
Der ehemalige Vizebürgermeister von Amstetten, Dieter Funke, ist heute ein erfolgreicher Immobilienmakler und kennt deshalb sowohl die kommunale als auch die Sicht der Hauseigentümer. Er ist überzeugt: „Die Gemeinde muss mit gutem Beispiel vorangehen. Die Initialzündung, um eine Ortskernentwicklung in Gang zu bringen, ist Aufgabe der Gemeindepolitik.“
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Hauseigentümer
Bei der Ortskernentwicklung darf man nicht auf die Menschen vergessen
Leerstehende Gebäude, verwilderte Innenhöfe, unattraktive Ortsbilder. In vielen Gemeinden steht die Ortskernentwicklung ganz oben auf der Agenda. Doch was auf dem Papier oft als architektonisch-gestalterisches Projekt beginnt, wird in der Realität schnell zu einem sozialen Prozess. Denn ein entscheidender Erfolgsfaktor sind die Menschen, die im Zentrum leben und Eigentum besitzen.
„Viele Projekte scheitern nicht an der Idee, sondern an der Umsetzung. Und die steht und fällt mit den Eigentümern“, sagt Dieter Funke, der ehemalige Amstettner Vizebürgermeister und heutige Immobilienentwickler. „Wenn man diese Menschen nicht mitnimmt, bewegt sich gar nichts.“
Zwischen Heimatgefühl und Eigentumsrecht
Gerade im Ortskern stoßen emotionale Bindung und wirtschaftliche Interessen aufeinander. Die Gebäude dort sind häufig über Generationen hinweg im Familienbesitz. „Vor 20 Jahren gab es in den Ortszentren noch viele ältere Eigentümer, die nichts entwickeln wollten, heute haben wir es vielerorts mit der Erbengeneration zu tun, das sind jüngere Hausbesitzer, die gar nicht mehr in der Liegenschaft wohnen“, so Funke.
Eigentümer, die ihre Immobilie leer stehen lassen, tun das nicht immer aus Gleichgültigkeit, sondern oft aus Unsicherheit, Überforderung oder einfach aufgrund fehlender Perspektiven.
Die Herausforderung für Gemeinden liegt darin, den Dialog auf Augenhöhe zu suchen – frühzeitig, transparent und behutsam.
Erfolgreiche Projekte setzen nicht nur auf Information, sondern auch auf aktive Einbindung in Form von moderierten Gesprächsrunden, individuellen Beratungen oder gemeinschaftlichen Planungsformaten.
Die Kunst des Erstkontakts
Doch wie gelingt der Zugang zu Eigentümern, die ihre Häuser nicht verkaufen oder sanieren möchten? „Vertrauen ist der Schlüssel. Ehrlichkeit, Transparenz und am besten ein paar erfolgreich umgesetzte Projektreferenzen helfen, eine Bindung aufzubauen“, erklärt Funke. „Das braucht Zeit und oft auch Personen, die vermitteln können: Ein Hauseigentümer darf sich durchaus erwarten, dass der Bürgermeister sich um ein so wichtiges Thema wie die Ortskernentwicklung selbst kümmert und nicht einen Mitarbeiter aus dem Rathaus zum Erstgespräch schickt.“
Wichtig sei, so Funke, nicht mit fertigen Plänen zu konfrontieren, sondern mit ehrlichem Interesse an der Geschichte der Liegenschaft und einer guten Idee für die Entwicklung. „Wenn die Leute spüren, dass es nicht nur ums Verkaufen, sondern um die Zukunft ihres Ortes geht, sind sie eher bereit, sich zu öffnen.“
Braucht es Förderungen?
Zwar gibt es Modelle, die den Verkauf erleichtern, etwa durch Tauschimmobilien, finanzielle Anreize oder Sanierungsförderungen. Doch von solchen „Verkaufstaktiken“ hält Funke nicht viel: „Ich bin kein Freund von laufenden Förderungen, denn es handelt sich immer um versteckte Wirtschaftsförderungen für einzelne Branchen. Sinnvolle Anstoßförderungen zu Projektbeginn machen allerdings schon Sinn. Und wer mit klassischen Verkaufsmethoden kommt, stößt sowieso oft auf Widerstand. Viel wirkungsvoller ist es, den Nutzen einer Beteiligung klar zu machen, für die Gemeinde, aber auch für den Eigentümer selbst: Nämlich weniger Erhaltungsaufwand, eine Aufwertung der Immobilie, und bessere Nutzungsperspektiven.“
Denn die Ortskerne verändern sich. Prägten früher vor allem stationäre Handelsbetriebe die Zentren, so wird es künftig mehr Dienstleistungszonen geben. „Um einen Ortskern zu beleben, muss man außerdem attraktives Wohnen im Zentrum forcieren, um die Binnennachfrage zu stärken“ erläutert Funke einen zentralen Entwicklungsansatz.
Harte Nüsse: Wenn Strukturen verfestigt sind
Nicht immer ist die Kommunikation einfach. Manche Eigentümer sind nicht erreichbar, leben im Ausland oder weigern sich seit Jahren, Gespräche zu führen. „In solchen Fällen wird’s natürlich schwierig“, so Funke. „Da hilft oft nur ein langer Atem, oder der Versuch, mit Nachbarn, Verwandten oder anderen Vertrauenspersonen in Kontakt zu treten.“
Ein weiteres Problem ist das mietrechtliche Korsett. Alte Mietverträge, entsprechende Bestandsmieten und fehlende Einsicht beim Modernisierungsbedarf bremsen viele Projekte aus.
„Man darf die Liegenschaftseigentümer nicht mit unrealistischen Versprechungen ködern. Ehrlichkeit ist ein absolutes Muss! Oft wollen Hausbesitzer aufgrund alter Mietverträge an langjährigen, hohen Quadratmeterpreisen festhalten. Aber entscheidend ist, was marktüblich erzielbare Mieterträge sind“, erklärte der langjährige Baustadtrat von Amstetten.
Ebenso schwierig sind innerfamiliäre Konflikte – etwa wenn Erben uneins über die Zukunft einer Immobilie sind. Hier braucht es nicht nur Geduld, sondern rechtlich fundierte Beratung und oft auch Mediation.
Der Ortskern lebt durch Beziehungspflege
Ortskernentwicklung ist kein rein bauliches, sondern ein zutiefst soziales Projekt. Es braucht Mut zur Kommunikation, kreative Wege der Ansprache und einen langen Atem. Nur wenn Anrainer und Eigentümer als Partner gesehen werden – nicht als Hindernis – kann nachhaltige Veränderung entstehen.
„Am Ende entscheidet nicht der Plan, sondern die Beziehung“, bringt es Funke auf den Punkt. „Und die beginnt mit einem ehrlichen Gespräch.“
Der Beitrag erschien in der NÖ Gemeinde 7/2025.