St. Oswalds Bürgermeisterin Rosemarie Kloimüller mit alter Frau am Friedhof
St. Oswalds Bürgermeisterin Rosemarie Kloimüller weiß, wie wichtig der Austausch auf dem Friedhof ist.

Orte der Begegnung

Der Friedhof als Lebensraum

Friedhöfe sind nicht nur ein Ort der Trauer, in manchen Dörfern sind sie auch Ort des sozialen Lebens.

Johann war Altbauer, Urgroßvater und durch seine Gemeinderatstätigkeit und Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr St. Oswald ein von vielen geschätzter Dorfbewohner. Auch als Vorbeter war er in der Kirchengemeinschaft aktiv. An diesem verregneten Tag wartet der 91-Jährige alleine in der Kirche, bald wird ein Aufgebot an Verwandten und Freunden ihm die letzte Ehre erweisen. Mit Tränen in den Augen tauscht sich Sohn Willi mit der hiesigen Bürgermeisterin über den Ablauf der Trauerzeremonie aus – inmitten des Friedhofs von St. Oswald. 

Ort des Austauschs

Trotz des wolkenbedeckten Himmels wirkt die Anlage auf den ersten Blick sehr freundlich. Ein heller Asphalt, die von den Grabstellenbesitzern gepflegten Gräber und die kürzlich erfolgten Umbauarbeiten tragen ihr Übriges dazu bei.

Friedhof St. Oswald
Ein herzlicheres Willkommen vor einem Friedhof wie in St. Oswald ist wohl schwer zu finden.

„Wir haben einiges an Geld in die Hand genommen, um unseren Friedhof auf Vordermann zu bringen, weil wir einen Ort der Begegnung schaffen wollen, zu dem man nicht nur hingeht, um zu trauern, sondern auch, um sich miteinander auszutauschen“, erzählt St. Oswalds Bürgermeisterin Rosemarie Kloimüller – nicht ganz ohne Stolz. Vor Kurzem wurde die Anlage sogar zum schönsten Friedhof Niederösterreichs gekürt.

Die Bürgermeisterin verweist auch auf den Pfarrstadl, einen Steinwurf von der Begräbnisstätte entfernt. Auch dieser wurde erst über die letzten Wochen und Monate – gemeinsam mit der Diozöse, der Dorferneuerung, der Feuerwehr und vielen fleißigen Helfern – nach einem Brand neu errichtet. „Nur durch die Mithilfe aller Bürger und Vereine können Projekte wie dieses so kostengünstig und schnell errichtet werden. Der Zusammenhalt, der durch die Projekte am und um den Friedhof herrscht, ist einfach spür- aber eben auch sichtbar.“

Aida und Radames – im Grab vereint

Zuletzt vor zehn Jahren – dafür aber nicht zum ersten Mal – wurde die Grabstätte der ehemaligen Landeshauptstadt Gars am Kamp zur schönsten im Land gewählt, wie Bürgermeister Peter Falk erwähnt: „Von 1075 bis 1095 hat der Babenberger Fürst Leopold II das Land NÖ von Gars aus regiert. Wir sind besonders stolz darauf, dass der Friedhof noch immer so gut erhalten ist.“ Auf Terrassen liegend ist er eingebettet in eine Burganlage mit Ringmauer, mitten im Ortskern. 

Der Friedhof gehört in Gars zum dörflichen Leben dazu: „Wenn in der Kapelle eine Hochzeit gefeiert oder ein Kind getauft wird, geht der Festzug wie selbstverständlich über die Stätte. Die Toten sind eingebunden in das Leben. Somit hat der Friedhof bei uns eine soziale Funktion“, so der Bürgermeister. Doch auch kulturell, denn die mitunter älteste Burganlage Österreichs ist im Sommer auch Treffpunkt für Operngäste. Wenn, wie heuer mit Verdis „Aida“, die Titelfigur und Radames einen utopischen Liebestod – ausgerechnet in einer Gruft – erleiden, zieht eine Klangwolke über die Gräber, man kann die Musik dort in einem ganz besonderen Ambiente genießen. „Wir haben eine Einheit von Kultur und Gedenken“, sagt Falk.

Peter Falk
Bürgermeister Peter Falk vor der optisch aufgebesserten Stahlbetonmauer in Gars,

Dafür nimmt der Bürgermeister gewisse Unannehmlichkeiten gerne in Kauf. Denn die Erhaltung und Pflege des Friedhofs ist kostspielig. Weil Gräber abzurutschen drohten, musste beispielsweise vor drei Jahren eine 15 Meter lange Stützmauer errichtet werden. Der Stahlbetonbau wurde optisch „aufgebessert“ und erhielt zehn Urnennischen. Der Platz ist beengt, selbst Minibagger sind für den uralten Friedhof zu wuchtig. Wenn ein neues Grab ausgehoben wird, müssen die Gemeindebediensteten mit Schaufeln ausrücken.

Zumindest bei der Bestattung gehen die Uhren in Gars am Kamp noch etwas anders. Auch bei Begräbnissen und Totengedenken fühlt man sich an vergangene Zeiten erinnert: Durch die funktionierende Dorfgemeinschaft und die vielen Vereine stehen die Menschen dann am Friedhof dicht an dicht. „Nach dem Gedenken setzen sich die Vereine noch einmal zusammen, das hat bei uns schon Tradition, die wir nicht missen wollen.“

Nur nicht den Kopf verlieren

Wenn versucht wird, Leben in die ewigen Ruhestätten einzuhauchen, könnte man doch eigentlich genauso gut auch gesellschaftlich einen anderen Weg einschlagen? In Mexiko beispielsweise werden die Verstorbenen am „día de muertos“ herbeigerufen und zu ihren Ehren ein fröhliches Fest mit blumengeschmückten Skeletten gegeben.

Andreas Guganeder
Andreas Guganeder, Diakon in Hausleiten: „Solange wir unsere Art zu feiern ernst nehmen, erreichen wir auch das, worauf es ankommt.“

Andreas Guganeder, Diakon der Marktgemeinde Hausleiten, hat darauf eine Antwort: „Ja, in Mexiko werden sogar verzierte Totenschädel getragen, damit die Toten auch mitfeiern dürfen. Ich glaube, dass jede Region, jedes Land ihre eigene Tradition im Laufe der Jahrhunderte gefunden hat. In Wien hat man ja auch die schöne Leich mit allem Prunk, Pomp und dem Pompfüneberer, der dazugehört. Solange wir unsere Art zu feiern ernst nehmen, erreichen wir auch schon das, worauf es ankommt.“ Nämlich, über den Verlust des Verstorbenen so gut es geht, hinwegzukommen. Sei es, durch den Rückhalt von Freunden und Vereinen, mithilfe des Blumenschmucks am Grab, oder durch einen einfachen Plausch mit dem Bürgermeister.