Hannes Pressl diskutierte mit TU-Professor Arthur Kanonier, Johannes Wischenbart von der Dorf- und Stadterneuerung, Moderator Thomas Hofer und den Bürgermeister Mario Abl (Trofajach) und Martin Leonhardsberger (Mank)
Hannes Pressl diskutierte mit TU-Professor Arthur Kanonier, Johannes Wischenbart von der Dorf- und Stadterneuerung, Moderator Thomas Hofer und den Bürgermeister Mario Abl (Trofajach) und Martin Leonhardsberger (Mank)
© Alle Fotos: Gemeindebund/Erich Marschik

2. Bürgermeister:innen-Tag in Bad Aussee

Zwischen KI-Avatar und Nahversorger-Frust

Beim zweiten Bürgermeistertag im Vorfeld der Kommunalen Sommergespräche 2025 kamen sie aus ganz Österreich zusammen, um das zu tun, was man im Alltag oft zu wenig schafft: offen reden, Sorgen teilen, Ideen austauschen – und auch ein bisschen schmunzeln.

Rund 120 Bürgermeister und Bürgermeisterinnen waren eigens aus ganz Österreich gekommen, um mit Gemeindebundpräsident Johannes Pressl und zahlreichen prominenten Experten über die brennendsten Gemeindethemen wie Nahversorgung, Digitalisierung, Feuerwehr-Beschaffung oder das IFG zu diskutieren, um nur ein paar zu nennen. 

Und gleich vorweg: Dieser Tag war den Sorgen und Hoffnungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gewidmet. Ganz unter ihresgleichen wurde diskutierten und sich ausgetauscht – ohne störende Medienpräsenz. Hannes Pressl und Moderator Thomas Hofer machten beide gleich zu Beginn klar: „Heute sind wir unter uns – hier darf frei gesprochen werden.“ Kein Kameralicht, kein Mikrofon der Bundespolitik, dafür ehrliche Diskussionen.

Und noch etwas vorweg: Nächstes Jahr wird wieder ein Bürgermeister:innen-Tag im Vorfeld der Kommunalen Sommergespräche stattfinden, wer sich ganz zwanglos in der netten Atmosphäre Bad Aussees austauschen will, sollte sich jetzt schon das Wochenende Ende August 2026 vormerken. 

Der große Bogen von Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl

Gleich zu Beginn spannte  „der oberste Bürgermeister der Republik“ in seiner Eröffnungsrede einen großen Bogen. Kein Pathos, sondern ein nüchterner Blick: Inflation, Umlagen, Pflegekosten, Klimaanpassung – die Gemeinden stecken mitten im Sturm. 

  • Kurzfristig: Inflation und steigende Umlagen drücken die Budgets.
  • Mittelfristig: Einnahmen wachsen zwar, aber langsamer als die Ausgaben. Dazu kommt der fehlende politische Wille für echte Einnahmenreformen – etwa bei Grundsteuer oder CO₂-Abgabe.
  • Langfristig: Reformen ziehen sich, während neue Belastungen aus Klimaanpassung, Kinderbetreuung und Pflege auf die Gemeinden zukommen.

Pressl machte klar: „Wir dürfen uns nichts vormachen. Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt und müssen sparen.“ Gleichzeitig warb er für Kooperation, digitale Lösungen, mutige Prioritätensetzung – und für Gerechtigkeit: Es könne nicht sein, dass manche Interessengruppen sich „aus dem System hinauswischen“, während Gemeinden die Hauptlast tragen.

Trotzdem blieb er nicht im Problem-Modus stecken. Pressl warb für Kooperation, Digitalisierung und Mut zum Neuen. Und er zeigte später am Tag etwas, das viele im Saal zum Staunen brachte: seinen eigenen KI-Avatar. Der „digitale Pressl“ sprach perfekt englisch, rumänisch, sogar türkisch – nur eben nicht echt. Ein Vorgeschmack auf künftige Bürgermeister-Ansprache? Hannes Pressl in Bild und Stimme, aber synthetisch erzeugt. Das sorgte für Staunen – und die Erkenntnis, dass Kommunikation und Bürgernähe künftig auch neue digitale Wege gehen können, wenn schon nicht werden.

Gemeindebund-Chef Johannes Pressl gab den „Gemeinde-Blick aufs große Ganze“.
Gemeindebund-Chef Johannes Pressl gab den „Gemeinde-Blick aufs große Ganze“.

Aber der Reihe nach:

Digitalisierung der Verwaltung

Die erste Diskussion stand im Zeichen der digitalen Transformation der Gemeindeverwaltungen. Mit den Inputs von Johannes Rund (EGov Bürger, BKA), Roland Sallmann (IT-Kommunal) und Daniel Holzer (Gemdat OÖ) wurde klar: Digitalisierung kann enorme Chancen eröffnen, verlangt aber Mut und Investitionen.

  • ID Austria wurde als Schlüssel vorgestellt: eine einzige digitale Identität für alle Amtswege – vom Finanzamt bis zur Gemeinde.
  • Der Städtebund warb dafür, dass auch kleinere Gemeinden frühzeitig in digitale Lösungen investieren, um Verwaltungsvorgänge effizienter zu machen.
  • Gleichzeitig gab es mahnende Stimmen: Digitalisierung sei kein Selbstzweck, sondern müsse mit klaren Services für die Bürger verbunden sein.

Diskutiert wurde auch die Sorge mancher Gemeinden, dass die Kosten für IT und Datenschutz kaum mehr zu stemmen seien. Hier zeigte sich: Nur durch gemeinsame Plattformen und kooperative Lösungen wird die Digitalisierung nicht zur Überforderung.

Sparen macht Spaß? – Gemeindefinanzen unter Druck. Bevor die Feuerwehr auf die Bühne kam, wurde es noch einmal richtig ernst: Andreas Schlögl von der BDO sprach über die Gemeindefinanzen – unter dem augenzwinkernden Titel „Sparen macht Spaß“.

Die Diagnose war ernüchternd:

  • Inflation frisst Spielräume – die Ausgaben steigen deutlich schneller als die Einnahmen.
  • Umlagen für Gesundheit, Pflege und Soziales belasten die Budgets massiv.
  • Gleichzeitig steigen die Erwartungen der Bürger – von Kinderbetreuung bis Klimaschutz.

Schlögl machte klar: Gemeinden können nicht auf „Wundererlöse“ warten. Stattdessen gehe es um klare Prioritäten, Effizienzsteigerungen und auch darum, Standards zu hinterfragen. Nicht jedes neue Gebäude müsse Luxusklasse sein, nicht jede Dienstleistung in Vollausstattung.

Sein Credo: Sparen ist kein Selbstzweck – aber wenn es gelingt, mit knapperen Mitteln trotzdem handlungsfähig zu bleiben, dann ist das nicht nur eine Notwendigkeit, sondern tatsächlich auch ein Stück Gestaltungskraft.

PS: In einer der kommenden Ausgaben von KOMMUNAL wird der Vortrag von Andreas Schlögl detaillierter betrachtet.

Feuerwehr als Rückgrat der Gemeinden. Nächster Tagespunkt war wieder ein besonders emotionales Thema: Feuerwehr, Ehrenamt und Sicherheit. Robert Mayer, Präsident des österreichischen Bundesfeuerwehrverbandes, präsentierte beeindruckende Zahlen: 4.500 Feuerwehren und 340.000 Mitglieder, davon 38.000 Jugendliche. Die Feuerwehrjugend sei so stark wie nie – ein Beweis dafür, dass Gemeinschaft und Werte wie Kameradschaft nach wie vor ziehen.

Finanzierung, Beschaffung, Ausrüstung, Feuerwehren“ wurde mit Robert Mayer vom Österreichischen  Bundesfeuerwehrverband heiß diskutiert,
Finanzierung, Beschaffung, Ausrüstung, Feuerwehren“ war ein großes Thema am Bürgermeistertag.

Gleichzeitig benannte Mayer die Herausforderungen:

  • Klimawandel: Starkregen, Muren, Stürme – die Einsätze nehmen massiv zu.
  • Technische Neuerungen: Photovoltaikanlagen, E-Autos und Batteriespeicher stellen Feuerwehren vor völlig neue Gefahrenlagen.
  • Kostenexplosion: Fahrzeuge und Ausrüstung wurden in den letzten Jahren um 40 Prozent teurer.

Die Lösung, so Mayer: Standardisierung. Einheitliche Fahrzeuge und Geräte senken Kosten, erleichtern die Ausbildung und machen Feuerwehren flexibler einsetzbar.

Die Frage nach Fusionen von Feuerwehren wurde heftig diskutiert. Mayer warnte vor einer rein ökonomischen Betrachtung: Zwangszusammenlegungen gefährden das Ehrenamt. Denn aus drei Wehren mit je 100 Mitgliedern würden nicht automatisch 300. Vielmehr gehe es darum, Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg zu organisieren – ohne den Charakter der Freiwilligkeit zu zerstören.

Nahversorgung – mehr als nur ein Geschäft

Lebhaft wurde es, als die Nahversorgung zur Sprache kam. Viele Bürgermeister kennen die Situation: Wenn der letzte Nahversorger, die Poststelle oder gar der Arzt zusperrt, bleibt die Gemeinde auf den Problemen sitzen.

  • Beispiele aus mehreren Gemeinden zeigten: Sobald ein Geschäft nicht mehr wirtschaftlich ist, klopfen die Betreiber an die Tür des Rathauses – mit der Erwartung, dass die Gemeinde einspringt.
  • Oft beginnt dann ein „Subventionswettlauf“ zwischen Nachbargemeinden – wer mehr drauflegt, bekommt den Arzt oder den kleinen Supermarkt.
  • Doch Gemeinden haben dafür schlicht nicht das Geld.

Pressl und sein Diskussionspartner Robert Nagele von REWE brachten es auf den Punkt: Daseinsvorsorge muss wirtschaftlich gedacht werden. Dauerhafte Zuschüsse sind keine Lösung – stattdessen brauche es Kooperationen, digitale Modelle (etwa Bestellsysteme oder Lieferservices) und neue Partnerschaften.

Viele Bürgermeister:innen nickten zustimmend: Nahversorgung ist nicht nur Infrastruktur, sondern auch soziales Rückgrat. Wenn der Nahversorger verschwindet, geht auch ein Stück Lebensqualität verloren.

KI und Kommunikation. Nach der Mittagspause zeigte Medienunternehmer Stefan Lassnig mit Humor und Praxisbeispielen, wie künstliche Intelligenz die Kommunikation in Gemeinden verändern kann – auch das Thema werden wir uns in KOMMUNAL genauer ansehen.

  • Automatisierte Podcasts und Videoansprachen: Bürgermeister müssen nicht mehr ins Studio, sondern schicken nur mehr einen Text.
  • Mehrsprachigkeit: Bürger können künftig auch in ihrer Muttersprache erreicht werden – vom Deutschkurs abgesehen oft ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung.
  • Transparenz bleibt entscheidend: Nur wenn klar ist, dass KI im Spiel ist, behalten Bürgermeister Glaubwürdigkeit.

Baukartell – Lehren aus einem Skandal

Den Abschluss bildete ein brisantes Thema: Das österreichische Baukartell. Natalie Harsdorf, die Chefin der Bundeswettbewerbsbehörde, erzählte, wie ein unscheinbarer roter Ordner das größte Kartell Österreichs aufdeckte – mit tausenden Ausschreibungen, die zwischen 2002 und 2017 manipuliert wurden. Rund 200 Millionen Euro an Strafen wurden verhängt, doch der Schaden für Gemeinden und Steuerzahler geht in die Milliarden.

Michael Brand, auf Kartellschadenersatz spezialisierter Rechtsanwalt und mit der Klage betrauter Jurist, machte Mut: Durch Prozessfinanzierung (in dem Fall mit dem internationalen Prozessfinanzierer Litfin) können Gemeinden Ansprüche geltend machen – Kosten für Gutachten und Klagen werden gebündelt.

Die Lehre: Gemeinden müssen ihre Vergabeverfahren noch kritischer prüfen und sensibel bleiben für verdächtige Muster. Denn die Erfahrung zeigt: Kartelle sind lukrativ und tauchen immer wieder auf.

Ein Tag der offenen Worte

Am Ende war der Tenor klar: Die Gemeinden stehen unter Druck, aber sie sind auch die Ebene, die Lösungen findet. Ob bei der Kinderbetreuung, in der Feuerwehr, bei Digitalisierung, Nahversorgung oder im Kampf gegen Kartelle – die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister tragen die Last, aber auch die Verantwortung, Zukunft zu gestalten.

Das positive: Auch wenn die Gemeinden im Sturm sind –sie stehen zusammen. Oder, wie es Pressl sagte: „Die Zukunft liegt vor uns, nicht hinter uns. Wir packen an – auch wenn’s schwer ist.“

Weitere Infos und Fotos finden Sie auch unter:

2. Bürgermeisterinnen- & Bürgermeistertag 2025 - Der Österreichische Gemeindebund