kommunale Sommergespräche in Bad Aussee
„Fist bump“ statt Händeschütteln war diesmal angesagt.
© event Fotograf

Das waren die Kommunalen Sommergespräche 2020

Die 15. Kommunalen Sommergespräche gingen in einem deutlich abgespeckten Rahmen über die Bühne. Das hinderte die rund 200 Teilnehmer aber nicht, heikle Themen anzusprechen und Lösungen auszuarbeiten. Ein Bericht aus Bad Aussee.

Wetter und Laune der Teilnehmenden waren strahlend gut, auch wenn die Gemütlichkeit aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen doch gelitten hatte. Im Kurhaus von Bad Aussee versammelten sich rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, alle geschützt hinter den Mund-Nasen-Masken und ständig Hände waschend.

Die Sitze wurden zugewiesen, der gesellige Teil fand praktisch ausschließlich im Freien statt. Auch die Abstandsregeln wurden – zumindest die überwiegende Zeit – diszipliniert eingehalten. Immerhin meinte es Petrus gut mit den Teilnehmern und schickte für zwei Tage Kaiserwetter und angenehme Temperaturen.

Fehlentwicklungen haben sich beschleunigt

„Vieles hat in der Krisenzeit äußerst gut funktioniert“, startete Thomas Hofer seinen Vortrag zu Beginn der Sommergespräche. Die essenzielle Grundversorgung und die Lebensmittelversorgung haben funktioniert, Strom und Infrastruktur waren verfügbar. „Die Krise hat gezeigt, wir sind verwundbar, aber die Systeme haben nicht ausgelassen. Das ist die gute Nachricht“, so der Politikberater.

Die Krise habe aber auch gezeigt, dass sich Fehlentwicklungen auf allen Ebenen und in allen Bereichen beschleunigt haben. Als Beispiel nannte Thomas Hofer das Gesundheitsministerium, das seiner Aufgabe absolut nicht gewachsen sei. „Das sollte man als Lehre sehen und schleunigst bereinigen“, so Hofer. 
Als positive Erkenntnis sieht er, dass sich die öffentliche Debatte über Gesundheit geändert habe – nämlich weg von fehlenden Spitalsbetten und hin zur Produktion von Medikamenten und der Bereitstellung von Schutzausrüstungen im eigenen Land. Gleichzeitig habe diese Tatsache auch gezeigt, dass wir auf Krisen nicht vorbereitet seien.

Thomas Hofer
Politikberater Thomas Hofer: „Wir haben ja auch aus der Ibiza-Krise nichts gelernt.“

Besonders hätten sich die Fehlentwicklungen laut Hofer im Bereich der Bildung gezeigt. „Wir haben zwar auf Homeschooling und Distance-­Learning umgestellt. Aber die Anzahl der Kinder, die auf der Strecke geblieben sind und es weiter bleiben, ist enorm“, warnte Hofer. Hier sieht er dringenden Handlungsbedarf seitens der Politik und eine klare Fokussierung auf die Bildung und Wissenschaft.

Als Lehren aus der Krise gab Hofer der Politik mit, den Mut zu haben, unangenehme Themen ehrlich und sachlich anzusprechen und den Populismus in den Hintergrund zu rücken. Wir sollten auch aus dieser Krise generell lernen. „Aber wir haben ja auch aus der Ibiza-Krise nichts gelernt“, kritisierte Hofer. Und drittens solle die Politik auf wissenschaftlich basierte Kommunikation setzen, anstatt sich von Angstkommunikation treiben zu lassen.

Bei den Lehren aus der Corona-Krise setzt Hofer auf die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister: „Die kommunale Ebene ist hervorragend geeignet, um diesen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Schaffen Sie öffentliche Diskursräume, bauen Sie an der Selbstverantwortung“, empfahl der Politikberater.

Ein wesentlicher Faktor der Daseinsversorgung ist Strom

Licht, Kommunikation, Infrastruktur und sogar Wasserversorgung: Ohne Strom steht die Gesellschaft still. Gerhard Christiner, technischer Vorstandsdirektor der Austrian Power Grid (APG), sprach über die sichere Stromversorgung aller Regionen Österreichs in der Energiewende, die Wichtigkeit des Aus- und Umbaus der Strominfrastruktur und deren Kapazitäten für das Strommanagement der erneuerbaren Energie.

Für eine zukunftsfitte Energieversorgung sei noch einiges zu tun. Versorgungssicherheit, so der Experte, sei ein Geben und Nehmen: Strom muss in das System eingespeist werden, und Kunden müssen jederzeit in der Lage sein, diesen zu beziehen. „Die Balance ist wichtig, da Strom im Netz nicht gespeichert werden kann“, erklärte Christiner. „Die zeitgleiche Entnahme und Einspeisung ist essenziell. Das funktioniert in Österreich sehr gut.“

Anders sei das beim zweiten Aspekt: der ausreichenden Netzkapazität. „Die Transportfähigkeit von Strom ist in Österreich leider mangelhaft. Seit Jahren funktioniert es nur mehr mit Notmaßnahmen, die sehr viel Geld kosten, die Netzkapazitäten aufrechtzuerhalten“, so Christiner.

Gerhard Christiner
Gerhard Christiner: „In Österreich bestand erstmals im Mai 2020 und in den Folgemonaten die Möglichkeit, den Strombedarf mit erneuerbaren Energien zu decken, doch die Netzwerke für dessen Transport waren nicht da.“

„In Österreich bestand erstmals im Mai 2020 und in den Folgemonaten die Möglichkeit, den Strombedarf mit erneuerbaren Energien zu decken, doch die Netzwerke für dessen Transport waren nicht da“, erzählte der Stromexperte. Im Westen produzierten die Wasserkraftwerke genug Strom, um ganz Österreich zu versorgen, aber es gab keine Leitungen, um diesen Strom in den Osten zu transportieren. „Das Übertragungsnetz ist für den nationalen Ausgleich zu schwach. Hundert Millionen Euro für Gaskraftwerke wurden ausgegeben, obwohl genug erneuerbare Energie da gewesen wäre – alles wegen des schlechten Netzausbaus“, bedauerte Christiner.

„Das Stromsystem braucht einen Totalumbau und wir brauchen wesentlich mehr Flexibilität, indem mehr Platz im Netz geschaffen wird. Zukunftsfit sind wir noch nicht im Energiesystem, es fehlt noch an vielen Stellen. Wind und PV alleine sind ohne den Netzausbau nur ein Lippenbekenntnis“, so Christiner abschließend.

Kostenwahrheit für die kommunale Ebene

Tirols Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe beschäftigt das Thema Krisenbewältigung schon länger und nicht erst seit der Corona-Krise. Als zuständige Landesrätin zog sie bei ihrem Impulsvortrag Vergleiche zur Klimakrise und erläuterte ihre Erkenntnisse und Learnings für die Zukunft.

Das erstes Learning lautet: Wir werden die Klima- und Corona-Krise nur global in den Griff bekommen können. „Regionale Problemlösungen kann man sehr gut kooperativ und international angehen“, betonte die Politikerin. „Wir müssen dabei nach dem Motto ,Think global – act local‘, das wir auch aus der Klimakrise kennen, die Corona-Krise angehen.“

Ingrid Felipe
Ingrid Felipe: „Wir müssen dabei nach dem Motto ,Think global – act local‘, das wir auch aus der Klimakrise kennen, die Corona-Krise angehen.“

Als zweites Learning nannte Felipe die Kostenwahrheit. Als Landeshauptmann-Stellvertreterin habe sie schon lange gepredigt, dass es Kostenwahrheit brauche. So seien etwa Umwelt-, Lärm- und Klimabelastung als Kosten nicht beim Verursacher angesiedelt. „Gerade für Tirol ist der Transit-Verkehr eine Plage. Allein 2020 werden zwei Millionen Lkw den Brenner queren“, stellte Felipe fest.

Es brauche aber auch Kostenwahrheit den Gemeinden gegenüber: „Die Länder dürfen den Gemeinden nicht immer mehr Kosten vorschreiben und die Gemeinden dann nicht mit notwendigen Ressourcen ausstatten.“ Das gehöre abgestellt, betont sie bei ihrem Impulsvortrag.

Das dritte Learning, so Felipe, sei die Wachstumsfrage: „Können wir mit endlosem Wachstum rechnen?“ So seien bestimmte Fehlentwicklungen, die es in der Wirtschaft oder in der Arbeitswelt gebe, geeignet, das Coronavirus rasch zu verbreiten. Nun sei es an der Zeit, Wirtschaft in Richtung qualitativer Entwicklung zu denken.

Wirtschaften nach der Krise – Handlungsempfehlungen für Gemeinden

Um die Covid-­19-Pandemie kam kaum ein Redner herum: Bei seinem Vortrag ging Christoph Badelt, der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), anschließend auf die ökonomischen Aspekte der Krise ein. Die Corona-Krise habe eine Wirtschaftskrise mit sich gebracht, die wir in der Wirtschaft so noch nie erlebt hätten, erklärte Badelt. „Nach Jahren der Hochkonjunktur erlebten wir im ersten und zweiten Quartal 2020 ein heftiges Minus von drei Prozent bzw. elf Prozent. Die Krise ist entstanden, weil man die Wirtschaft künstlich geschlossen hat, wobei das Wegfallen der Exporte und des Konsums die Wirtschaft am meisten hinuntergezogen hat.“

Badelt räumte allerdings auch ein: „Der wöchentliche Konjunkturtest der Österreichischen Nationalbank zeigt, dass wir die tiefste Stelle des Tals bereits durchschritten haben, wenn nicht noch etwas Fürchterliches passiert. Der WIFO-­Konjunkturtest zeigt auch, dass die Unternehmen wieder optimistischer werden. Die Wirtschaftsprognosen des WIFO gehen bisher von einem Minus von sieben Prozent für 2020 aus, und mit einem positiven Wachstum wird 2021 gerechnet.“ Und: Erkennbar sei, dass wir das Produktionsniveau von vor der Krise erst 2022 wieder erreichen werden.

Badelt
Christoph Badelt: „Auch abgesehen von Corona sind die Gemeinden die politischen Instanzen, wo ein Großteil aller wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziele de facto umgesetzt werden müssen.“

Nach einem Lob für das Kommunale Investitionsgesetz meinte der Ökonom: „Aber auch abgesehen von Corona sind die Gemeinden die politischen Instanzen, wo ein Großteil aller wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziele de facto umgesetzt werden müssen.“

Man dürfe nun, so Badelt, nicht den Blick auf die weiteren Zukunftsthemen verlieren, wie etwa Umweltinvestitionen, Verkehrsinvestitionen, Sanierung und weitere Entwicklung des Baubestands und Infrastrukturen für neue Technologien. „Die Gemeinden müssen in Zukunft weiter ins Zentrum der wirtschaftspolitischen Schwerpunkte rücken“, meinte Badelt.

„Auf die Gemeinden ist immer Verlass“

Mit einem Impuls von Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (er strich vor allem die hervorragenden Leistungen der Gemeinden der letzten Monate hervor) und Kommunalkredit-Chef Bernd Fislage (er sprach über krisensichere Investitionen und die enorme Wichtigkeit von Nachhaltigkeit) gingen die Sommergespräche in medias res – die Workshops befassten sich mit den Themen „Regional statt global. Leben nach der Krise“, „Krisensichere Investitionen. Zukunftsweisende Infrastrukturen“ und „Energiekonzepte der Zukunft. Nachhaltig und sicher“.