
Die Bürgermeister versuchen alles, um ihre Gemeinde für den Arzt attraktiv zu machen. Klar ist aber, dass diese Ausfallshaftung nicht Aufgabe der Gemeinden sein kann, meint der Gemeindebund.
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Der Landarztberuf muss wieder sexy werden
Die Gemeinden wünschen sich eine Gesundheitsversorgung vor Ort. Das zeigt eine Umfrage, die der Österreichische Gemeindebund und die Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs (BUKO) durchgeführt haben
Alle Gemeinden, die bei der online durchgeführten Umfrage teilgenommen haben, sehen – wenig überraschend – eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung als wichtig oder sogar sehr wichtig an.
Auch eine wohnortnahe Apotheke liegt den Menschen am Herzen. 90 Prozent halten die Apotheke in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung –also auch Beratung und Anlaufstelle bei Problemen – für wichtig oder sehr wichtig. Fast 70 Prozent sehen die Apotheke als wichtigen oder sehr wichtigen lokalen Arbeitgeber.
Bei der tierärztlichen Versorgung sind 95 Prozent zufrieden oder sogar sehr zufrieden.
Vielfalt soll erhalten bleiben
BUKO-Präsident Thomas Horejs erklärt, dass auch in Zukunft eine bundesweite Versorgung geben soll. „Wir wollen die Menschen in ganz Österreich mit den Dienstleistungen der Freien Berufen versorgen. In der Bundeshauptstadt Wien ebenso wie im Tiroler Tal oder im Waldviertel. Wir wollen, dass die Vielfalt erhalten bleibt.“
Freie Berufe sind wichtige Partner für Gemeinden
„Ob in der Gesundheit, beim Wohnbau, bei der Rechtsberatung oder bei wirtschaftlichen Fragen: Die Freien Berufe sind besonders für den ländlichen Raum und die Gemeinden wichtige Partner“, betont Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl.
Die wohnortnahe Gesundheitsversorgung sei den Bürgermeistern seit jeher ein Herzensanliegen. Riedl: „Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen dies auch eindeutig.“
Gemeinden, die längere Zeit nach neuen Ärzten suchen, greifen deswegen auch immer öfter jungen Ärzten unter die Arme: Sie stellen etwa Ordinationsräumlichkeiten zur Verfügung, übernehmen die Mietkosten, unterstützen mit Neubauförderungen und Investitionszuschüssen.

Horejs: „Beruf Landarzt muss wieder sexy werden.“
Es gehe darum, den Beruf des Landarztes, der Landärztin wieder attraktiver zu machen, sagt BUKO-Präsident Horejs. „Der Beruf des Landarztes muss wieder sexy werden. Strukturelle Fragen müssen gelöst werden. Im Ärztebereich gibt es jetzt die Möglichkeit einer Anstellung. Im Zahnärztebereich bieten wir Jobsharing an. Das heißt, dass sich junge Zahnärztinnen oder Zahnärzte eine Kassenstelle teilen. Das wird sehr gerne angenommen“, erklärt Horejs.
Riedl: „Ausfallshaftung ist nicht Aufgabe der Gemeinden.“
Der Bundesvorstand des Österreichischen Gemeindebund hat zur ärztlichen Versorgung vor kurzem auch ein Positionspapier verabschiedet und mehr Transparenz, familienfreundliche Kassenverträge, weniger bürokratischen Aufwand, bessere wirtschaftliche Perspektiven für junge Ärzte und eine Aufwertung der Allgemeinmedizin gefordert.
„Die Bürgermeister versuchen alles, um ihre Gemeinde für den Arzt attraktiv zu machen. Klar ist aber, dass diese Ausfallshaftung nicht Aufgabe der Gemeinden sein kann. Vielmehr müssten Bund, Länder und Krankenkasse dafür sorgen, dass das Berufsbild Hausarzt am Land wieder attraktiver wird“, so Riedl.
Warnung vor Finanzinvestoren und Zahnarztketten
Angesichts der Entwicklungen in Europa (Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien und Skandinavien), wo große Finanzinvestoren und Hedgefonds Zahnarztketten errichten, wurden in der Umfrage die Gemeinden nach ihren Wünschen gefragt:
82 Prozent bevorzugen eine persönliche, zahnmedizinische Versorgung. BUKO-Präsident Horejs warnt vor den Auswirkungen, sollten große Ketten kleine Zahnarztordinationen auch in Österreich ersetzen.
„In Deutschland haben in den vergangenen Jahren Finanzinvestoren, zum Beispiel die Eigentümer der Kaffeerösterei Jacobs in großem Stil Zahnarztpraxen aufgekauft. Sie bauen dann große Kliniken – dort, wo es sich wirtschaftlich lohnt, in Ballungszentren und in den Großstädten. Das ist Zahnmedizin unter rein marktwirtschaftlichem Ansatz, nur der Profit zählt, nicht mehr die Menschen und ihre Gesundheit. Das wollen wir in Österreich nicht“, stellt Horejs klar.
„Wir wollen, dass es in Österreich weiterhin überall – in der Stadt und auch am Land – Versorgung der Menschen durch Ärzte, Zahnärzte, Apotheken gibt. Dass zum Wohle der Patienten gearbeitet wird und nicht in wirtschaftlicher Abhängigkeit von Großinvestoren.“ so Horejs weiter.
Was sind Freie Berufe?
Zu den Freien Berufen zählen in Österreich die medizinischen Berufe Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker. Die juristischen bzw. wirtschaftlichen Berufe Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte sowie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Sowie die technischen Berufe Ziviltechniker. Die Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs (BUKO) ist der Dachverband der neun Freiberufskammern und als nicht gewinnorientierter Verein organisiert.
In Österreich gibt es 82.000 Vertreter der Freien Berufe. Sie schaffen mehr als 170.000 Arbeitsplätze.