Schutzdämme in der Siedlung Arnig, Gemeinde Kals
Wenn eine Gemeinde einen Schutzbedarf für einen Wildbach, eine Lawine, Rutschung oder Steinschlag erkennt, kann sie einen schriftlichen Antrag auf Verbauung an die zuständige Gebietsbauleitung der Wildbach- und Lawinenverbauung stellen. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit für Wassergenossenschaften und Wasserverbände, die gemäß den Bestimmungen des WRG 1959 gegründet wurden, direkt an die Gebietsbauleitung einen Antrag zu formulieren.
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Zusammenarbeit macht sicherer

8. Dezember 2020
Schutzmaßnahmen gegen Naturgefahren stellen österreichische Gemeinden vor große wirtschaftliche und organisatorische Herausforderungen. Drei Beispiele für Kooperationsmodelle aus drei Bundesländern.

Tirol - Win-win-Situation durch Kooperation von Gemeinden

Während üblicherweise die Schutzbauten in der Verantwortung einzelner Gemeinden und eines Wildbachaufsehers stehen, ist man im Paznauntal einen eigenen Weg gegangen: Man hat einen „Erhaltungsverband“ zur Kontrolle der Schutzbauten gegründet. 

Diesem Verband gehören die Gemeinden See, Kappl, Ischgl und Galtür an, sowie die Landesstraßenverwaltung, die zahlendes Mitglied ist. Der Anteil der finanziellen Beteiligung der einzelnen Gemeinden bezieht sich auf den Anteil der Schutzbauten in der jeweiligen Gemeinde, damit ist auch eine Finanzierungsgerechtigkeit hergestellt. Es entsteht somit für alle Beteiligten eine Win-win-Situation: Die Kosten der Kontrolle werden für die eigene Gemeinde reduziert, im Gegenzug werden die Kontrollen zielgerichteter, die Wildbach- und Lawinenverbauung wird über etwaige Schäden rascher informiert und kann somit auch früher mit Gegenmaßnahmen tätig werden. Da übersehene Schäden immer zu Folgeschäden führen, kann langfristig damit auch eine Reduzierung der Investitionsnotwendigkeit für die Gemeinde erreicht werden.

Nach dem Vorbild von Paznaun gründeten nun auch die Osttiroler Gemeinden den „Wasserverband Instandhaltung Schutzbauten Osttirol“. 28 der insgesamt 33 Osttiroler Gemeinden haben sich zusammengeschlossen, um über den Verband künftig die Überwachung und Instandsetzung der Bauwerke abzuwickeln. Das betrifft im gesamten Bezirk Lienz über 83 km Lawinenschutzbauwerke, ca. 22 km Steinschlagschutznetze und Dämme, über sieben Hektar flächige Steinschlag- und Erosionsschutzmaßnahmen, ca. 24 km Entwässerungsleitungen samt zahlreicher Schächte und 68 Hochwasserretentionsbauwerke.

Salzburg - Das Modell der Wassergenossenschaften

Wildbachgenossenschaften (Wassergenossenschaft nach Wasserrecht) bieten eine alternative Form der solidarischen Finanzierung und Erhaltung von Schutzmaßnahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) unter Beteiligung der Schutzbegünstigten. 

Wassergenossenschaften gemäß §§ 73 WRG sind durch Bescheid eingerichtete juristische Personen öffentlichen Rechts mit direktem Bezug zu Schutzbauwerken oder verbundenen Liegenschaften (Gewässer), deren Aufgaben unter anderem Hochwasserschutz, Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV), die Aufbringung von Interessentenbeiträgen sowie die Überwachung und Instandhaltung wasserrechtlich bewilligter Anlagen umfassen.

Zu den Funktionen von Wassergenossenschaften zählen die Vertretung der gemeinschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder nach außen, einschließlich der Antragstellung an die Wasserrechtsbehörde und das Tragen von Wasserrechten.

Als gefährdete Liegenschaften gelten alle von Wildbach- oder Lawinengefahren betroffenen Grundstücke und nicht bloß die Ufergrundstücke. Wassergenossenschaften können durch freie Vereinbarung der Beteiligten („freiwillige WGen“), durch Mehrheitsbeschluss und gleichzeitige Beiziehung der widerstrebenden Minderheit („WGen mit Beitrittszwang“) auf Grundlage des Beschlusses von mindestens drei Beteiligten (inklusive genehmigter Satzung) und eines Anerkennungsbescheides der Wasserrechtsbehörde oder durch Bescheid des Landeshauptmanns („Zwangsgenossenschaft“) gebildet werden.

Die gesetzlich vorgegebenen Genossenschaftsorgane umfassen die Mitgliederversammlung, den Ausschuss oder Geschäftsführer, den Obmann und dessen Stellvertreter. Die Satzungen enthalten unter anderem Regelungen über das Genossenschaftsgebiet, die Kriterien der Mitgliedschaft, das Stimmrecht sowie den Maßstab für die Aufteilung der Kosten und haben Vorsorge für die Schlichtung der zwischen Mitgliedern oder zwischen diesen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstandenen Streitigkeiten zu treffen.

Die Wurzeln und ersten Rechtsgrundlagen genossenschaftlicher Zusammenschlüsse und Konkurrenzen für den Zweck der Wildbachverbauung reichen in Österreich weit vor die Zeit der Gründung der staatlichen Wildbachverbauung 1884 zurück und entspringen der Idee der gemeinschaftlichen Gefahrenabwehr.

Obwohl genossenschaftliche Zusammenschlüsse in vielen Bereichen der wasserwirtschaftlichen Daseinsvorsorge verbreitet sind, haben sich Wassergenossenschaften mit dem Zweck der Vorsorge gegen Wildbach- und Lawinengefahren bisher nur im Bundesland Salzburg etabliert.

Insgesamt existieren in Salzburg ca. 250 „Wildbachgenossenschaften“. Wassergenossenschaften im Bereich der Wildbach- und Lawinenverbauung bieten umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten für die autonome Entscheidungsfindung und interne Konfliktlösung im Zusammenhang mit Schutzprojekten, ermöglicht aber bei unlösbarem Dissens auch den Rückgriff auf ordnungsstaatliche Instrumente (Regelung durch die Wasserrechtsbehörde). 

Die hohe Identifikation der Mitglieder von „Wildbachgenossenschaften“ mit den „eigenen“ Schutzmaßnahmen spricht für eine weitere Verbreitung dieser bisher nur in Salzburg etablierten Organisationsform.

Kärnten - Wasserverband Mölltal: Erfolgsmodell seit 50 Jahren 

Der Wasserverband Mölltal wurde nach den katastrophalen Hochwässern in den Jahren 1965 und 1966 gegründet. Aktuell sind das die zwölf Gemeinden Heiligenblut, Großkirchheim, Mörtschach, Winklern, Rangersdorf, Stall, Flattach, Obervellach, Mallnitz, Reisseck, Mühldorf und Lurnfeld.

Die Statuten und die Arbeit des Wasserverbandes Mölltal waren und sind Vorbild für Neugründungen von Schutzwasserverbänden nach dem Wasserrechtsgesetz. In Kärnten gab es in den letzten Jahren fünf Neugründungen und eine Ergänzung in einen Gemeindeverband nach der allgemeinen Gemeindeordnung Kärnten. Einige Verbände sind noch in Gründungsbesprechungen. 

Die Vorteile sind:

  • Bessere Planungs- und Finanzierungssicherheit in der jeweiligen Fünfjahresperiode
  • Höhere Bundes- und Landesfinanzierungen
  • Verwaltungsvereinfachung bei der Abwicklung der Schutzprojekte
  • Erarbeitung der Grundlagen kann derzeit noch über das Programm „Ländliche Entwicklung (LE)“ gefördert werden 

Aktuelle Herausforderungen sind:

  • Gemeinsame Bewältigung der Sedimentbewirtschaftung nach den Bestimmungen der Abfallwirtschaft
  • Gemeinsame Organisation der Wildbachbegehungen und der Bauwerksbeurteilungen (Ziel soll sein, dass gemeindeübergreifend fachlich ausgebildete Personen, z. B. Wildbachaufseher, die Aufgaben der Gemeinden wesentlich kostengünstiger erledigen können)

Wichtig war, dass in Rahmenfinanzierungen, die für zehn Jahre festgelegt wurden, immer als Interessenten-Partner die Landesstraßenverwaltung, die Energieträger Kelag und Verbund VHP GmbH mitfinanzierten. Die Begründung der Beteiligung der Energieträger liegt in der Ableitung der Möll nach Kaprun durch die Margeritzensee-Staumauer. Die ÖBB und die Österreichischen Bundesforste haben sich immer bei gesonderter Betroffenheit beteiligt.