Münzstapel mit Spielzeughaus
In Österreich stocken die Reformen trotz mehrerer Erkenntnisse des VfGH, der bereits klar zum Ausdruck gebracht hat, dass die heimische Einheitsbewertung nicht mehr die tatsächlichen Wertrelationen wiedergibt.
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Deutsche Einheitswerte sind verfassungswidrig

Am 10. April hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe aufgrund der gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlung die Bewertung des Grundvermögens als verfassungswidrig aufgehoben. Folgewirkungen dieses Urteils auf Österreich, dessen diesbezügliche Gesetzgebung sehr ähnlich ist, sind nicht ausgeschlossen.

Rund 35 Millionen Liegenschaften in Deutschland sind betroffen. Aufgrund der ähnlichen Rechtslage in Österreich dürfte diese höchstgerichtliche Entscheidung auch richtungweisend für gut 2,5 Millionen Einheitswerte in Österreich sein, nicht zuletzt da die heimischen Reformbemühungen, die im FAG-Paktum im Herbst 2016 vereinbart wurden, wieder eingeschlafen sind.

Wegweisendes Urteil im deutschen Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht erkannte zu Recht, dass die Regelungen des Bewertungsgesetzes mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar sind. Das Festhalten am Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 (Österreich 1974) führt zu struktureller Ungleichbehandlung, die auch nicht mit dem Argument des Verwaltungsaufwands gerechtfertigt werden kann.

Die Hauptfeststellung, die in Deutschland grundsätzlich alle sechs Jahre hätte erfolgen sollen (Österreich alle neun Jahre), ist ein integraler Bestandteil des Systems der Einheitsbewertung. Dementsprechend führt ein solcher überlanger Hauptfeststellungszeitraum aufgrund der unterschiedlichen regionalen und lokalen Entwicklungen zu Wertverzerrungen, die auch nicht dadurch zu rechtfertigen sind, dass durch das Unterlassen einer laufenden Hauptfeststellung eine Entlastungswirkung für die Steuerpflichtigen entstanden ist.

Bagatellsteuer-Argument hat ebenfalls ausgedient

Dass die Einheitsbewertung (ebenso wie in Österreich) mittlerweile nur noch auf die Grundsteuer beschränkt ist, ist keine Rechtfertigung. „Weder die gemessen am Verkehrswert generelle Unterbewertung des Grundvermögens noch die vermeint absolut geringe Belastungswirkung der Grundsteuer vermögen die Wertverzerrungen zu rechtfertigen", zumal diese Abgabe auch jährlich fortlaufend und nicht nur einmalig eingehoben wird.

Der Österreichische Gemeindebund mahnt seit Jahren eine Reform ein, um die latente Verfassungswidrigkeit des Bewertungsgesetzes zu sanieren. Immer wieder wurde die Forderung nach einer grundlegenden Reform (samt Hauptfeststellung) oder einer Erhöhung der im Grundsteuergesetz 1955 geregelten Hebesätze jedoch von Bundesseite mit dem Hinweis pariert, dass die Verfassungkonformität gegeben sei, solange es sich weiterhin um eine Bagatellsteuer handelt. Zwar ist das Durchschnittsniveau der Grundsteuer in Deutschland etwas höher als in Österreich, dieses Argument des eisernen Festhaltens am Status quo hat jedoch spätestens jetzt ausgedient.

Zwanzigmonatige Reparaturfrist

Der deutsche Gesetzgeber hat nun bis Ende 2019 Zeit bekommen, um eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen, andernfalls wären nach Ablauf dieser Frist alle Einheitswerte außer Kraft gesetzt. Sobald jedoch eine Neuregelung beschlossen ist, erlaubt das deutsche Bundesverfassungsgericht eine Fortgeltung der bestehenden Einheitswerte im weitere fünf Jahre (längstens bis 31. 12. 2024), was den zeitlichen wie auch personellen Aufwand der Umstellung berücksichtigt. Von Seiten des deutschen Bundesfinanzministers wurde bereits eine Reparatur der Gesetzesgrundlagen in Aussicht gestellt, soll eine solche Reform aber ohne Steuererhöhungen auskommen.

In Österreich dürfte eine ähnliche Haltung des Bundes vorherrschen. Fiskalisch gesehen muss es dann jedoch für viele Bürger in weniger prosperierenden Gegenden zu einer deutlichen Senkung der Steuerbelastung kommen, genauso wie zu einem deutlichen Mehraufkommen an Grundsteuer in Städten und deren Umland, was jedenfalls Berücksichtigung im Finanzausgleich finden muss.

Reformen in Deutschland auf dem Weg

Bereits im Herbst 2016 hat der deutsche Bundesrat mehrheitlich einen Gesetzentwurf beschlossen, der eine Kombination aus Bodenwert und pauschaliertem Gebäudewert als neue Berechnungsgrundlage vorsieht. In Österreich stocken die Reformen trotz mehrerer Erkenntnisse des VfGH, der bereits klar zum Ausdruck gebracht hat, dass die heimische Einheitsbewertung nicht mehr die tatsächlichen Wertrelationen wiedergibt, die Einheitswerte bisher aber gerade noch verfassungskonform seien.

Der Druck auf den Finanzminister, den in den FAG-Verhandlungen Ende 2016 vereinbarten Reformprozess wieder zu beleben, wird durch das Karlsruher Urteil jetzt deutlich steigen. Ebenso müssen jetzt rasch die vorhandenen Probleme gelöst werden, denn viele Gemeinden sind seit dem vor 10 Jahren erfolgten Auslaufen der Erbschafts- und Schenkungssteuer (nach der Aufhebung durch den VfGH wurde diese ebenfalls auf Einheitswerten fußende Abgabe nicht repariert) mittlerweile mit Festsetzungsverjährung konfrontiert, weil sich in den Finanzämtern seither große Rückstände bei der Erstellung der Einheitswertbescheide aufgebaut haben und die sogenannte „automatisierte Einheitsbewertung" mittels des Adress-GWR-Online (AGWR II) bisher nur zaghaft greift.