Maschineller Asphalteinbau
Maschineller Asphalteinbau mittels Fertiger und Walze. Um der Wiederverwendung von recycelten Stoffen eine zusätzliche Bewertung zu geben, können Kriterien zur Materialverwertung, der Reduktion der Umweltbelastung, der Wiederverwendung und der Zulieferung von Recycling-Baustoffen für die Vergabe des Auftrags im Vergleich der Bieter berücksichtigt werden.
© Wolfsteiner

Nachhaltige Ausschreibungsstandards für Gemeinden

Gemeinden müssen mit finanziellen Mitteln umsichtig umgehen, insbesondere wenn es um Infrastrukturbauten geht – diese nehmen einen bedeutenden Teil des Gemeindebudgets in Anspruch.

Das Errichten der Infrastruktur ist das eine, die Erhaltung das andere. Um sowohl das eine als auch das ­andere in guter Qualität zu bekommen, braucht es sowohl gut geschultes Personal als auch Standards, die den Bürgern eine moderne, kostengünstige und funktioniere Infrastruktur wie Straßen, Plätze, Brücken, Bahnübergänge oder Begegnungszonen in nachhaltiger Qualität bietet. 

Nachhaltig bauen

Was bedeutet nun Nachhaltigkeit im Einzelnen? Bauwerke so zu bauen, dass ökologische Vorgaben, wie Klimaneutralität oder Ressourcenschonung, eingehalten werden; ebenso soziale Aspekte, wie die Berücksichtigung der Ansprüche älterer Personen oder junger Familien mit Kindern – dies alles unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit.

Diese neuen Aspekte erfordern eine überlegte Vorgangsweise bei der Ausschreibung und Vergabe – eine Hilfestellung dazu wird seit wenigen Wochen in Form von vorformulierten Zuschlagskriterien seitens der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr (FSV) angeboten, die diese als Ergänzung zu der für den Tiefbau angewendeten Standardisierten Leistungsbeschreibung Verkehr und Infrastruktur (LB-VI) veröffentlicht hat.

Standardisierte Regelwerke und Leistungsbeschreibungen

Der Gesetzgeber sieht für öffentliche Dienststellen und Einrichtungen vor, dass standardisierte Regelwerke und Leistungsbeschreibungen für den Bau und Erhalt von Infrastrukturbauten angewendet werden. Standardisierte Regelwerke und Leistungsbeschreibungen werden in paritätisch besetzten Arbeitsausschüssen erarbeitet und erlangen dadurch einen breiten Konsens zwischen Auftraggebern, Industrie und Planern. 

Normen und Regelwerke sind zu bevorzugen

Dieser Konsens spiegelt den in der allgemeinen Praxis angewendeten Stand der Technik wider. Das Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG) bestimmt in § 105 Abs. 3, dass, wenn „für die Beschreibung oder Aufgliederung bestimmter Leistungen geeignete Leitlinien, wie ÖNORMEN oder standardisierte Leistungsbeschreibungen, vorhanden“ sind, „auf diese Bedacht zu nehmen“ ist. Grundsätzlich wird daher im BVergG erwartet, dass die Nutzung von technischen Standards, festgehalten in Normen und Regelwerken, bevorzugt wird.

Die FSV wurde in den 1950er-Jahren gegründet, um ursprünglich rein technische Verfahren im Verkehrswesen in Regelwerken (RVS) zu standardisieren. Erweitert wurden die Regelwerke in weiterer Folge auch durch das Einwirken der technischen Standards in Ausschreibungsstandards.

Die Standardisierte Leistungsbeschreibung Verkehr und Infrastruktur (LB-VI) beinhaltet etliche Leistungspositionen zur Umsetzung von Bauvorhaben der öffentlichen Hand – das reicht vom Straßen- und Güterwegebau über den Landschaftsbau, den Siedlungswasserbau und Flussbau bis hin zur Abfallwirtschaft. Zentrales Element einer Ausschreibung ist das Leistungsverzeichnis mit den Leistungspositionen, die sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Bauprojekt enthalten sollten.

Einsatz von Recycling-Baustoffen

Die österreichische Klimastrategie verlangt 25 Prozent weniger Primärbaustoffe bis 2030. Dies erfordert den Einsatz von Recycling-Baustoffen, wenn nicht weniger gebaut werden soll, um das Defizit der reduzierten Rohstoffmengen auszugleichen. Das ist eine von vielen österreichischen Maßnahmen zum Erreichen der Ziele des Klimaabkommens von Paris.

Zur Unterstützung öffentlicher Auftraggeber im Verkehrswegebau wurde die RVS 10.02.12 – Zuschlagskriterien für Bauaufträge im Verkehrswegebau – entwickelt, die 2023 erneuert wurde. Gegenüber der älteren Version wurden Kriterien der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit ergänzt.

Wohin mit dem Aushub- und Abbruchmaterial?

Weil bei Bauprojekten meist Bauwerke saniert, abgerissen oder neu gebaut werden, fällt in der Umsetzung mehr oder weniger Aushub- und Abtragsmaterial an, das im Kontext der ökologischen Nachhaltigkeit und zur Erreichung der Klimaziele möglichst umfassend recycelt werden sollte, statt es wie üblich zu deponieren.

Um der Wiederverwendung von recycelten Stoffen aber eine zusätzliche Bewertung zu geben, können Kriterien zur Materialverwertung, der Reduktion der Umweltbelastung durch LKW-Transporte oder der Wiederverwendung von aufbereitetem Bodenaushubmaterial als Betonzuschlag und der Zulieferung von Recycling-Baustoffen für die Vergabe des Auftrags im Vergleich der Bieter berücksichtigt werden. Konkret bedeutet dies, jene Bieter zu bevorzugen, die ökologisch vorteilhaftere Lösungen anbieten. 

Die Materialverwertung hat als Kriterium das Ziel, die Umweltbelastung durch Deponierung von Aushub- und Abtragsmaterial zu verringern, indem das Material auf der Baustelle wiederverwendet wird. Zusätzlicher Effekt hierbei ist eine Reduktion von LKW-Transporten. Die Materialverwertung erfordert die Aufbereitung, um qualitative Kriterien (bautechnisch, umwelttechnisch) zu erreichen. Dabei sind Kriterien zur Aufbereitung von Abbaumaterial auf der Baustelle vorzusehen.

Das Kriterium der Zulieferung von Recycling-Baustoffen hat den Zweck, den erwähnten Abbau von Primärbaustoffen zu verringern und stattdessen Produkte der Kreislaufwirtschaft einzusetzen. Einerseits schont diese Maßnahme die Primärrohstoffquellen, wie etwa Steinbrüche, andererseits reduziert sie die Deponierung von nicht verwendeten Abbruchmengen.

Soziale Nachhaltigkeit

Die RVS 10.02.12 enthält neben der Anwendung von Kriterien zur ökologischen Nachhaltigkeit auch Kriterien der sozialen Nachhaltigkeit – diese beinhalten beispielsweise Kriterien zur Erhöhung der Arbeitssicherheit und die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Lehrlingen.

Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben viel Know-how, das auf Baustellen ein hohes Gut ist. Da aber meist jüngeres Personal bevorzugt wird, werden ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer öfters in die Arbeitslosigkeit gedrängt. Daher kann über eine prozentuelle Beschäftigungsquote von älterem Personal eine Bewertung nach Punkten eingeführt werden, die als qualitatives Merkmal im Vergleich der Bieter angewendet wird.

Dasselbe gilt im Bereich der Lehrlinge, die für ihre berufliche Entwicklung praktische Erfahrungen sammeln sollen. Die Bewertung würde über die Beschäftigungsquote von Lehrlingen auf Baustellen laufen: Bieter mit einer höheren Quote an Lehrlingen bekommen mehr Punkte im Bietervergleich.

Neue Standards müssen gelehrt werden

Das Netzwerk aus rechtlichen und technischen standardisierten Regelwerken und Leistungsbeschreibungen hat das Ziel, getragen von einem möglichst breiten Konsens von Expertinnen und Experten, eine hohe Qualität im öffentlichen Auftragswesen zu ermöglichen. Die Regelwerke sind Basis für die praktische Anwendung und weitergehende Forschung und auch für Schulungen des Personals verwendbar.

Schon in HTL und in technischen Studienrichtungen müssen die technischen Standards gelehrt werden, um neue Generationen damit vertraut zu machen. Wenn sich sowohl über die Anwendung oder durch neue Erkenntnisse aus der Forschung dem System förderliche Neuerungen ergeben, sind Regelwerke anzupassen. 

Dementsprechend sind standardisierte technische Regelwerke und ebenso Ausschreibungsstandards ein Zeichen der aktuellen Zeit und werden immer wieder überarbeitet und modernisiert.