Hermann Laferl, LH Andreas Maurer, Verbandsgeschäftsführer Ernst Brosig und der spätere LH Siegfried Ludwig.
Niederösterreichische VP-Legenden unter sich: Verbandsobmann Bgm. Hermann Laferl, LH Andreas Maurer, Verbandsgeschäftsführer Ernst Brosig (seine NÖ Gemeindeordnung war österreichweites Vorbild) und der spätere LH Siegfried Ludwig.
© Landesarchiv OÖ

Die niederösterreichischen Gemeindevertreterverbände

Niederösterreich ist neben dem Burgenland das einzige Bundesland, in dem es einen „schwarzen“ und einen „roten“ Gemeindevertreterverband gibt. Der Grund dafür liegt in der Geschichte des Landes: Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Niederösterreich– wie auch das Burgenland – in der sowjetischen Besatzungszone. Um einer Unterwanderung eines überparteilichen Gemeindevertreterverband durch die Kommunisten zu entgehen, gründete jede Partei einen eigenen Verband.

Herbst 1947: Es war, nach den ersten Aufräumungsarbeiten, die Zeit erster systematischer Maßnahmen zur Organisation der Kommunen. Die Gemeinden riefen nach einer landesweiten Interessenvertretung, wollten sich nicht zuletzt zum Schutz gegen Übergriffe der Besatzer gemeinsam orga­nisieren. Seit seiner Gründung am 10. Oktober 1947 ging der Verband der niederösterreichischen Gemeindevertreter der ÖVP (GVV, heute NÖ Gemeindebund) den Weg vom Schutz- und Trutzbündnis zum effizienten Service- und Rechtsbüro. Politische Triebfeder der Verbandsgründung war der NÖ Bauernbund.

Nach einer Versammlung von 3.000 VP-Gemeindevertretern im Wiener Konzerthaus kam es zur Verbandsgründung. Erster Landesobmann war der Altenwörther Bürgermeister Johann Waltner, der die dramatische Lage der Gemeinden Jahrzehnte später so charakterisierte: „Wir haben um jeden Tausender für die Gemeinden gekämpft und gestritten, Kanzler Figl war oft der letzte Rettungsanker.“ Dennoch galt künftig für Niederösterreich: Ohne Verband ging politisch, insbesondere für die Klein- und Mittelgemeinden, nichts.

Erster Arbeitsschwerpunkt war neben Schulungen, Interventionen und vor allem der Wahrung der Gemeindeinteressen bei Gesetzen der Kampf um einen gerechten Finanzausgleich auch für Landgemeinden. Der erste Verbandssitz war in Wien 1, Herrengasse 13, von 1971 bis 1985 dann in der benachbarten Strauchgasse und danach in der Wiener Löwelstraße, ehe man 2000 in die Landeshauptstadt übersiedelte. 

Auf Waltner folgte 1949 (bis 1966) der Spitzer Weinhauer und Bürgermeister Franz Schöberl, unter dem der Verband bereits auf 18.000 Gemeindevertreter – damals noch in 1.652 Gemeinden – verweisen konnte. Die ÖVP stellte rund drei Viertel der Bürgermeister: die VP als Bürgermeisterpartei, der NÖ GVV als Bürgermeisterverband.

Erster Verbandssekretär (1947-1957) war Gottfried Kotvojs, der auch die Verbandszeitschrift „Die NÖ Gemeinde“ schuf. Auf ihn folgte als Landesgeschäftsführer der bewährte Kommunaljurist Hofrat Ernst Brosig, der dieses Amt 25 Jahre lang bekleidete, unterstützt von Georg Kritsch als Organisationsreferent. 

Eine Zäsur in der Verbands- und Gemeindeentwicklung bildete die Bundesverfassungs­novelle 1962 mit Begründung der Kommunalautonomie. In der Folge verringerte sich zwischen 1964 und 1974 die Zahl der niederösterreichischen Gemeinden von 1.652 auf 573. Muster-Gemeinde­ordnung und Gemeindestrukturreform waren Meilensteine in der Kommunalgeschichte Niederösterreichs – sie wären ohne Mitwirkung des Verbandes nicht zustande gekommen. 

1966 wurde der Weikersdorfer Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Hermann Laferl neuer Verbandsobmann: ein wortgewaltiger Interessenvertreter. Ihm folgte von 1973 bis 1986 der Zistersdorfer Bürgermeister, Landtagspräsident und spätere Präsident des Österreichischen Gemeindebundes Ferdinand Reiter, beredter und österreichweit anerkannter Anwalt der Gemeinden.

In der Landesverfassung 1978 wurden die Gemeindevertreterverbände verankert, die Verbände auch finanziell abgesichert. Der NÖ GVV hatte sich von der Selbstschutzorganisation zur modernen, den Kammern vergleichbaren Interessenvertretung entwickelt.

Achse Verband – Gemeindebund

1982 wurde nach Brosigs Tod Roman Häußl Landesgeschäftsführer, auf Reiter folgte 1986 bis 1988 Franz Romeder als Verbandsobmann, der auch Reiters Nachfolger im Gemeindebund wurde. Darin kommt die enge Achse zwischen NÖ GVV und Gemeindebund zum Ausdruck – ein wichtiges Element in der Verbandsgeschichte. Edmund Freibauer (1988-1992) und Franz Rupp (1992-2001), ebenfalls hochrangige Kommunal- und Landespolitiker, waren die nächsten Obmänner bzw. Präsidenten des Verbandes.  

Das Verbandsorgan „NÖ Gemeinde“ wurde zu einer modernen Kommunalzeitschrift ausgebaut. In den Jahren 2000/2001 wurden die Weichen personell und sachpolitisch neu gestellt: Bürgermeister LAbg. Mag. Alfred Riedl wurde neuer Präsident. Der NÖ GVV vertritt 6.407 der 11.667 Gemeindemandatare des Bundeslandes. Die heutigen Schwerpunkte gehen vor allem in drei Richtungen: interkommunale Zusammenarbeit, volle Nutzung der EU-Osterweiterung, neue Wege in der Fach- und Funktionärsschulung.

Der SP-Verband: engagiert für die Gemeinden

Auch der Verband Sozialdemokratischer GemeindevertreterInnen in Niederösterreich wurde 1947 gegründet. Ein hochrangiges  Bürgermeister-Proponentenkomitee fasste im Sommer den Entschluss, eine Interessenvertretung der SP-Gemeinden Niederösterreichs zu gründen, was am 11. Oktober 1947 erfolgte.

Erster Obmann wurde der Wiener Neustädter Bürgermeister Rudolf Wehrl, der diese Funktion bis 1965 ausübte. Das erste Verbandsbüro befindet sich in Wien 1, Herrengasse 11, erster Büroleiter war Rudolf Mittermayer, der 1958 von Ferdinand Maly abgelöst wurde, dem wiederum 1960 mit Johann Paulowitsch für 22 Jahre ein besonders lang dienender, sehr verdienstvoller Verbandsdirektor folgte.

Mit der „NÖ Gemeindezeitung“ unter Chefredakteur Cerny stand ein vierteljährlich erscheinendes Publikationsorgan zur Verfügung.
Die regelmäßigen Vollversammlungen des SP-Verbandes – jeweils mit Hauptreferaten der von der SP gestellten niederösterreichischen Gemeindereferenten – bestimmten auch die Verbandsschwerpunkte: Zunächst war die drückende materielle Notlage der Gemeinden zentrales Thema, es folgten Bereiche wie Krankenhausfinanzierung, Wohnbauförderung, kommunales Wirtschaftsleben, Gemeindeordnung, vor allem Finanzausgleich, Schulbau, Kindergärten, Gemeindeärzte und ab Mitte der 60er-Jahre besonders die kommunale Strukturreform.

1965 übernahm der Traiskirchner Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Alois Jirovetz die Verbandsführung, thematisch rückten noch stärker die Spitalsfinanzierung, jetzt auch die Abschaffung der Landesumlage und die Situation der finanzschwächsten Gemeinden – durchaus Dauerbrenner – in den Vordergrund.

Nach Jirovetz kam als Verbandsobmann der Enzersdorfer Bürgermeister und 2. Landtagspräsident Franz Binder (bis 1986). Kommunalpolitisch wurde die „Sozialgemeinde“ forciert, auch eine finanzielle Abgeltung für „Zweitwohnsitzer“ war Thema. 

1983 wurde Helmut Senger Leiter des Verbandsbüros. Die Schulung der Gemeindemandatare wurde vor allem in den Bereichen Bauordnung, Gemeindeordnung und Umweltschutz verstärkt.

Der SP-Verband kämpfte im Zusammenhang mit der Hauptstadtgründung erfolgreich für die Stärkung der Regionen und Gemeinden. Der Heidenreichsteiner Bürgermeister und Zweite Landtagspräsident Alfred Haufek wurde neuer Verbandschef.

Alfred Haufek, Bundeskanzler Franz Vranitzky und LH-Stv. Ernst Höger.
Alfred Haufek, Präsident des sozialdemokratischen Gemeindevertreterverbandes von 1986 bis 1995, empfängt Bundeskanzler Franz Vranitzky und LH-Stv. Ernst Höger. 

Im November 1990 wurde der 300. Schulungskurs der Verbandes abgehalten, bis dahin wurden mehr als 12.000 Gemeindevertreter geschult. Motto: „Durch blühende Gemeinden zu einem blühenden Land.“

Auf Haufek folgte 1995 der Groß-Sieghartser Bürgermeister und ebenfalls Zweite Landtagspräsident Anton Koczur – wie seine Vorgänger auch er Vizepräsident des Österreichischen Gemeindebundes.

Beim Schwechater Verbandsgemeindetag 1995 wurde eine höchst positive Bilanz über  40 Jahre Kommunalarbeit in NÖ gezogen und richtungweisende Resolutionen an Land und Bund werden verabschiedet.

Am 2. Mai 1996 übersiedelte der Verband in die Landeshauptstadt St. Pölten, die Hauptstoßrichtung wurde nochmals unterstrichen: Interessenvertretung der Gemeinden bei der Gesetzwerdung sowie Schulungs- und Beratungstätigkeit.

Neu gestellt wurden bald darauf auch die personellen Weichen: Am 1. Oktober 1999 übernahm Bürgermeister Bernd Vögerle aus Gerasdorf bei Wien die Leitung des Verbandsbüros. Er wurde im Februar 2001 Präsident des Verbandes, als Büroleiter folgte Ewald Buschenreiter. 

2008 übernahm Rupert Dworak, Bürgermeister von Ternitz und Landtagsabgeordneter, das Präsidentenamt.

Es gab weitere Aktivitäten auf dem Gebiet der Schulung: So wird die Kommunalpolitische Akademie der SPÖ Niederösterreich gegründet, die im Schnitt von 1.000 TeilnehmerInnen jährlich besucht wird, Tendenz steigend.

Personelle Weichenstellungen

Für den NÖ Gemeindebund brachte das vergangene Jahrzehnt (2012-2021) wichtige personelle und sachpolitische Weichenstellungen: 2016 erfolgte die Umbenennung des „Verbands“ in „NÖ Gemeindebund“, verbunden mit einem neuen Logo. 

Nach 20 Jahren an der Spitze wurde kürzlich Alfred Riedl von Bürgermeister Johannes Pressl (Ardagger) als Präsident abgelöst. Neben Bürgermeisterin Brigitte Ribisch (Laa), die 2018 als erste Frau Vizepräsidentin geworden war, wurden mit den Bürgermeistern Josef Balber (Altenmarkt/Triesting) und Stefan Seif (Senftenberg) zwei neue Vize bestellt. Riedl selbst wurde 2017 Präsident des Österreichischen Gemeindebundes. 

Sachpolitisch war der Gemeindebund insbesonders mit Fragen der neuen Raumordnung, der Bauordnung, dem Kampf um einen gerechteren Finanzausgleich und der Vorbereitung auf den digitalen Wandel (Glasfasernetz-Initiative) befasst. 

In zwei besonders schwierigen Situationen, der Flüchtlingskrise 2015 sowie der Corona-Pandemie 2020/21, erwiesen sich die Gemeinden und der Gemeindebund als Krisenmanager, Kommunikatoren und administrative Neuerer. Die Beratungsarbeit auf allen relevanten Gebieten erreichte Rekordwerte. Das Ja zur Wehrpflicht, zwei Landtagswahlen mit absoluten Mehrheiten und natürlich die Gemeindewahlen 2015 und 2020 waren auch für den Gemeindebund volle Herausforderungen. Jetzt stellt die NÖ Volkspartei 449 von 573 Bürgermeistern sowie mehr als 7.000 GemeindemandatarInnen (von 11.800).

Beratungen im GVV der SP massiv gestiegen

Die juristische Beratungs- und Begutachtungstätigkeit, die Rechtsberatung und die fachliche Vertretung des Verbandes auf Landes- und Bundesebene in Verhandlungsgesprächen, Arbeitsgruppen, Ausschüssen und anderen Gremien stellen traditionell ein sehr großes Spektrum der Arbeit des Verbands Sozialdemokratischer GemeindevertreterInnen in NÖ dar, wie Hellfried Mayer, Chefredakteur der Verbandszeitung „Kommunale Information“, berichtet.

„Im Berichterstattungszeitraum, den Jahren 2012 bis 2021, wurden rund 400 ­Landes- und 700 Bundesbegutachtungen erledigt, ­weiters etwa 20.000 juristische Anfragen bearbeitet und die MandatarInnen mit mehr als 300 Rundschreiben informiert. Die Themengebiete sind dabei äußerst vielfältig und betreffen neben dem kommunalen Bereich auch unter anderem das Zivil-, Straf-, Steuer-, Verfassungs- und Verwaltungsrecht, darunter auch jüngere Rechtsmaterien wie das Auskunftsgesetz oder die Datenschutz-Grundverordnung.

Auch die Beratungen und Auskünfte im Bereich des Wahlrechts im Zusammenhang mit den stattgefundenen Nationalrats-, Landtags- und Gemeinderatswahlen bildeten einen Arbeitsschwerpunkt“, so Mayer. Ebenso wie die medienrechtlichen Auskünfte und die Unterstützung von Fraktionen in Belangen der Öffentlichkeitsarbeit – ganz allgemein oder auch bei Bedarf konkret und rasch in einem bestimmten Anlassfall.
„Unbedingt erwähnenswert ist auch das reiche Weiterbildungsangebot der Kommunalpolitischen Akademie (KOPAK) des NÖ GVV. Hier haben im Berichterstattungszeitraum mehr als 7.500 MandatarInnen die thematisch breit gestreuten Seminar-Angebote wahrgenommen. Die Umstellung auf Online-Seminare während der Pandemiezeit wurde besonders gut angenommen. Damit konnte die durchschnittliche Zahl der TeilnehmerInnen noch deutlich gesteigert werden.“

Und: 2017 eröffnete der NÖ GVV sein neues Büro am Sankt Pöltner Europaplatz, feierte sein 70-jähriges Bestandsjubiläum und verpasste sich ein neues Logo.