Kläranlage
Klärschlamm enthält noch jede Menge Wärmeenergie.
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Abwasser als erneuerbare Energiequelle

15. September 2021
Auf der Suche nach erneuerbaren, lokalen und klimafreundlichen Energiequellen gelangt nun das Abwasser vermehrt in den Fokus, da es große Mengen an Wärme enthält. In der Kläranlage Kapfenberg wurde untersucht, wie die auf der Kläranlage verfügbare Wärme in die lokale Energieversorgung (Fernwärmenetz) eingebunden werden kann.

Für das Heizen und die Warmwasserversorgung werden große Mengen an Energie benötigt, die heute noch vor allem aus fossilen Quellen stammen. Abwässer enthält aber ebenfalls jede Mengen Energie, die bisher aber noch weitgehend nicht genutzt wird.

Die Europäische Union hat dieses Potenzial erkannt, und 2018 Abwasser aufgrund dessen Wärmeinhalts als erneuerbare Energiequelle anerkannt.

Energiepotenzial noch wenig genutzt

Die Gründe, warum dieses Potenzial in Österreich bisher noch nicht (in größerem Stil) gehoben wurde, liegen wohl unter anderem darin begründet, dass das Bewusstsein über diese Energiequelle außerhalb der Abwasserbranche bisher nur wenig ausgeprägt ist. Darüber hinaus war der Anreiz zu einer entsprechenden Nutzung im Bereich der Abwasserwirtschaft bisher auch nicht sehr groß, da auf vielen Kläranlagen aus der Verwertung des anfallenden Klär- bzw. Biogases genug Wärme für die Deckung des Eigenbedarfs verfügbar ist.

Eine Nutzung der anfallenden Überschüsse außerhalb der abwassertechnischen Infrastruktur stellte mangels geeigneter Abnehmer sowie fehlender Infrastruktur in Form von Fernwärmeleitungsnetzen vielfach auch keine Option dar.

Wärmeüberschüsse mussten sogar vernichtet werden

Auf der Kläranlage Kapfenberg stellte sich die Situation entsprechend dar. Die thermische Energie aus der Nutzung des vorhandenen Biogases in einem Blockheizkraftwerk (Strom- und Wärmebereitstellung) diente der Deckung des anlageninternen Bedarfs. Die Rückgewinnung der im Kläranlagenablauf verfügbaren Abwasserwärme war bisher keine realistische Option, da die auf der Anlage (vor allem im Sommer) anfallenden Wärmeüberschüsse mangels Fernwärmenetzanschluss nicht nur ungenutzt blieben, sondern teilweise sogar „vernichtet“ werden mussten.

Energie für neue Wohnanlage nutzen

Im unmittelbaren Nahbereich der Kläranlage entstand ein neues Wohnquartier mit 220 Wohnungen und einem entsprechenden Wärmebedarf.

Aufgrund dieser Rahmenbedingungen- eine (neue) Wohnsiedlung mit Wärmebedarf und eine benachbarte Kläranlage mit Wärmeüberschuss -, lag das Ziel des Forschungsprojektes schnell auf der Hand: Wie kann die durch die Kläranlage verfügbare Wärme bestmöglich für die Deckung des Bedarfs der Wohnanlage genutzt werden?

Die technische Umsetzung

Grundlage der Untersuchungen bildete ein vom Land Steiermark neu etabliertes Werkzeug der örtlichen Raumplanung, das Sachbereichskonzept Energie.

In diesem Zusammenhang legte die Stadtgemeinde Kapfenberg einen potenziellen Standortraum für die Fernwärmeversorgung fest. Davon ausgehend wurde mit dem Projekt der innovative Ansatz einer Wärmeauskopplung von der Kläranlage in ein neues Nahwärmenetz untersucht.

Mit der Erschließung der bisher nicht genutzten Niedertemperaturquelle aus Abwasserwärme wird ein wesentlicher Beitrag zur Erhöhung struktureller Energieeffizienz geleistet, indem die Abwärme aus dem Ablauf der Kläranlage einer Nutzung zugeführt wird.

Das neu erschlossene Niedertemperaturniveau reicht jedenfalls dazu aus, den kläranlageninternen (Niedertemperatur-)Wärmebedarf, der primär von der Temperierung des Klärschlammes im Bereich von 38 Grad Celsius in den Faultürmen dominiert wird, zu decken und damit das bisher dafür verwendete hochexergetische Biogas für eine höherwertige Wärmeversorgung (Hochtemperatur) im Kläranlagenumfeld „freizuspielen“.

Abwassernutzung

Der zielgerichtete Einsatz von Nieder- und Hochtemperaturwärme auf Kläranlagen ist ein neuer Ansatz im Umgang mit der Ressource Wärme und stellt hier einen wichtigen Meilenstein in Sinne einer effizienten Energienutzung dar.

Aus Sicht der Kläranlage stellt dies einen radikalen Paradigmenwechsel dar, von der Ausrichtung auf eine möglichst hohe Eigenversorgung hin zu klimafreundlicher Energiebereitstellung im Kläranlagenumfeld.

Mit den Erzeugungspotenzialen von Abwasserwärme und Biogas wird der Eigenbedarf in der Regel (weit) überschritten, sodass die Kläranlage als lokale Energie-/Wärmezelle anzusehen ist, mit der Sektorkopplung zwischen Gas-, Strom- und Wärmenetz real umgesetzt werden kann.

Die Aktivierung der Wärme aus dem Abwasser und deren Kopplung mit der Fern-/Nahwärmeversorgung stellen vielversprechende Ansätze für die Transformation des lokalen Energiesystems dar, die mittels kommunaler Energieraumplanung in Abhängigkeit vom räumlichen Kontext eines Kläranlagenstandortes für substanzielle Beiträge zur Umsetzung der Energiewende genutzt werden können.

Die Ergebnisse

Die durchgeführten Untersuchungen bestätigten die technische Machbarkeit des gewählten Umsetzungsszenarios (Phasen 1 und 2):

Im Sommer kann dabei der gesamte aktuelle Wärmebedarf der Wohnsiedlung mit Wärme aus der Kläranlage gedeckt werden, im Winter noch immer zumindest 50 Prozent davon. Wobei an dieser Stelle auch erwähnt werden soll, dass das Wärmepotenzial im Kläranlagenablauf derzeit noch bei Weitem nicht ausgeschöpft wird.