
Die ländlichen Regionen sind beim Netzausbau benachteiligt, weil sie für die Wirtschaft im Vergleich mit dichtbesiedelten Gebieten weniger verlockend sind.
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Glasfaserausbau: Nur Jordanien ist schlechter als wir
Die Glasfaser-Infrastruktur in Österreich liegt im Argen. Um die Wettbewerbsfähigkeit nicht komplett zu verlieren sind rasche Investitionen notwendig. Dazu müssen Gemeinden von sich aus aktiv werden und sollten sich nicht auf Förderungen verlassen.
Angola ist doppelt so gut, Puerto Rico dreimal so gut, Trinidad und Tobago mehr als zehnmal so gut wie Österreich. Die Rede ist dabei nicht von Hochsee-Fangquoten oder dem Wirtschaftswachstum, sondern von der Anbindungsrate an das Glasfasernetz.
Während landauf, landab ständig von Smart City, Smart Living, Smart Housing usw. geschwärmt wird, hinkt die Realität den Visionen in beschämendem Ausmaß hinterher. Das FTTH Council Europe, dem über 150 Unternehmen und Organisationen aus der Glasfaser-Industrie angehören, hat in seinem Global Ranking 2017 (auf Basis der Daten vom Februar 2018) die Anbindungsrate der Haushalte ans Glasfasernetz erhoben. Ergebnis: Österreich liegt bei allen erhobenen Staaten weltweit mit 1,2 Prozent auf dem vorletzten Platz. Nur Jordanien schneidet mit 1,1 Prozent noch schlechter ab. Länder wie Kasachstan, Weißrussland oder der Oman sind uns Lichtjahre voraus. Im europäischen Vergleich sind wir sowieso Letzter, in Reichweite bestenfalls noch Serbien. Umso dringlicher ist es, den Ausbau tatsächlich auch anzugehen.
Gemeinden brauchen Alternativen zu Förderungen
Ganz besonders die ländlichen Regionen sind beim Netzausbau benachteiligt, sind sie doch für die Wirtschaft im Vergleich mit dichtbesiedelten Gebieten weit weniger verlockend. Rurale Gemeinden stützen ihre Erwartungen daher häufig zur Gänze auf die staatlichen Fördermittel. Dabei gäbe es für sämtliche Gemeinden Alternativen mit schnelleren und rentableren Wegen zur Finanzierung, Errichtung und zum Betrieb. Diese Botschaft ist gleichzeitig die Quintessenz einer Veranstaltung zum Thema Glasfaserausbau in Österreich.
Regionen haben es leichter als einzelne Gemeinden
Bei der „1. Finanzierungs-Enquete" der „Action Group Gigabit Fiber Access" (AGGFA) stimmten die Experten aus Wirtschaft, Technik und Verwaltung darin überein, dass die Kommunen selbst aktiv werden müssen.
„Immer noch glauben viele, dass Glasfasernetze nur mit öffentlichen Mitteln, also ausschließlich mit Förderungen, gebaut werden können. Spricht man von Glasfaser, erhält man sofort die Frage: Welche staatlichen Förderungen gibt es? Das ist der falsche Ansatz! Glasfasernetze sind genauso zu finanzieren, wie andere Infrastrukturvorhaben auch", resümiert AGGFA-Leiter Heinz Pabisch.
Sein Ratschlag: Gemeinden sollten kooperativ als Region auftreten, um von potenziellen Investoren wahrgenommen zu werden. Diese ermöglichen nämlich intelligente Finanzierungsvarianten, die die Umsetzung der Infrastrukturvorhaben insgesamt beschleunigen. Ganz ohne staatliche Förderungen geht es auch nicht. Wo der Ausbau wirschaftlich nicht möglich ist, sind sie sinnvoll und erforderlich. Der alleinige Heilsbringer werden sie aber nur in den seltensten Fällen sein können.
Investoren und Kapital sind vorhanden
„Was den Breitbandausbau anbelangt, befinden wir uns im Wilden Westen", erklärt Finanzierungsexperte Thomas Hillebrand von Pricewater & Cooper’s die aktuelle Situation in Österreich. Unterschiedlichste Pilotprojekte versuchen auf verschiedensten Wegen zum Ziel zu kommen. Der gesetzlichen Grundlage nach ist auch vieles möglich. Investoren und Kapital gäbe es auch für die ländlichen Regionen genug, Finanzierungsmodelle ebenso. Die Hürden für die Gemeinden liegen vielmehr darin, möglichst viele Betroffene an einen Tisch zu bekommen, tragfähige Konzepte auszuarbeiten und Organisationsstrukturen zu schaffen.
Trotz höchster Relevanz für Gemeinden fanden sich überraschend wenige Kommunalvertreter im Publikum der Finanzierungs-Enquete. Jenen, die sie verpasst haben, sei zumindest die erste AGGFA Fiber-Enquete am 18.April in Wien empfohlen. Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene werden hier unter anderem erörtern, wer den flächendeckenden Ausbau einer Glasfaser-Infrastruktur sicherstellen kann.