Gemeinden nicht überfordern

Die Zahl der Asylquartiere in Gemeinden steigt rasant an. Das freiwillige Engagement, das derzeit die wesentliche Säule der Integration ist, darf man aber nicht überstrapazieren.

Österreich wächst aufgrund der Zuwanderung stärker als erwartet. 2015 zogen 115.000 Personen nach Österreich. Das ist ein Plus von 1,3 Prozent. Derzeit hat Österreich knapp 8,7 Millionen Einwohner, prognostiziert waren für 2016 8,6 Millionen. Damit liegt das Bevölkerungswachstum deutlich über dem der letzten Jahre. 2014 beispielsweise betrug der Bevölkerungszuwachs trotz beginnender Flüchtlingswelle lediglich 0,91 Prozent beziehungsweise 77.140 Personen.



Obwohl unser Land bereits in der Vergangenheit größere Zahlen an Asylanträgen bewältigt hat (150.000 Asylanträge nach dem Aufstand in Ungarn 1956), hat die aktuelle Zuwanderungswelle einen großen Unterschied: Sie lässt sich nicht auf ein einmaliges Ereignis zurückführen und es handelt sich nicht um Menschen aus unseren Nachbarländern bzw. ehemaligen Kronländern, die sich aufgrund der ähnlichen Geschichte leichter integrieren ließen.



Die Gemeinden sind dabei in vielerlei Hinsicht gefordert und müssen für die Versäumnisse der Bundes- und Landesregierungen auch noch geradestehen. Die Kommunen und vor allem die Bürgermeister/innen müssen medial als Prügelknaben herhalten, wenn es um fehlende Quartiere geht.



Dabei gab es im September 2014, als die Innenministerin das erste Mal die Gemeinden zur Unterstützung bei der Asylquartiersuche aufrief, noch keine Übersicht, welche Anforderungen es für Quartiere gibt – und das obwohl der Gemeindebund dies mehrmals bei den Krisensitzungen gefordert hatte. Bis heute haben noch nicht alle Bundesländer eine Homepage mit den gesammelten Informationen zur Quartierbereitstellung.

Vorbild Vorarlberg



Wie wichtig eine Informationsübersicht ist, sieht man am Beispiel Vorarlberg. Dort wurde in Zusammenarbeit zwischen Land, Gemeindeverband und der Caritas eine Homepage aufgesetzt, die alle Informationen – egal ob für die Gemeinde, den Bürger oder die Wirtschaft – bereitstellt.



Dies hat zweifelsohne dazu beigetragen, dass in Vorarlberg von 96 nur mehr in acht Gemeinden keine Asylquartiere gefunden werden konnten.

Hotels waren „nicht gut genug“



Ähnlich schwierig war es anfangs mit der bevorzugten Quartiergröße: Erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 wurden auch kleinere Quartiere akzeptiert. Ein ganzes Jahr hat es gedauert, bis mit Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg die ersten Bundesländer die Vorschriften gelockert haben, aufgrund derer die Mehrzahl der angebotenen Quartiere abgelehnt wurden.



Selbst ehemalige Hotels, in denen wenige Monate davor noch Gäste nächtigten, waren auf einmal nicht mehr „gut genug“ für die Asylwerberunterbringung, weil sie nicht mehr den aktuellen Bau- und Sicherheitsstandards entsprochen haben.

Auch, dass die wenigsten Gemeinden selbst nicht ad hoc Wohnraum zur Verfügung stellen können, weil sie in der Regel über keine geeigneten Gebäude verfügen, wird von den Medien oft ignoriert.



Am Ende sind es dennoch die Gemeinden und ihre Bürger, die für Lösungen sorgen. Als endlich die Vorschriften gelockert und auch kleinere Quartiere angenommen wurden, stieg die Zahl der aufnehmenden Gemeinden rasant an. Gab es am 26. August 2015 erst 747 Gemeinden, die Asylquartiere bereitstellten, stieg die Zahl innerhalb von fünf Monaten um 572 auf 1.319 Gemeinden. Damit bringen 63 Prozent - und somit fast zwei Drittel - aller Gemeinden Asylwerber unter.



Anders als in den Großquartieren sind es in den kleinen Einheiten die Bürger, die Betreuung und Integration der Flüchtlinge übernommen haben. Sie leisten die Mehrzahl der Deutschkurse, sorgen bei Problemen für Unterstützung, integrieren die Flüchtlinge in Vereinen und sie tragen wesentlich zur Akzeptanz in der Bevölkerung bei.



Die Bürgermeister und Gemeindemandatare erfahren oft erst durch die Medien von der Unterbringung in Asylquartieren und motivieren trotzdem durch großen persönlichen Einsatz die Bevölkerung soweit, dass sie mithilft, diesen Menschen wieder eine Heimat zu geben.

Integration als Herausforderung der nächsten Jahre



Die Gemeinden sind aber nicht nur bei der Bereitstellung von Asylquartieren gefordert. Die größte Aufgabe der nächsten Jahre werden die soziale und wirtschaftliche Integration der Zugewanderten sowie die Wohnraumschaffung sein. Bereits jetzt steigen die Kosten im Sozialbereich massiv an. 2014 zahlten die Gemeinden 6,3 Prozent bzw. 97 Millionen Euro mehr in den Sozialtopf als noch 2013. Für 2015 erwarten wir noch viel größere Zuwächse. International gesehen lag Österreich damit bereits im Spitzenfeld und weit über dem OECD-Schnitt.



Oberste Priorität muss jetzt sein, diesen persönlichen Einsatz in den Gemeinden nicht überzustrapazieren. Dazu tragen hoffentlich auch die beim Asylgipfel beschlossenen Maßnahmen wie die Obergrenze bei. Die Gemeinden müssen mit einer Vielzahl an Maßnahmen bei den Integrationsmaßnahmen unterstützt werden. Hier muss jede Ebene ihre Aufgaben bestmöglich wahrnehmen, sonst werden wir diese Hürde nicht nehmen können. Und in besonderem Maße ist auch die EU-Kommission gefordert. Sie muss für Lösungen an den europäischen Außengrenzen sorgen, und nicht, wie kürzlich Deutschland, jene Mitgliedstaaten, die den Großteil der Last tragen, für ihre Asylsysteme kritisieren.