Erwin Dirnberger und Andrea Kaufmann
Erwin Dirnberger und Andrea Kaufmann

Zwei Profis übernehmen das Ruder

28. August 2023
Andrea Kaufmann ist die erste Frau an der Spitze Dornbirns, an der Spitze des Vorarlberger Landesverbandes und aktuell auch des Österreichischen Gemeindebundes. Und Erwin ­Dirnberger kann jahrzehntelange Erfahrung vorweisen, sowohl als Bürgermeister und im Gemeindebund wie auch als Landtagsabgeordneter.

Deja-VU für eine Pionierin 

Andrea Kaufmann durchbrach die gläserne Decke, die sich Frauen in der Politik oft zeigt, gleich mehrfach. Sie wurde nicht nur als erste Frau ins Bürgermeisteramt Dornbirns, der größten Vorarlberger Stadt, gewählt, im Gemeindebund war sie auch die erste Frau überhaupt an der Spitze eines Landesverbandes. Nun ist sie auch noch die erste weibliche Spitze auf gesamtösterreichischer Ebene, zusammen mit ihrem steirischen Pendant Erwin Dirnberger.

Die Umstände, wie sie in diese Funktionen kam, sind sich dabei recht ähnlich. Als sie im November 2020 beim coronabedingt virtuell abgehaltenen Gemeindeverbandstag zur Präsidentin gewählt wurde, übte sie das Amt bereits rund ein Jahr interimistisch aus, nachdem Harald Köhlmeier zurückgetreten war und der zweite Vizepräsident Werner Müller schon zuvor angekündigt hatte, sich aus gesundheitlichen Gründen zurückzuziehen.

„Das war auch für mich selbst relativ überraschend“, gibt sie zu. Ihre wichtigste Aufgabe damals war es, mit dem Land Vorarlberg ein Gemeindefinanzpaket auszuverhandeln. Das gelang ihr, trotz der widrigen Umstände: in mehreren Runden, ohne Präsidium, und unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie samt den daher notwendigen Soforthilfen. 

Jetzt, im Sommer 2023, keine drei Jahre später, findet sich Kaufmann abermals in einer ganz ähnlichen Situation wieder. Wiederum springt sie als Stellvertreterin ein und übernimmt interimistisch die Präsidialfunktionen. Wiederum als erste Frau in dieser Rolle. Und wieder stehen wichtige Verhandlungen unmittelbar bevor, nämlich jene zum Finanzausgleich. Wer also ist die Frau, die im Duo mit ihrem steirischen Amtskollegen die Interessen der österreichischen Gemeinden durchsetzen soll?

Andrea Kaufmann wurde 1969 als Andrea Blenk, Tochter des langjährigen Nationalratsabgeordneten Wolfgang Blenk, in Dornbirn geboren. Sie studierte Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien und Volkswirtschaftslehre an der Universität Konstanz.

Anfang der 90er-Jahre engagiert sie sich in der JVP Dornbirn und wird in weiterer Folge in den JVP-Landes- und Bundesvorstand gewählt. 2003 übernimmt sie die Funktion der ­Stellvertreterin des ÖAAB-Landesobmanns und bleibt es über zwölf Jahre. In ihrer Heimatgemeinde wird sie Stadträtin für Kultur, Familie und Bildung, bis sie nach der Landtagswahl 2009 in das Regierungskabinett Sausgruber IV wechselt und fortan als Landesrätin für Kultur, Wissenschaft und Studienförderung, Weiterbildung, Archiv- und Bibliothekswesen sowie Musikschulen verantwortlich ist. 

2011 wird Kaufmann Stellvertreterin des damaligen ÖVP-Bundesparteiobmanns Michael Spindelegger. Ein gutes Jahr später übernimmt sie als Landesrätin vom zurückgetretenen Rainer Gögele zusätzlich noch die Ressorts Hochbau, Maschinenbau, Elektrotechnik, Seilbahnen und Aufzugstechnik.

2013 legt sie ihre Landesfunktion zurück und wird von der Dornbirner Stadtvertretung als erste Frau zur Bürgermeisterin gewählt. Bei den folgenden Bürgermeister-Direktwahlen 2015 und 2020 bestätigt die Bevölkerung sie jeweils bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit in ihrem Amt. Zwei Monate später folgt die Kür zur Präsidentin des Vorarlberger Gemeindeverbandes.

Die vierfache Mutter ist eine große Verfechterin von Gemeindekooperationen. „Schon jetzt haben wir über 260 formelle Gemeindekooperationen in Vorarlberg. Dennoch sollte man solche nochmals verstärkt angehen“, sagt sie anlässlich ihres damaligen Amtsantritts. Gemeindezusammenlegungen sind hingegen für Kaufmann in Vorarlberg kein Thema. 

Versierter Routinier aus der Lipizzanerheimat 

Erwin Dirnberger, der bisherige erste Stellvertreter des Gemeindebund-Präsidenten, übernahm zusammen mit Andrea Kaufmann die Agenden des Präsidialamtes. Wenn es auch überraschend und kurzfristig gekommen sein mag – so schnell bringt den 66-Jährigen nichts aus der Ruhe, denn der heimatverbundene Steirer ist ein alter Hase, was die Kommunalpolitik, auch über die Gemeindegrenzen hinweg, betrifft. 

Dirnberger wurde 1957 in Hallersdorf (Bezirk Voitsberg) geboren. Nicht einmal zehn Jahre zuvor war Hallersdorf noch eine eigene Gemeinde, kam dann aber zur Gemeinde Sankt Johann -Köppling, die es heute ebenfalls nicht mehr gibt. Gemeindezusammenlegungen sollten auch in Dirnbergers weiterem Leben eine nicht unwesentliche Rolle spielen.

Zunächst besucht er jedoch die landwirtschaftliche Fachschule in Stainz und macht in Folge weitere landwirtschaftliche Ausbildungen. Ende der 70er-Jahre beginnt er in einer Molkerei zu arbeiten und wird Obmann der Jungen ÖVP in seiner Heimatgemeinde, die mittlerweile St. Johann-Köppling heißt. Mitte der 80er-Jahre steigt er zum Ortsparteiobmann auf, wird 1990 zum Bürgermeister gewählt – und ist es, mittlerweile 33 Jahre lang, bis heute.

Beruflich bleibt Dirnberger bis 2006 Angestellter in der Molkerei. Nebenerwerbslandwirt ist er bis heute. Politisch zieht es ihn auch in die Landespolitik. 1996 wird er nicht nur ÖVP-Bezirksparteiobmann von Voitsberg, sondern auch Abgeordneter im Steiermärkischen Landtag (heute Landtag Steiermark). Dort übernimmt er die Funktion des ÖVP-Bereichssprechers für Gemeinden sowie für Bau- und Raumordnung. Die Bereiche Gemeinden, ländlicher Raum sowie die Region Voitsberg bleiben seine gesamte politische Laufbahn über Dirnbergers Herzensangelegenheit.

Im Jahr 2007 wird er schließlich Präsident des Gemeindebundes Steiermark. Besonderes Engagement zeigt der Bürgermeister von (damals noch) Sankt Johann-Köppling bei der steiermärkischen Gemeindestrukturreform, die auch seine eigene Gemeinde betrifft. Das südwestlich von Graz gelegene Sankt Johann-Köpp­ling in der Lippizanerheimat wird mit der Gemeinde Söding fusioniert und trägt seitdem den Namen Söding-Sankt Johann. 

Die Zeit vor den Gemeindezusammenlegungen beschreibt Dirnberger als „sehr herausfordernd, weil die Emotionen hochgingen“. Dort, wo der Wille zur Zusammenarbeit da war, habe es aber von Anfang an gut funktioniert. „In meiner Gemeinde beispielsweise erfolgte die Zusammenlegung vollkommen freiwillig und ohne Vorgabe des Landes. Es gab eine Volksbefragung und alle politischen Parteien waren eingebunden. Es hat gut funktioniert, trotzdem war die Umsetzung im Detail eine Herausforderung“, erinnert sich der Vater von vier Kindern zurück. 

Dirnberger beweist dabei auch in schwierigen Zeiten sein politisches Geschick und wird wieder zum Bürgermeister der frisch fusionierten Gemeinde gewählt.

Trotz seiner übergeordneten Funktionen im Land und im Gemeindebund setzt er sich weiterhin mit vollem Einsatz für seine Heimatregion Lippizanerheimat ein. Mit „den drei großen H, die es für gute Arbeit in den Gemeinden braucht - nämlich Herz, Hirn und Hand“, kämpft er als Gemeindebund-Präsident der Steiermark für die Stärkung des ländlichen Raumes sowie seit letztem Jahr als neuer Obmann der Wirtschaftsoffensive Voitsberg, die Teil der Lokalen Aktionsgruppe Lipizzanerheimat der gleichnamigen LEADER-Region ist, für nachhaltige integrierte Regionalentwicklung.