab Gemeindebund-Chef Alfred Riedl zu Wort. Das schlage sich auch in aktuellen Umfragen nieder: „95 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister geben an, die Corona-Krise rückblickend gut überstanden zu haben. 93 Prozent der befragten Ortschef sagen, dass sie mit den seit März gesetzten Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Corona-Krise zufrieden sind und diese als notwendig erachteten.“

Auch Deutschlands Städte- und Gemeindebund-Präsident Ralph Spiegler pflichtete Riedl bei und verwies auf einen ähnlich eingeschlagenen Weg in der Bundesrepublik: „Ich fahre mit vielen neuen Erkenntnissen aus Bad Aussee nach Deutschland zurück. Die Akzeptanz der Bevölkerung zu den Maßnahmen, die die Bürgermeister in ihren Kommunen gesetzt haben, war auch bei uns sehr hoch.“ Für ihn sei ebenso das Ansehen der Kommunen in der Krise gestiegen.

„Wir waren zu spät solidarisch.“ Auf die Frage von Moderator Meinrad Knapp eingehend, welche Erkenntnisse die EU durch die Krise mitnehmen konnte, meinte Europaparlamentarier Othmar Karas: „In der Pandemie haben wir deutlich gesehen, wo die Grenzen, die Schwächen und Defizite in der EU liegen – dass wir kaum eine wirkliche Gesundheitskompetenz haben. Wir müssen lernen, Europa krisenfester zu gestalten. Ich persönlich habe in den letzten Monaten vielmehr eine Kompetenz- als eine Solidaritätsdebatte erkennen können.“

Für Karas war dies durchaus ein Lernprozess, den es für eine sonnigere Zukunft Europas so wohl gebraucht hat: „Wir haben gelernt, dass wir unabhängiger auf allen Ebenen werden müssen. Denn es kann nicht sein, dass wir einen Großteil der weltweiten Patente auf diesem Kontinent haben, die meisten Produktionen jedoch ausgelagert werden. Wir waren zu spät solidarisch.“

Paneuropa als Antwort auf Pandemie

Das Patent-Problem sprach anschließend auch Daniel Dettling an: „Mit den europäischen vier Prozent der Weltbevölkerung erwirtschaften wir über 40 Prozent der Patente. Da sieht man, dass Quantität alleine noch nicht ausreicht.“

Allerdings sah Dettling die Zukunft Europas etwas skeptischer als Karas: „Es braucht bei dieser Frage einen kritischen Optimismus. Wir brauchen mehr Europa. Uns muss klar und bewusster werden, was unsere Werte ausmacht und wo unsere Grenzen (mit Verweis auf die Vergiftung des Kreml-Kritikers Nawalny, Anm.) sind. Im Sinne von Städtepartnerschaften braucht es auch bilaterale Kooperationen und schließlich ein Paneuropa als Antwort auf die Pandemie. Die Corona-Krise hat unsere Schwächen verstärkt und aufgezeigt – auch jene der Globalisierung“, so der deutsche Zukunftsforscher.

Doch was haben wir aus der Corona-Krise gelernt und wie geht es nach der Krise weiter? Die Zukunftsforschung geht, so Dettling, von vier Szenarien aus. Die zwei positiven sind das Neo-Biedermeier und die resiliente Welt. Beide bringen Chancen für die Regionen und Gemeinden mit sich. Er spricht aber auch von zwei pessimistischen Szenarien: der totalen Isolation sowie dem nervösen Breakdown.

Die großen Verlierer der Krise sind laut Dettling die Städte: „Dort waren die Infektionszahlen größer, die Verbreitung war größer, die Angst größer“, so der Zukunftsforscher. Der ländliche Raum und die Gemeinden erlebten hingegen in der Krise eine Renaissance. Dettling nennt diese Entwicklung „Glokalisierung“, also die Symbiose aus global und lokal.

„In der Glokalisierung verbindet sich die lokale Ebene zunehmend mit der globalen Ebene, die von einem gemeinsamen Wertewandel begleitet wird. Gleichzeitig befördert diese Entwicklung auch die lokale Identität“, befindet Daniel Dettling. Es heißt: Die Welt ist unser Dorf. Bestätigung findet die Zukunftsforschung in Studien: „Wenn man die Leute fragt, wo sie am liebsten leben wollen, so sagen 40 Prozent ,in der Kleinstadt‘ und 38 Prozent ,im Dorf‘.“ Das heißt, die neue Synthese der Glokalisierung führt auch zu einer Aufwertung des ländlichen Raums und der Regionalisierung.

Daniel Dettling zeichnete auch ein Bild von den Kommunen der Zukunft: „Die Zukunftskommunen erkennen die drei Re’s: die Re-Regionalisierung, das Re-Mote, und die Re-Silienz“, so Dettling. Diese Schlagwörter beinhalten laut dem Zukunftsforscher, dass neue Wohnformen, gemeinsames Arbeiten, Co-Mobilität, sowie Fürsorge und Vorsorge in den Zukunftskommunen wichtiger werden. Dafür brauche es Digitalisierung und künstliche Intelligenz. „Dafür braucht es aber vor allem die kommunale Intelligenz, also die kollektive Intelligenz vor Ort“, so Dettling. Und dafür braucht es mehr Krisenfestigkeit. Gefordert seien hier vor allem die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, „denn sie sind die Akteure der Krisenfestigkeit“, so Dettling.

Lebensmittel aus der Region für die Region als Zukunftsmodell

Auch Bundesministerin Elisabeth Köstinger pflichtete den Diskutanten bei, dass das Virus zu einem Umdenken geführt habe – nicht nur, was die Landwirtschaft betrifft: „Die Bedeutung der heimischen Landwirtschaft als lebenswichtige systemrelevante Infrastruktur hat zugenommen. Unsere Bäuerinnen und Bauern produzieren Lebensmittel bester Qualität nach höchsten Standards – auch in Krisenzeiten. Darauf können sich die Österreicherinnen und Österreicher verlassen. Und darauf sollten wir auch künftig verstärkt setzen, um weniger von Importen abhängig zu sein. Lebensmittel aus der Region für die Region sind das Zukunftsmodell.“

Köstinger
Ministerin Elisabeth Köstinger: „Machen Sie über die Gemeindemilliarde Ihre Gemeinde zukunftsfit!“

Bereits in den Regierungsverhandlungen sei herausgekommen, so Köstinger, dass in der kommenden Periode ein Schwerpunkt auf Gemeinden und Regionen gelegt werden müsse. Siedlungswasserwirtschaft, Bergbau, Tourismus, Zivildienst: Köstinger freut sich, all diese wichtigen Bereiche in ihrem Ressort abdecken zu dürfen. Zur Bewältigung ihrer Aufgaben brauche es aber eine gute Zusammenarbeit mit der Klimaschutzministerin. Extreme Wetterereignisse treten nicht mehr nur alle zehn Jahre, sondern mittlerweile fast jedes Jahr auf: Schädlinge, die Wälder kahl fressen etwa. „Im Waldviertel wurden ganze Bezirke innerhalb weniger Jahre komplett entwaldet, das stellt uns vor eine riesige Herausforderung“, sorgt sich Köstinger.

„Machen Sie über die Gemeindemilliarde Ihre Gemeinde zukunftsfit!“ Speziell Breitband, Internetversorgung und Telekommunikation standen durch die Corona Krise vor einem nie da gewesenen Stresstest – der glücklicherweise bestanden wurde. „Auch an 5G wird man nicht vorbeikommen“, so Köstinger. Zu dieser neuen Technologie kursieren viele Verschwörungstheorien im Netz. „Die Politik der Angst ist eine unendliche. Vor allem ihr als Bürgermeister bekommt die Angst als Erster ab, wenn Leute faktenbefreit Druck auf die Gemeinde ausüben“, so Köstinger. Die Ministerin betonte, dass die Gesundheit an oberster Stelle stehe und speziell bei den 5G-Netzen viel mit Medizinern und Forschern gearbeitet werde, um das zu gewährleisten.

„Wir wollen euch da bestmöglich unterstützen, damit wir gemeinsam vor allem in die Randlagen das schnelle Internet bringen können. Es muss ein gewisser Prozentsatz an 5G-Ausbau auch im ländlichen Raum sichergestellt werden – das wird im neuen TKG-Gesetz auch drinnenstehen.“