
„Man muss sich Freunde suchen“
Was hat Sie als Gemeindevertreterin dazu bewogen, ein Mandat im Ausschuss der Regionen anzunehmen?
Ich habe schon immer gerne über die Grenzen geschaut. Gemeindepolitik endet nicht an der Gemeindegrenze, sondern geht weiter. Ich halte es für wichtig, sich mit anderen Politikerinnen und Politikern der regionalen und lokalen Ebene zu vernetzen.
Wenn man in Brüssel ist, lernt man auch viele Best-Practice-Beispiele kennen, die Anregungen geben, Neues umzusetzen. Und schließlich und endlich erfährt man hier Vieles, das nicht in den Medien berichtet wird, das aber trotzdem interessant ist.
Was fließt von dem, das der Ausschuss der Regionen beschließt, in die Gesetzgebung der EU ein?
Direkt fließt sehr wenig in die Gesetzgebung ein. Es läuft eher so, dass man die eigenen Agenden auch außerhalb der Sitzungen einbringt, etwa, wenn man sich mit Europaparlamentariern trifft. Man muss sich Freunde suchen, auch über die eigene Partei und die nationalen Grenzen hinaus.
Ein Beispiel ist das Thema „Wolf“. Als wir das das erste Mal in Sitzungen eingebracht haben, hat kaum jemand verstanden, worum es geht. In vielen Gegenden Europas ist der Wolf ja kein Problem. Wir haben aber nicht lockergelassen, und mittlerweile wurde erreicht, dass in der Kommission ein Umdenken stattgefunden hat.
Was sind Ihre Hauptthemen, die Sie im AdR eingebracht haben?
Unter anderem habe ich mich mit der Abwasserrichtlinie und der Gebäudeeffizienzrichtlinie befasst. Da geht es oft um überbordende Regelungen, wo es in der praktischen Anwendung Probleme gibt. Wenn man das nicht rechtzeitig einbringt, dann ist es oft zu spät.
Wie verläuft die Willensbildung im AdR? Eher innerhalb der Fraktion oder innerhalb des Landes?
Man kann sagen: Nation vor Fraktion. Natürlich sind wir Österreicher nicht immer einer Meinung, aber ich würde sagen, dass wir bei 95 Prozent der Anträge gleich abstimmen.
Wie bringt man das, das in Brüssel im AdR passiert, auf die Gemeindeebene? Interessiert es die Bürgermeister?
Es ist schwierig, aber es kommt natürlich auf das Thema ein. Zuletzt hatten wir in der nationalen Vorbesprechung das Thema Migration auf der Tagesordnung, das ist natürlich ein Thema, das Viele interessiert. Allerding ist das, was auf EU-Ebene passiert, sehr komplex, und man muss einen langen Atem haben.
Ich habe die Frage gestellt: Wie erkläre ich das meinen Gemeindebürgerinnen und -bürgern? Es ist ja oft schon schwierig, den Menschen Landes- oder Bundesgesetze zu erklären, weil das Leben nun einmal nicht einfach ist. Aber es ist nun einmal so, dass Vieles, das in Brüssel beschlossen wird, am Ende des Tages in der Gemeinde ankommt.
Aber die Menschen interessiert es erst dann, wenn es eben bei ihnen ankommt …
Genauso ist es. Als es einmal um ein Thema der Müllentsorgung ging, habe ich mit der Abfallentsorgung in meiner Gemeinde gesprochen und gefragt, wie das in der Praxis funktionieren kann.
Man ist hier ein bisschen ein Bindeglied zwischen der Theorie und der praktischen Anwendung. Und man muss versuchen, Themen so darzustellen, dass sie für viele der rund 300 Abgeordneten verständlich sind, denn natürlich steht ein Vertreter einer peripheren Region, wie etwa der Azoren, vor anderen Herausforderungen als wir hier in Österreich.
Wie sehen Sie die Zukunft der Regionalpolitik in der EU, etwa was Urbanisierung oder Abwanderung betrifft?
Ich glaube, dass die Regionalpolitik stärker werden muss. Es gibt auch Ansätze, dass der AdR mehr gehört werden soll, weil die EU ein Problem mit Akzeptanz in der Bevölkerung hat. Wir. als regionale und lokale Vertreterinnen und Vertreter. sind das Bindeglied zur Bevölkerung.
Deswegen will man ja das österreichische System der Europagemeinderäte jetzt EU-weit ausrollen. Dazu gibt es auch einen Vertrag mit dem AdR, um das zu fördern.
Die EU hat erkannt, dass die Botschaften, die sie aussendet, auch bei den Endverbrauchern ankommen müssen. Das geht am besten mit Hilfe der Gemeinden.
Ich sage immer: Wenn wir es schaffen, dass vor jedem Gemeindeamt eine Europaflagge hängt, dann bringt das schon sehr viel für die Akzeptanz der Union.
Der Ausschuss der Regionen
Der Ausschuss der Regionen der EU (AdR) ist das gemeinsame EU-Plenum der politisch legitimierten Vertreterinnen und Vertreter aller Regionen, Kommunen und Städte aus den 27 EU-Mitgliedstaaten.
Der AdR ist beratendes Organ im Rahmen des EU-Gesetzgebungsprozesses. Die österreichische Delegation im AdR zählt zwölf Mitglieder (je eines pro Bundesland, zwei für den Gemeindebund und eines für den Städtebund) und ebenso viele stellvertretende Mitglieder.
Der AdR wurde im Vertrag von Maastricht geschaffen und wird von der Europäischen Kommission (EK) und dem Europäischen Parlament (EP) mit Rechtsvorhaben befasst, die Auswirkungen auf die Regionen haben.