Eisenbahnschienen steuern auf Licht zu
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Ministerium auf Kollisionskurs

Trotz Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im März 2014 und der sich daraus abzuleitenden Kostenersatzpflicht des Bundes hat das zuständige Verkehrsministerium bislang keinen einzigen Kostenersatzantrag einer Gemeinde positiv erledigt. Eine inakzeptable Hinhaltetaktik zum Leidwesen der Gemeinden, der Eisenbahnunternehmen und der Verkehrssicherheit.

Zahlreiche Gemeinden haben in den letzten Jahren die ihnen von den Eisenbahnunternehmen gestellten Rechnungen an das Ministerium (BMVIT) zwecks Ersatz der Kosten für die technische Sicherung von Eisenbahnkreuzungen übermittelt. Damit entsprachen die Gemeinden jener Vorgehensweise, die wenige Monate nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH vom 12. März 2014, F 1/2013-20) mit dem BMVIT vereinbart wurde.



So Gemeinden überhaupt eine Rückmeldung auf ihren Antrag erhalten, lautet diese in allen bisherigen Fällen sinngemäß, dass das BMVIT nicht imstande sei, die Kosten zu ersetzen, da andere Umstände und nicht die Eisenbahnkreuzungsverordnung (EisbKrV 2012) ursächlich für die Kosten seien. Die mit der rechtlichen Vertretung des BMVIT beauftragte Finanzprokuratur begründet diese Haltung in erster Linie damit, dass nur die durch die EisbKrV 2012 zusätzlich entstandenen finanziellen Ausgaben zu ersetzen sind. Da die technischen Sicherungen jedoch auch auf Grundlage der Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 (EKVO 1961) erfolgen hätten müssen, ergäben sich durch die EisbKrV 2012 keine zusätzlichen Kosten – so der Tenor.



Dass das BMVIT tatsächlich davon ausgeht, dass die EisbKrV 2012 (doch) keine Kosten verursacht, ist umso bemerkenswerter, als die finanziellen Auswirkungen der Verordnung letztlich ausschlaggebend für das vom Österreichischen Gemeindebund angestrengte Verfahren beim VfGH waren, das der Bund letzten Endes verloren hat.



Sollte die EisbKrV 2012 tatsächlich keine (zusätzlichen) finanziellen Auswirkungen zeitigen, wie es das BMVIT vermeint, so bestünde zu zwei grundlegenden Fragen dringender Klärungsbedarf:

Weshalb ist das BMVIT (verspätet, aber letztlich dann doch) seiner bundeshaushaltsgesetzlichen Pflicht nachgekommen und hat im Verordnungsentwurf Kostenfolgen in Höhe von 250 Mio. Euro angegeben?

Weshalb hat der Bund nicht schon im Verfahren beim Verfassungsgerichtshof auf den seiner Meinung nach vorliegenden Umstand hingewiesen, dass die EisbKrV 2012 (doch) keinerlei Kostenfolgen für die Gemeinden nach sich zieht bzw. die Verordnung keine zusätzlichen finanziellen Ausgaben verursacht?



Hinzuweisen ist auch darauf, dass für den Fall, dass die Verordnung tatsächlich keine zusätzlichen finanziellen Ausgaben verursachen würde, das vom Österreichischen Gemeindebund angestrengte Verfahren vor dem VfGH unzulässig gewesen wäre. Denn gemäß Art. 4 Abs. 5 der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus kann der VfGH nur angerufen werden, wenn die (dargestellten) jährlichen finanziellen Auswirkungen eine bestimmte Bagatellgrenze überschreiten.



In diesem Zusammenhang ist auch klarzustellen, dass es völlig unzweifelhaft ist, dass es sich bei den in jedem Verordnungs- oder Gesetzesentwurf „darzustellenden finanziellen Auswirkungen“ um die – im Falle einer Verletzung der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus – zu ersetzenden „tatsächlich entstandenen zusätzlichen finanziellen Ausgaben“ handelt. Dies ergibt sich allein schon aus Art. 4 Abs. 2, 4. Satz der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus, der beide Termini in ihrer inhaltlichen Bedeutung gleichsetzt.

Irrationale Hinhaltetaktik



Dass der Bund, im Speziellen das BMVIT, keine Freude mit der Entscheidung des  VfGH hat, ist verständlich, denn letztlich geht es um viel Geld – um sehr viel Geld. Denn neben den angeführten Kostenfolgen für die technischen Sicherungen in Höhe von 250 Mio. Euro, von denen die Gemeinden gemäß Eisenbahngesetz rund die Hälfte als Träger der Straßenbaulast zu tragen haben, verursacht die EisbKrV 2012 auch Erhaltungs- und Inbetriebhaltungskosten sowie Erneuerungskosten (nach Ablauf der Nutzungsdauer) der technischen Sicherungen. Zu bemerken ist, dass allein die Betriebskosten – über den Zeitraum der Nutzungsdauer gesehen (25 bis 30 Jahre) – etwa die Höhe der Errichtungskosten ausmachen.



Das alles ändert freilich nichts daran, dass das BMVIT die aus seiner Sicht  ungünstige Situation selbst verschuldet – um nicht zu sagen – geradezu provoziert hat. Dass nunmehr (nach Entscheidung des VfGH) das BMVIT den Kostenersatzanspruch der Gemeinden bestreitet, fügt sich jedenfalls in das Bild des BMVIT, das es in dieser Angelegenheit von Beginn an an den Tag gelegt hat:


  • Keine Einbindung der Gemeindeebene als (Haupt-)Betroffene in die Vorbereitung und Erarbeitung der Verordnung,

  • keine Berücksichtigung der massiven Bedenken, die von Gemeindeseite im Rahmen der Begutachtung geäußert wurden,

  • keine Einberufung des Konsultationsgremiums trotz klarer Verpflichtung.






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Das BMVIT will jene Kosten, die es selbst zu verantworten hat, nicht tragen. Verständnis dafür, dass auch Gemeinden diese Kosten nicht tragen wollen und vielfach – im Unterschied zum Bund – auch gar nicht tragen können, gibt es freilich nicht. Zahlreiche Gemeinden stünden am Rande ihrer Existenz, würden sie die Rechnungen begleichen, die sie von den Eisenbahnunternehmen erhalten.

Eisenbahnunternehmen unter Zugzwang



Keine Freude mit dieser Patt-Situation haben auch die Eisenbahnunternehmen. Letztlich sind sie verpflichtet, die technischen Sicherungen auf Grundlage der EisbKrV 2012 umzusetzen. Gemäß Eisenbahngesetz müssen die Eisenbahnunternehmen – so mit den Trägern der Straßenbaulast nichts anderes vereinbart ist – den Hälfteanteil der Kosten tragen. Hinsichtlich des anderen Hälfteanteils treten die Eisenbahnunternehmen in Vorleistung und stellen den Trägern der Straßenbaulast (zumeist Gemeinden) diese Kosten in Rechnung.



Da sich aber Gemeinden zurecht weigern, die teils exorbitanten und existenzbedrohenden Kosten ohne Zusicherung des Kostenersatzes durch das BMVIT (Bund) zu tragen, bleiben die Eisenbahnunternehmen nicht selten auch auf den zweiten Hälfteanteil der Kosten sitzen.

Die Eisenbahnunternehmen haben zusätzlich das Problem, dass - so die Gemeinde mit dem Eisenbahnunternehmen keine zivilrechtliche Vereinbarung abgeschlossen hat - die sich aus dem Eisenbahngesetz ergebende Verpflichtung der Gemeinde zur Zahlung des Hälfteanteils kein zivilrechtlicher Anspruch ist. Dies hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2014 unmissverständlich klargestellt (OGH 4Ob 122/14s). Der OGH geht noch weiter und stellt in seiner Entscheidung fest: „Daran, dass […] eine ausdrückliche Regelung für die Durchsetzung der gesetzlichen Hälfteregelung sinnvoll wäre, hat der Gesetzgeber offenbar nicht gedacht.“ Wie ein Eisenbahnunternehmen seinen demgemäß „öffentlich-rechtlichen“ Anspruch gegen die Gemeinde durchsetzen kann, ist daher völlig offen.

Auch die Verkehrssicherheit bleibt auf der Strecke



Das vom BMVIT vorgegebene Ziel der EisbKrV 2012 war die Erhöhung der Verkehrssicherheit durch technische Aufrüstungen bislang ungesicherter und Auflassungen nicht mehr erforderlicher Übergänge. Von Beginn an wurde von vielen Seiten zu hinterfragen versucht, ob durch die Verordnung das Ziel überhaupt erreicht werden kann. Denn abgesehen davon, dass auch statistische Zahlen diese Zweifel nähren, machen Unvernunft und Unachtsamkeit weder vor Lichtzeichen noch vor Schrankenanlagen Halt. Die Verkehrsteilnehmer zur Räson bringen einzig und allein Kontrollen und saftige Strafen. Und selbst wenn man davon ausginge, dass die EisbKrV 2012 und die damit verbundenen zahlreichen technischen Sicherungen tatsächlich zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit führen, bewirkt die durch das BMVIT hervorgerufene Patt-Stellung Verzögerungen in der Umsetzung der technischen Sicherungen und damit genau das Gegenteil.



Demnächst wird wieder der VfGH am Zug sein und endgültig Klarheit über die Kostenersatzpflicht des Bundes und deren Umfang schaffen. KOMMUNAL wird berichten.