Infrastruktur
Eine Region nimmt den Internet-Ausbau selbst in die Hand
33 Gemeinden sind in Braunau schon mit an Bord. Fünf bis sechs weitere haben Interesse angemeldet, müssen aber noch einen Gemeinderatsbeschluss vollziehen. Was die Gemeinden dafür bekommen, erzählen Erwin Moser und Willem Brinkert von Regiohelp, der Glasfaser-Verbund-Genossenschaft des Bezirks Braunau.
„Es wird in allen Gemeinden fix eine Leerverrohrung gebaut werden. Die Verpflichtung des Investors, einen Vollausbau zu zahlen, besteht, sobald eine Take-up-Rate von 60 Prozent vorhanden ist.“
Das heißt, wenn in einer Gemeinde oder in einer Zone 60 Prozent der Haushalte angeschlossen werden wollen, ist die Verpflichtung des Investors da, auch den letzten Stadl irgendwo am Rand eines Waldes mitzuversorgen. Die Verrohrung findet aber nicht sofort statt, sondern im Laufe des Projekts. Es hat sich schon früher am Beispiel Munderfings gezeigt, dass bei einer engen Zusammenarbeit mit der Gemeinde die Take-up-Rate sowieso erreicht wird. „Innerhalb von nur drei Monaten haben wir in den ersten Regionen schon über 50 Prozent Verträge einsammeln können“, so Moser.
Das Koordinierungsteam wird mit Ende März auf rund 12 bis 15 Personen aufgestockt sein. Bautechnisch sind mehr als 50 Leute im Einsatz und für die Regiohelp-Marketing-Abteilung kommen nochmals acht Personen dazu. „Wir setzen schon stark darauf, dass die Gemeinden ihren Beitrag leisten, Werbung dafür machen und Verträge einsammeln – nichtsdestotrotz müssen die Gemeinden angeleitet werden“, ergänzt Brinkert.
Wie alles begonnen hat. Oder: Wie kommen die Gemeinden zu Regiohelp?
Am Anfang stand das Projekt Munderfing. Moser: „Wir haben mit dem Bauen 2016 begonnen, der Gemeinderatsbeschluss war 2015. Das Projekt Braunau hat mit den ersten Gemeinderatsbeschlüssen 2018 begonnen, 2019 ist die Genossenschaft gegründet worden, 2020 die Projekt GmbH und seit November letzten Jahres sind wir im Bau und planen, im ersten Quartal werden die ersten Kunden angeschlossen.“
Und damals hat Erwin Moser, seinerzeit Amtsleiter von Munderfing, schon darauf gesetzt, dass engagierte Bürger das mit unterstützen. „Ein paar Gemeinden aus der Inkoba-Region Innviertel Süd wurden dann aufmerksam und wollten das auch. Am Ende waren es elf oder zwölf Gemeinden. Wir waren in der Situation, dass die Investitionssumme zu klein war, um die richtigen Investoren zu finden. Wir sind daher aktiv auf Nachbargemeinden zugegangen, haben das Modell vorgestellt und damit rasch ein interessantes Investitionsvolumen erreicht. Mittlerweile kommen die Gemeinden auf uns zu und wir sind nun 33 Gemeinden in der Genossenschaft. Auch aus anderen Regionen in Österreich haben wir Interessensbekundungen - von Gemeinden aus der Steiermark, aus dem Burgenland und Oberösterreich. Die Gemeinden sollten halt nicht abwarten, bis jemand zu ihnen kommt, sie müssen das aktiv angehen.“
Brinkert: „Wir brauchen eine Mindestgröße an Interessenten (Gemeinden und Haushalte), die möglichst geografisch zusammenhängen, damit das funktioniert. Das lässt sich aber meist bewerkstelligen. Wenn man eine Interessensbekundung von einer Gemeinde hat und diese aufklärt, dann kümmern die sich darum, dass Nachbargemeinden mitmachen.“
Die kritische Masse bei der Mindestgröße an Interessenten liegt zwischen 10.000 und 15.000 Haushalten, abhängig von der Geografie.
Vorhandene Infrastruktur macht es günstiger
Viele Gemeinden haben innerhalb des Ortsgebiets bereits Leerverrohrungen. Die Glasfaser-Genossenschaft hat vor, eine einheitliche und flächendeckende Lösung in jeder Gemeinde zu bauen, wo sich alle Parteien zu gleichen Bedingungen und zu gleichen Kosten an das Netz anschließen können.
„Wenn es vorhandene und nutzbare Infrastruktur gibt, dann ist das gut, weil es das Projekt günstiger und effizienter macht“, so Moser. Da müsse man sich aber mit den Eigentümern einig werden. Wenn dies die Gemeinden selbst sind, dann ist es leicht, weil das Ganze so strukturiert wird, dass die Gemeinden die Eigentümer des Netzes sind. Wenn es andere Parteien sind, dann muss man Leasing- oder Pachtverträge abschließen oder andere Übernahmeverhandlungen führen.
Gut Ding braucht Weile. „Es hat einige Zeit gedauert, bis das Projekt da war, wo es heute ist. Das war auch zu erwarten und es ist Tagesgeschäft, solche Verhandlungen zu führen“, meint Brinkert.
Wie die Umsetzung funktioniert
„Wir haben ein im Glasfaserbau erfahrenes finnisches Bauunternehmen, das unter anderem auch Microtrenching anwenden wird, gewinnen können. Das ist eine der teuersten Varianten in dem Projekt, auf die wir aber nicht den Fokus legen werden. Wie werden möglichst konventionell arbeiten, also pflügen, baggern und Spülbohrungen einsetzen – gegebenenfalls aber auch andere Methoden anwenden, und Microtrenching ist eine von ihnen.“
Für den Einsatz von Microtrenching ist eine wichtige Voraussetzung, dass man genau weiß, welche Leitungen wo und in welcher Tiefe bereits vorhanden sind. Dazu werden auf den geplanten Kabeltrassen alle bestehenden Leitungseinbauten mittels Bodenradar erhoben.
Was das Microtrenching allgemein anbelangt, ist das eine Diskussion auf unterschiedlichen Ebenen. Rein technisch gesehen ist es nicht anders als beim Baggern, nur dass die Künette schmaler ist. Anstatt dass sie 30 Zentimeter breit ist, wird sie nur drei oder fünf Zentimeter breit aufgeschnitten. „Das bedeutet einen deutlich geringeren Eingriff in die Infrastruktur. Die Diskussion der Methoden – und ich möchte da nicht ins Detail gehen – ist sehr stark vom Unternehmertum in Österreich getrieben“, wie Brinkert anmerkt.
Ganz pragmatisch meinen beide: Je schmaler man die Künette macht, desto besser ist es für die Infrastruktur. Es ist eine schnelle Methode, wenn auch teuer, weil man nach wie vor Asphalt aufmachen und daher auch wieder zumachen muss. Das wird aber versucht mittels Pflügen und Baggern entlang der Straßen zu vermeiden. Letztendlich ist ein Mix verschiedener Methoden das Richtige.
Ist das für die Dienstanbieter interessant?
Im Fall des Projekts Braunau ist mit einem Anbieter schon alles ausgehandelt und mit weiteren Unternehmen sind die Verhandlungen auch schon weit fortgeschritten. Ab Mitte des Jahres 2022 mit zweien, auch mit einem großen und bekannten Marktteilnehmer in Österreich, der auf diesem Netz spielen will.
Brinkert: „Wir haben vor, in der Bauphase bei diesem Projekt immer vorsichtig zu starten, Routinen einzuschleifen, sodass alles genau funktioniert. Ab dem Moment, in dem die Routinen und die Systeme live sind, hat der Kunde eine breite Palette an Dienstleistungen. Das betrifft Internet, Telefonie, Fernsehen, aber auch Dienstleistungen, die digital erwerbbar sind. Von digitalen Arztterminen quer durch die Bank alles, was digital möglich ist, kann man dann über das gleiche Netz erledigen.“
Die Pandemie war ein Katalysator für den Glasfaserausbau. Das Bewusstsein der Gemeinden ist jedenfalls geschärft worden. Und das Interesse der Gemeinden ist größer geworden, ähnliche Lösungen zu bekommen. Das merkt man bei Regiohelp an der allgemeinen Marktsituation in Österreich, wo jedes Bundesland an seinem eigenen Zugang zu flächendeckender Glasfaser-Infrastruktur arbeitet.
Die Pandemie war ein Katalysator für den Glasfaserausbau
Das Bewusstsein der Gemeinden ist jedenfalls geschärft worden. Und das Interesse der Gemeinden ist größer geworden, ähnliche Lösungen zu bekommen. Das merkt man bei Regiohelp an der allgemeinen Marktsituation in Österreich, wo jedes Bundesland an seinem eigenen Zugang zu flächendeckender Glasfaser-Infrastruktur arbeitet.
Kommt man da nicht den Landesambitionen in die Quere? Wie verhält sich das Land dazu?
Darauf geben beide eine Antwort: „Zurückhaltend.“ Man müsse einen Schritt zurückgehen.
Es gibt natürlich auch noch andere Initiativen zu dem Thema, etwa seitens der Bundesregierung, und prinzipiell ist es gut, dass es diese Initiativen gibt – sehr gut sogar, wie Moser und Brinkert meinen. Doch alles, was die Landesregierungen oder der Bund tun können, ist fördern. Und sie fördern jetzt in einen Markt, der in Wahrheit keine Daseinsvorsorge ist, sondern der Ende der 1990er-, Anfang der 2000er-Jahre liberalisiert wurde. Damit fließen Förderungen und Subventionen in die Privatwirtschaft. Das vernünftig zu machen ist ein schwierigeres Thema.
Grundsätzlich ist im gesamten Projekt in Braunau kein Cent Fördergeld vorgesehen. Die Genossenschaft Braunau zeigt auf, dass in einer flächendeckenden Region wie dem Bezirk Braunau der Glasfaserausbau ohne Fördermittel durchaus machbar ist. In Summe ist die Schwierigkeit, dass Glasfaserausbau keine Daseinsvorsorge ist und Steuergeld hergeschenkt wird. Egal ob die Fördermittel aus der Breitbandmilliarde oder aus den Landestöpfen stammen, egal ob in der Steiermark oder in Oberösterreich oder sonst wo. Am Ende des Tages wird Geld hergegeben.
„Wenn man das ganze Thema so betrieben hätte wie den Kanalausbau, wäre das unseres Erachtens eine gute Lösung gewesen. Der Kanalausbau hat mit Geldern des Bundes als Darlehen funktioniert. Hätte der Bund jeder Gemeinde ein Darlehen gegeben, mit zwei oder drei Prozent verzinst, um die Infrastruktur wie damals beim Kanalausbau flächendeckend zu bauen, hätte das tadellos funktioniert und wir hätten überall flächendeckend ein offenes Netz. Statt diesem Ansatz wird Geld in die Privatwirtschaft geleitet und das führt zu steigenden Kosten.“
Was zur Frage führt, wie viel der Ausbau bislang gekostet hat. Brinkert: „Das Gesamtvolumen in Braunau umfasst 85 Millionen Euro. Das sind die Kosten für 36 Gemeinden, von denen 33 Gemeinden in der Genossenschaft schon fix dabei sind.“
Das Netz gehört am Ende des Tages den Gemeinden
Das Regiohelp-Modell besagt, dass die Infrastruktur der öffentlichen Hand gehört. Nach Ablauf des Finanzierungsvertrags (und das ist von Anfang an genau definiert) geht sowohl die gesamte Infrastruktur als auch die Wertschöpfung in den Besitz der Gemeinden über und nicht an Privatunternehmen, den Bund oder das Land. Das ist eine Wertschöpfung direkt für die Gemeinden.
Erwin Moser: „Die Gemeinde braucht kein Geld in die Hand nehmen, nur mit 1.000 Euro in die Genossenschaft eintreten. Damit ist gewährleistet, dass sie nach 40 Jahren um einen symbolischen Euro das Netz bekommt. Das Netz geht dann ins Eigentum der Genossenschaft über, die den Gemeinden gehört. Sie müssen das Netz nicht kaufen, das ist von Anfang an ganz klar geregelt.“
Übrigens gibt es von Anfang an aus dem Projekt heraus eine Art solidarischen Beitrag in der Region: 50 Cent aus jedem Internetvertrag gehen ab Betriebstag eins monatlich an die örtliche Feuerwehr bzw. an das Rote Kreuz in der Region.