Zahlen schweben durch weißen Raum
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Ein Babylonisches Zahlengewirr

Für den Haushalt zählt ein administratives Defizit, ein Maastricht-Defizit, und nunmehr auch ein strukturelles Defizit. Begriffe wie Two-Pack, Six-Pack, budgetäre Transparenz und EPSAS beziehungsweise IPSAS begleiten uns nebenbei. Wer soll hier den Überblick behalten?

Jede Person, jeder Haushalt steht vor dem Dilemma, mit seinen Einkünften seine Ausgaben bedecken zu können. Zumindest die laufenden Ausgaben sollten mit den Einnahmen gedeckt werden. Daneben sollte noch etwas überbleiben, um größere Investitionen zu decken oder für Krisenfälle vorzusorgen. Für größere Anschaffungen – heutzutage auch schon für Güter des täglichen Bedarfs – war es schon bisher üblich, einen Kredit aufzunehmen, der in der Folge zurückgezahlt wurde. Dabei muss der Kredit aus den laufenden Einnahmen bedeckt werden können. Dieser einfache Grundsatz, dass man langfristig nicht mehr ausgeben kann als man einnimmt, ist heute nicht nur für den privaten Haushalt verloren gegangen.



Er gilt nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für Unternehmungen in der Wirtschaft, aber auch für die öffentliche Hand. Wenn Unternehmungen langfristig mehr ausgeben als sie einnehmen, stehen sie irgendwann vor dem Konkursrichter. Für die öffentliche Hand fehlen weitgehend derartige Regelungen. Es ist schon klar, dass für größere Unternehmen und die öffentliche Hand keine einfachen Einnahmen- und Ausgabenregelungen gelten können. Die Rechnungslegungsvorschriften waren in der Vergangenheit für die Privatwirtschaft und die öffentliche Hand auch unterschiedlich geregelt. Während die öffentliche Hand nach der Kameralistik abrechnete, wurden für Unternehmen Bilanzierungsvorschriften nach den Grundsätzen der Doppik entwickelt. Auch im Bereich der öffentlichen Hand wurde die Kameralistik beständig weiterentwickelt bzw. durch zusätzliche Vorgaben ergänzt. Im Bereich des öffentlichen Haushalts ist der Haushaltssaldo oder Finanzierungssaldo die Differenz der Ausgaben und Einnahmen. Ein rechnerisch korrekter staatlicher Haushalt ist stets formal ausgeglichen. Es kommt jedoch darauf an, auf welche Weise der Ausgleich herbeigeführt worden ist. Einen Ausgleich durch Kreditaufnahmen zu finanzieren bringt langfristig Probleme, da damit die Schulden steigen. Diese wesentlichen Grundsätze finden sich auch in den haushaltsrechtlichen Vorschriften für Gemeinden. Sie sehen eine Untergliederung zwischen ordentlichen (laufenden) und außerordentlichen (einmaligen) Ausgaben – Investitionen vor. Eine Schuldaufnahme für Ausgaben im ordentlichen Haushalt ist unzulässig. Ein wesentlicher Umstand, weshalb die Gemeinden in den vergangenen Jahren bis auf wenige Ausnahmen ausgeglichen budgetiert haben bzw. Überschüsse erwirtschaften konnten.



Spätestens mit dem Inkrafttreten des Maastricht-Vertrages, in den insbesondere die Bestimmungen zur Schaffung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen eingefügt wurde, ist das Haushaltswesen durch viele andere Kriterien, welche die Stabilität der gemeinsamen Währung sichern sollen, gekennzeichnet.



Das Kriterium der Haushaltsstabilität (Defizitquote unter drei Prozent und Schuldenstandsquote unter 60 Prozent des BIPs) wurden als dauerhaftes Kriterium angelegt. Das sogenannte Maastricht-Defizit wurde geschaffen. Bei der Berechnung des Maastricht-Defizits werden bestimmte Transaktionen der Ergebnisrechnung ausgeschieden und Transaktionen aus der Vermögensrechnung dazugezählt. Um diesen Vorgaben zu entsprechen, wurde eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt. Zum Beispiel die Unzahl von Ausgliederungen im Bundesbereich in ausgelagerte Gesellschaften. Um europaweit einen besseren Vergleich herbeizuführen, werden die Defizite und Schulden auch in Relation zum BIP gesetzt. Um eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Ländern herbeizuführen, wurde eine Neufassung des ESVG (europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen) beschlossen und im vergangenen Jahr eingeführt. Über Nacht haben sich die Schulden Österreichs entsprechend erhöht. Da die vielen Ausgliederungen nunmehr zumindest ihren budgetären Zweck nicht mehr erfüllen, überlegt man wiederum die Eingliederung in den normalen Haushalt. Von dem Aufwand, der damit verbunden ist, können die Gemeinden ein Lied singen. Beim Maastricht-Defizit ist es allerdings nicht geblieben. Nunmehr sprechen wir vom strukturellen Defizit. Für die Berechnung des strukturellen Defizits wird das Maastricht-Ergebnis um konjunkturelle Effekte und um Einmal-Effekte bereinigt. Unterschiedliche Konjunkturprognosen von den anerkannten Forschungsinstitutionen, erschweren die Berechnung. Aber das haben Prognosen so an sich. Wir haben daher ein administratives Defizit, ein Maastricht-Defizit und nunmehr auch ein strukturelles Defizit. Begriffe wie Two-Pack, Six-Pack, budgetäre Transparenz und EPSAS bzw. IPSAS begleiten uns nebenbei.



Den zum Teil europäischen Vorgaben entsprechend hat für sich der Bund seine Budgetarchitektur mit dem neuen Haushaltsgesetz grundsätzlich neu geregelt. Ein 3-Komponenten-System mit Ergebnis-, Finanzierungs- und Vermögenshaushalt, einer Wirkungsorientierung, die Untergliederung in Global- und Bereichsbudgets soll zu mehr Transparenz, besserer Verständlichkeit und Kommunizierbarkeit der Budgets beitragen (so Steger in Budget­reform: Lessons learned from Austrian Case, Wien 2013). Ob dies gelingt, wird vom Ao.Univ.Prof. Werner Pleschberger in seinem Beitrag in „Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich, 55 (Heft 4)“, aber auch von Univ.-Prof. Schauer in „ÖHW Jahrgang 56 (Heft 1-2) zum Rechnungsabschluss des Bundes“ kritisch hinterfragt. Wenn aber schon die Wissenschaft die Ergebnisse hinterfragt, wie sollen sich die Abgeordneten und Bürger noch einen Überblick verschaffen können?



Die Intentionen des Rechnungshofes gehen in die Richtung, das Haushaltsrecht des Bundes auch auf die Länder und Gemeinden zu übertragen. Wieder mit den Argumenten mehr Transparenz, bessere Steuerung und Vergleichbarkeit und Verhinderung von „hohen Verlusten“. Ich wage zu bezweifeln, dass dies gelingen kann. Geschweige denn was der einzelne Bürger mit diesem Mehr an Transparenz anfangen kann (Seitenumfang der Kerndokumente des Budgets 2013 von 3732 Seiten, Rechnungsabschluss von 2700 Seiten plus Darstellung in Teilheften mit rund 13.000 Seiten). Übertragen auf die Gemeinden bedeutet es jedenfalls, dass eine Vielzahl von Gemeinderäten vor komplexen Herausforderungen stehen wird. Die auf Gemeindeebene noch geltenden Grundsätze gingen verloren. Und wie man das Ganze dann noch den Bürgern erklären soll, der sich auf



Ich weiß schon um die Komplexität in der Budgetgestaltung und im Vollzug. Nur die Frage scheint schon zulässig zu sein, ob die Finanzregelungen nicht so komplex sind, dass sich eigentlich niemand mehr auskennt. Oder stecken hinter dieser vorgeblichen Transparenz vielleicht andere Ziele? Letztlich ist auch das Argument, dass die öffentlichen Haushalte nicht anders geführt werden sollen als bilanzierende Unternehmen, nicht stichhaltig.



Denn auch aus der Privatwirtschaft mit ihren Bilanzierungsvorschriften kann die öffentliche Hand nichts lernen. Die Hypo Alpe-Adria hat bilanziert, der Baukonzern Alpine, genauso wie Toshiba. Plötzlich waren bilanzierte Milliardengewinne wieder weg und Unternehmen in den Ruin geführt. Ein Rückbesinnen auf die wesentlichen Grundsätze und eine Vereinfachung wären sicher angebracht. Das kann aber mit den neuen Vorgaben nicht erreicht werden. Fast keiner kennt sich mehr aus und die große Verwirrung ist herbeigeführt.